Israel will zur Abschreckung wieder Häuser von Terroristen zerstören

Menschenrechtsorganisationen kritisieren "kollektive Bestrafung" der Palästinenser durch die Militäraktion zur Suche nach den drei verschwundenen Religionsschülern

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Noch ist nicht bekannt, wer die drei seit zwei Wochen verschwundenen Religionsschüler entführt hat und ob sie überhaupt entführt wurden. Sie wollten, so heißt es, von ihrer Talmudschule im Westjordanland in ihre Siedlung trampen und sind seitdem vermisst. Die israelische Regierung macht dafür die Hamas verantwortlich und will dafür "unbestreitbare Beweise haben", hat diese aber noch nicht veröffentlicht, sondern angeblich nur einigen Regierungen vorgelegt. Während das Militär das Westjordanland mit aller Härte durchsucht, bahnt sich auch ein Konflikt mit dem syrischen Regime an. Nachdem am Sonntag ein 14-jähriger Junge auf den Golan-Höhen durch Schüsse aus Syrien getötet wurde, haben die israelischen Streitkräfte Stellungen des syrischen Militärs, das für die Schüsse verantwortlich sein soll, bombardiert und mit Raketen beschossen. Dabei wurden 10 syrische Soldaten getötet.

Die israelische Regierung nutzt die mögliche Entführung und das Vordingen von ISIL im Irak, um mit aller Schärfe das Westjordanland um Hebron herum zu durchsuchen und drastische Reisebeschränkungen einzuführen. Das Vorgehen gegen Hamas soll auch die Fatah unter Druck setzen, ihr Bündnis wieder zu beenden. Israel hatte lange darauf gesetzt, dass die PLO und Hamas miteinander konkurrierten. Im April hatten Hamas und Fatah erklärt, eine gemeinsame Regierung bilden zu wollen (Gaza Strip-Poker). Anfang Juni wurde sie vereidigt (Einigkeit! Und Recht und Freiheit?) - kurz danach geschah die mögliche Entführung. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Aktion des israelischen Militärs als "kollektive Bestrafung". Am Samstag hatte der israelische Regierungschef Netanjahu gegenüber dem UN-Generalsekretär erklärt, dass Israel entschlossen sei, sich "gegen den mörderischen Terrorismus" zu verteidigen: "Wir sind Zeuge der ungezügelten Brutalität des islamischen Terrors in Israel und um uns herum."

Bei der Operation Brother's Keeper des israelischen Militärs wurden bereits 361 Palästinenser festgenommen, darunter 250 Hamas-Aktivisten, vier Palästinenser kamen bei Schießereien ums Leben. Unter den Festgenommenen befinden nach Angaben des Militärs auch 50 "Terroristen", die 2011 im Austausch mit dem entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit freigelassen wurden. 23 seien zu lebenslänglichen Strafen verurteilt worden. Die erneute Verhaftung sei in Übereinstimmung mit den Bedingungen für die Entlassung geschehen, nämlich dass sie wieder inhaftiert werden und ihre Reststrafe absitzen müssen, wenn es sich herausstellt, dass sie ihre Terroraktivitäten wieder aufgenommen haben. Israelische Menschenrechtsorganisationen wie B’Tselem und Amnesty verurteilen auch die zahlreichen Festnahmen und die Verhängung von Strafmaßnahmen über palästinensischen Häftlingen alleine aus dem Grund, weil sie der Hamas angehören.

Als Legitimation dient der Verdächtige, der am 15. April in der Nähe von Hebron den Polizeioffizier Baruch Mizrahi erschossen und dessen Frau sowie ein Kind verletzt haben soll. Heute wurde Anklage gegen Ziad Awad erhoben, der 2011 als einer der 1027 palästinensischen Häftlinge für Shalit freigelassen wurde. Ziad war 1999 verurteilt worden, weil er einen Palästinenser getötet haben soll, der mit Israel zusammen gearbeitet hatte. Ziad war bereits letzten Monat zusammen mit seinem 18-jährigen Sohn festgenommen worden. Beide sollen Hamas-Mitglieder sein.

Bislang hat niemand für die Entführung die Verantwortung übernommen und fehlt jede Spur der drei jungen Männer. Die Soldaten fanden in durchkämmten Häusern Waffendepots und stießen auch auf Tunnels, deren Eingänge von großen Möbelstücken oder Waschmaschinen verdeckt waren. Zudem habe man an die 20 Bombenwerkstätten entdeckt. Die Soldaten drangen bei ihrer Suche auch in Moscheen, Redaktionen oder soziale Einrichtungen ein und verwüsteten u.a. in Ramallah das Büro des russischen Senders Russia Today.

Wie die Jerusalem Post berichtet, will die israelische Regierung wieder zu der 2005 beendeten Praxis zurückkehren, die Häuser von Terroristen zu zerstören. Als erstes Haus soll das von Awad zerstört werden. Das Wiederaufgreifen der als Abschreckung gedachten Maßnahme sei auf einem Treffen des Sicherheitskabinetts beschlossen worden. Allerdings muss die Zerstörung des Hauses von Awad noch gerichtlich genehmigt werden.

Allerdings hatte 2005 das Verteidigungsministerium selbst, basierend auf den Bericht eines Militärausschusses, die Praxis eingestellt, weil sie eben keine abschreckende Wirkung habe, dafür aber den Hass auf Israel verstärke. Seit 1967 wurden hunderte Häuser als Strafe für Terroranschläge zerstört. Die Menschenrechtsorganisation B'Tselem hat die Regierung aufgefordert, die Praxis nicht wieder aufzunehmen, weil sie illegal sei und gegen die Genfer Konventionen verstoße.