Gemeinsam gegen Rothschild?

Wieso fühlen sich Politiker der Linkspartei bemüßigt, an einer Querfront teilzunehmen, die das politische Koordinatensystem zu überwinden trachtet?

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Der umtriebige rechte Publizist Jürgen Elsässer, der sich dem Aufbau einer Querfront zwischen rechten und linken Kräften verschrieben hat, konnte am vergangenen Montag einen erheblichen diesbezüglichen Erfolg verbuchen. Mit Diether Dehm hat erstmals ein Bundesabgeordneter der Linkspartei auf den dubiosen allwöchentlichen Kundgebungen gesprochen, die - offensichtlich gut organisiert und finanziert - neben einer verschwommenen Friedensbotschaft die Überwindung des politischen Denkens in den Kategorien von "Rechts" und "Links" propagieren.

Dieter Dehm am 9. Juni bei der "Mahnwache" am Brandenburger Tor. Bild: Screenshot aus dem Video

Die sogenannten Montagsdemos, bei denen wirre Verschwörungstheorien über das angeblich allmächtige jüdische Kapital (Rothschild-Bankiers) oder die US-Notenbank Verbreitung finden, werden regelmäßig von Rechtsextremisten frequentiert. Das Amalgam absurder Obsessionen, das bei diesen Zusammenkünften zum Ausdruck kommt (von der Kondensstreifenverschwörung über den allgegenwärtigen und mühsam kaschierten Antisemitismus bis zum Neomonarchismus) ist charakteristisch für die Formierungsphase einer rechten Bewegung. Ungemütlich kann es für die Montagsdemo-Redner nur dann werden, wenn sie von diesem illustren Publikum auf der Unterscheidung zwischen Rechts und Links beharren. Dann gehen die anscheinend so toleranten Demonstranten, die wirklich jeden Spinner in ihren Reihen dulden, sehr schnell zu wüsten Beschimpfungen über.

Seit der Formierung dieser rechten Bewegung, die zeitgleich mit der Eskalation in der Ukraine erstarkte, diskutiert auch die Linke über ihr Verhältnis zu diesem anscheinend "amorphen" Phänomen, dessen wichtigste Protagonisten für sich in Anspruch nehmen, das leidige Lagerdenken zwischen Links und Recht überwunden zu haben - während sie, wie etwa Jürgen Elsässer, fleißig mit Rechten kooperieren.

Was tun mit den Verschwörungstheoretikern?

Es ist innerhalb dieser kontroversen innerlinken Debatte bezeichnend, dass ausgerechnet Exponenten der anscheinend "linken" westdeutschen Flügel der Linkspartei sich für ein Engagement in dieser neurechten "Friedensbewegung" aussprachen. Gemeinsam mit Diether Dehm, der in dem Lafontaine nahen Parteiflügel "Sozialistische Linke" organisiert ist, hat der Linkspolitiker Wolfgang Gehrcke ein Schreiben fabriziert, in dem die Montagsdemonstrationen als Keim einer "neuen antirassistischen und emanzipatorischen Antikriegsbewegung" bezeichnet werden.

Kritik kam hingegen von den Realos in der Partei. Der thüringische Linksfraktionschef Bodo Ramelow verwies darauf, dass die neurechte "Antikriegsbewegung" bereits eine Säuberungswelle erlebt habe, bei der unliebsame Elemente entfernt wurde: "In Erfurt wurden uns nahestehende Organisatoren und Piraten ausgeschlossen und Jürgen Elsässer eingeladen..."

Diese Ablehnung einer Teilnahme der Linkspartei an den Montagsdemonstrationen resultiert nicht unbedingt aus einer besonders ausgeprägten ideologiekritischen Haltung der Realos. Wahrscheinlicher ist es, dass diese "pragmatischen" Kräfte bereits an der Koalitionsfähigkeit ihrer Partei bei den nächsten Bundestagswahlen arbeiten. Eine Kooperation mit einer dubiosen, von Verschwörungstheoretikern durchsetzten Bewegung stört diese Koalitionsbestrebungen nur.

Zu den Befürwortern eines linken Engagements bei den Montagsdemos zählt auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel, die auf den Montagsdemos vor allem Menschen ausfindig machen wollte, die auf "der Suche nach alternativen Informationen und Erklärungen" seien. Anhand des Begriffs der Verschwörungstheorie versuchte Hänsel darzulegen, dass es durchaus Anknüpfungspunkte zwischen den ideologischen Hervorbringungen im Umfeld der Montagsdemos und linker Kritik gebe:

Mit dem Begriff muß man natürlich seriös umgehen. Wenn aber Erklärungsmuster gebraucht werden, wie etwa, daß hinter allen Übeln die Federal Reserve Bank in den USA stehe - und vielleicht noch speziell "jüdisches Kapital" - dann bedient das auch antisemitische Denkschablonen. Gewollt oder ungewollt. Andererseits muß es möglich sein, Interessen zu benennen: Warum etwa die USA jahrelang ukrainische Nichtregierungsorganisationen finanziert haben, wie die CIA agiert und die EU mit viel Geld versucht, dort die öffentliche Meinung zu dominieren. Das halte ich nicht für verschwörungstheoretisch. Es ist der Versuch, imperiale Politik zu erklären.

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