NSA, BND, BSI und Verfassungsschutz unter einer Decke

Endlich hat sich der Spiegel aufgerafft, die von Snowden geleakten Dokumente über die Zusammenarbeit der NSA mit deutschen Behörden zu veröffentlichen - allerdings mit Schwärzungen

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Es war höchste Zeit für den Schritt, gut, dass der Spiegel dies nun endlich getan hat: die ihm vorliegenden, der Öffentlichkeit und damit auch dem NSA-Untersuchungsausschuss Einblick in die von Snowden geleakten Dokumente zu gewähren. Es wurde gerne einmal, auch im Buch der beiden Spiegel-Redakteure über die NSA, über die neue Zeit der Transparenz gesprochen, der wollte man bislang aber selbst nicht nachkommen und lieferte nur nach Gutdünken Informationen. Das ist eine Art von "Quellenschutz", der im Zeitalter der digitalen Medien tatsächlich anachronistisch wurde. Man kann nur hoffen, dass auch andere Medien diese Strategie übernehmen, die Öffentlichkeit zu informieren und ihr auch Zugang wie WikiLeaks zu den "Rohdaten" zu geben.

Es ist eine überschaubare Menge an Dokumenten, die Spiegel Online ins Netz gestellt hat. Aber sie machen klar, was die Bundesregierung weiterhin gerne verschweigen will und was Zündstoff für den NSA-Untersuchungsausschuss gibt, wenn dieser denn willens ist, den Dingen auf den Grund zu gehen bzw. auf die Regierung entsprechenden Druck auszuüben, endlich Klartext gegenüber dem Parlament und vor allem den deutschen Bürger zu reden. Unwissen kann man jetzt nicht mehr heucheln, es sei denn man bestreitet die Echtheit der Dokumente nachvollziehbar:

Deutschland ist für den Geheimdienst der wichtigste Standort in Europa. In mehreren Einrichtungen werden Daten zusammengetragen und ausgewertet. Von Deutschland aus abgefangene Daten dienen offenbar auch dazu, Terrorverdächtige zu töten.

Die Bundesregierung zieht sich auf das Mantra zurück, dass man genaues nicht weiß, dass die Geheimdienste rechtens handeln und vor allem, dass die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten, Privatsphäre, Datenschutz, Grundgesetz hin oder her, unverzichtbar sei. Dabei wird aber nicht einmal wirklich nachgewiesen, wie viel Sicherheit die Regierung durch das Opfern der Bürgerrechte und der Menschenrechte "kauft" - und dies ohne Nachfrage beim Souverän, der lieber nicht wissen soll, was die Behörden mauscheln.

Interessant ist hier etwa ein Top-Secret-Dokument der NSA vom 17. Januar 2013, das Ausländern nicht zugänglich gemacht werden sollte und das die intime Zusammenarbeit der NSA mit deutschen Behörden, insbesondere dem BND zusammenfasst. In groben Zügen ist bereits bekannt, inwieweit der BND, aber auch der Verfassungsschutz oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Bett mit der NSA liegen. Aber einige Formulierungen sind doch interessant - und auch einige Textschwärzungen, die der Spiegel vorgenommen hat.

Seit 1962 gebe es nach dem Dokument eine umfassende Zusammenarbeit zwischen der NSA und dem BND. 2012 habe sich Deutschland besonders eifrig gezeigt, seine Lauschaktivitäten (Sigint) auszubauen und mehr Informationen zwischen den Sicherheitsbehörden und mit der NSA auszutauschen. Möglicherweise geht es dabei um das im November 2012 eröffnete "Gemeinsame Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum" (GETZ), das den Austausch von Informationen zwischen Polizei und Geheimdiensten forcierte und das auch der der Spionageabwehr und der Bekämpung der Proliferation dienen soll.

Die NSA und der willige BND, der nach dem US-Geheimdienst seine Lauschkapazitäten ausbauen konnte, vereinbarten, im Bereich Antiterrorismus, transnationale organisierte Kriminalität, Schmuggel, Drogenbekämpfung und Unterstützung des Isaf-Einsatzes in Afghanistan zusammen zu arbeiten. Hier schwärzte der Spiegel mehrere Worte über weitere Felder der Kooperation. Einen Grund dafür habe ich nicht gefunden. Geschwärzt wurde auch, worauf sich der damalige BND-Präsident Schindler mit der NSA zur verstärkten bilateralen Kooperation geeinigt hat: Man wollte Afrika und Proliferation und noch etwas besser ausforschen, was uns nach Maßgabe des Spiegel aber nicht interessieren soll bzw. was dem Spiegel in Probleme stürzen könnte, sofern er dies veröffentlicht. Wenn Behörden ihre Dokumente unbegründet schwärzen, die sie etwa nach einem Informationsfreiheitsgesetz herausgeben müssen, ist das eine Sache, wenn dies Medien auch machen, eine andere.

Wenn man liest, dass es zwischen NSA und dem BSI und dem Verfassungsschutz eine enge Zusammenarbeit im Bereich Cybersecurity zur Abwehr von Cybergefahren gibt, dann dürfte auch klar sein, dass der Verfassungsschutz seinem Auftrag nur selektiv nachkommt und lieber mal die Lausch- und Spionageaktivitäten der amerikanischen Freunde auf Kosten der deutschen Bürger, Organisationen und Firmen unbeachtet lässt.

Die NSA erklärt, sie habe dem BND eine "signifikante" Menge an Hard- und Software gegeben und tausche mit diesem Informationen über militärische und nichtmilitärische Ziele aus. Der BND scheint Übersetzungsdienste zu bieten, in welchen Sprachen dürfen wir offenbar nicht erfahren. Und er bietet Zugang zu "high interest target areas", vermutlich in Afghanistan. Überhaupt wurde der BND der drittgrößte Beiträger zur Echtzeit-Auswertung - aber wo, erfahren wird nicht. Das wissen nur die Spiegelredakteure, die offenbar der Meinung sind, mit der Aufklärung Sicherheitsinteressen aus Spiel zu setzen?

Schön ist auch zu erfahren, dass die deutsche Regierung willig war, die G10-Gesetze zu verändern, "um den BND flexibler zu machen, geschützte Informationen mit ausländischen Partnern zu teilen". Kritik wird allerdings an der "Unfähigkeit" des BND geäußert, die Datenschutzgesetze weit genug aufzuweichen. Man lobt aber die Bereitschaft, "Risiken einzugehen und neue Möglichkeiten der Kooperation mit den USA einzugehen". Betont wird auch, dass der BND daran gearbeitet habe, die deutsche Regierung zu beeinflussen, "die Interpretation der Datenschutzgesetze langfristig lockerer zu machen, um einen Informationsaustausch zu erleichtern". Dabei spielt die Lauschstation in Bad Aibling eine Rolle. Die Übergabe an den BND hatte offenbar vor allem den Sinn, der NSA "neue Kooperationsmöglichkeiten" zu eröffnen.

Auch das Interesse an einer Unterstützung der Lauschkapazitäten des deutschen Verfassungsschutzes dient vor allem dazu, selbst mehr Daten zu erhalten. Man habe sich mit der Festnahme der Sauerlandgruppe 2007 großes Vertrauen erworben, was zu einem besseren Informationsaustausch über Extremisten geführt habe. Man habe dem Verfassungsschutz dabei geholfen, "heimische Datenzugänge auszubeuten, zu filtern und verarbeiten und potenziell größere Zugänge zur Datensammlung zu entwickeln, die Deutschland und den USA nützen können". Das würde heißen, der Verfassungsschutz hat mit der Hilfe der NSA Möglichkeiten geschaffen, Daten von Deutschen direkt an den US-Geheimdienst weiterzuleiten. So hätten die Deutschen auch eine "Kommunikationsverbindung" eingerichtet, die die Verbindung zwischen der NSA und dem BND sowie dem Verfassungsschutz verbessert.

Tatsächlich gibt es nun keine Ausrede für BND, Verfassungsschutz und Regierung mehr, die intensive Kooperation mit der NSA zu bestreiten oder Unwissen vorzuschieben. Weitere Aufklärung könnte eine Befragung von Snowden durch den NSA-Untersuchungsausschuss bieten. Die Bundesregierung will diesen aber nicht einreisen lassen. Ob vom Untersuchungsausschuss größere Aufklärung zu erwarten ist, bleibt fraglich. Dominiert wird er von Abgeordneten der Regierungskoalition, die auch im vermeintlichen Interesse des Staates blockieren können.