Wie ISIL Medien nutzt

Die Terrorgruppe stellt sich in Videos und Tweets deutlich grausamer dar, als westliche Medien sie zeigen

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Eines kann man des salafistischen Terrorgruppe ISIL nicht vorwerfen: Dass sie versuchen würde, ihre extreme Blutrünstigkeit (oder vielleicht treffender "Blutbrünstigkeit") und ihre uneingeschränke Bereitschaft zum Massenmord an Andersgläubingen und säkularen Sunniten (die sie "Apostaten" nennt - "vom Glauben abgefallene") unter den Teppich zu kehren. Stattdessen gibt es ausgesprochen beeindruckende Videos und Fotos in Tweets, in denen man sieht, wie der Vormarsch der Terroristen konkret abläuft, wie viel gemeinschaftliche Freude die Salafisten am Töten von "Apostaten", "Ungläubigen" und "Safawiden" (gemeint sind Schiiten) haben, mit welcher Konsequenz sie ihren Ausrottungsfeldzug führen und dass sie neben Jerusalem auch "Rom" (gemeint ist möglicherweise die EU) erobern und "al-Andalus" (Spanien) unterwerfen wollen.

Diese Offenheit hat den Nachteil, dass Twitter und Videoportale immer wieder Beiträge löschen und Accounts wie das des ISIL-Anhängers @reyadiraq (der Live-Fotos der - nicht aus medizinischen Gründen durchgeführten - Amputation einer Hand getwittert hatte) schließen, weil sie gegen Nutzungsbedingungen verstoßen, die beispielsweise vorsehen, dass niemandem mit Gewalt gedroht werden darf. Weil ständig neue Accounts entstehen, hat das allerdings lediglich zur Folge, dass man manchmal etwas länger nach den Selbstdarstellungen der Salafisten suchen muss.

Vom April 2014 bis gestern gab es im Google Play Store sogar eine von einem "Hamza Moula" hergestellte App namens "Fajr al-Basha’ir" ("Anbruch der frohen Botschaft"), mit der ISIL-Anhänger bis zu 40.000 Links, Bilder und Texttweets täglich empfangen konnten, die im Chaining-Verfahren von User zu User weitergegeben wurden, um Anti-Spam-Algorithmen zu umgehen. Für die vielen persönlichen Daten, die die App haben wollte, dürften sich spätestens jetzt Geheimdienste interessieren.

Ein albanischer Salafist zerreißt in einem ISIL-Video seinen Kosovo-Pass.

Dass die irakischen Behörden die Provider im Land zwangen, eine Vielzahl Sozialer Medien zu blockieren liegt wahrscheinlich nicht nur daran, dass damit theoretisch militärische Kommandos übermittelt werden könnten, sondern auch am Willen, ISIL gegenüber der Bevölkerung nicht als große Gefahr erscheinen zu lassen. Besonders nervös wurde man anscheinend, als ein Bild einer schwarzen Dschihadistenflagge über Bagdad so oft weitergeleitet wurde, dass man es bei Suchen nach der irakischen Hauptstadt an prominenter Stelle präsentiert bekam - mit dem Textzusatz, "Bagdad, wir kommen".

Bei Twitter, Facebook, Google und der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation hält man nicht viel von der Zensur durch die irakischen Behörden und hofft, dass sie bald beendet wird. Bis dahin nutzen viele Iraker das Anti-Zensur-Tool Psiphon, das die Zahl seiner Nutzer im Zweistromland angeblich von 8.000 auf 550.000 steigerte.

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