Wie Österreichs beste Experten Umverteilungs-Lösungen verhindern

Wie glühende Verfechter der längst überfälligen Steuerreformen weg von den Arbeits- hin zu den Vermögenseinkommen, gleichzeitig ein wunderbares Beispiel dafür abgeben, warum es zu solchen wohl nicht kommen wird

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Peter Doralt und Heinz Mayer sind in Österreich ziemliche Ausnahmeerscheinungen. Beide haben in ihren Fächern ohne politische Unterstützung jeweils die höchsten akademischen Positionen erlangt und sind dabei unabhängig und regierungskritisch geblieben. Mittlerweile sind beide emeritiert, dennoch kommt keine politische TV-Diskussion ohne wenigstens einen der beiden aus, und es kann kaum bezweifelt werden, dass sie - jedenfalls im Rahmen der herrschenden Ordnung - stets zu realistischen, gut begründeten und ethisch akzeptablen Ansichten neigen. Beide halten zudem die zunehmende Vermögensungleichheit für problematisch und treten für Gegenmaßnahmen ein, nur hält sie das nicht davon ab, intensiv gegen relevante Gegenmaßnahmen zu opponieren.

Mayer, Verfassungsrechtler und scheidender Jus-Dekan in Wien, hält es beispielsweise für "unakzeptabel", mit Verfassungsbestimmungen in ein Pensionssystem einzugreifen, weil man damit "Grundrechte ausheble" und es auch finanziell nichts bringe.

"Das sind zehn Millionen Euro, die man sich da erspart", erzählte er jedenfalls gerade der Tageszeitung "Die Presse"

Der Harvard-Absolvent Doralt, der bis 2007 die Abteilung für Unternehmensrecht an der WU Wien leitete und bis 2008 Vorsitzender der österreichischen Übernahmekommission war, hält hingegen Vermögenssteuern für "mit dem heutigen Apparat der Finanzverwaltung gar nicht exekutierbar, weil wir die Beamten nicht haben", wie er schon 2011 dem Standard und seither laufend im TV erklärt.

Zu dieser Ansicht hält er unbeirrt, wozu auch gehört, dass er es für unmöglich erklärt, den Steuersatz für Vermögenserträge über den Mindeststeuersatz hinaus anzuheben, was durchaus als Ersatz für Substanzsteuern herangezogen werden könnte. Denn oberhalb des bereits bestehenden Quellensteuersatzes von 25 Prozent hätte das Rückwirkungen auf die sonstige Einkommenssteuerprogression und würde umfangreichen Neuberechnungsaufwand verursachen, was dann mehr Kosten würde, als es einbrächte.

Ginge es also nach den beiden Professoren, dann müsste sich zwar alles ändern, nur dürften sich die Bezieher der staatlichen Luxuspensionen lebenslänglich über ihre extrem üppigen Bezüge freuen, während auch die aufgrund überzogener Einkommen erworbenen Vermögen aus "technischen" Gründen nicht angegriffen werden sollen, abgesehen davon, dass solche Besteuerungsversuche ohnehin da sehr wenig bringen würden.

Fairness der Gehaltssteigerungen

Zuerst also zur Frage der Fairness. So wird es jedenfalls immer problematisch sein, in bestehende Rechte per Verfassungsgesetz einzugreifen, nur nimmt die daraus resultierende Unfairness mit dem Ausmaß ab, in dem diese "bestehenden Rechte" auf unfaire Weise zustande gekommen sind. Und wenn es nun mal so ist, dass sich Politik und Management die eigenen Einkommen seit 20 Jahren auf unfaire Weise und ohne entsprechende Gegenleistung gegenseitig und systematisch in die Höhe getrieben haben - was sich aus den makroökonomischen Aggregaten mittlerweile zweifelsfrei herauslesen lässt -, wird kein Weg daran vorbei gehen, die daraus resultierenden Vermögen und die überhöhten staatlichen Pensionen abzubauen.

Voraussetzung dafür ist es allerdings, die "Unfairness" der überdurchschnittlichen Gehaltssteigerungen zu belegen, die sich anscheinend dadurch systematisch ergeben haben, dass sich die Gremien, die über die Gehälter des Top-Personals bestimmen, ihrerseits aus eben diesem privilegierten Personal zusammensetzten.

Und wenn es stimmt, dass diese Gremien die Gehaltsniveaus in der Regel am unteren Ende des oberen Drittels der Peer-Group fixieren, muss daraus eine weit überdurchschnittliche Gehaltsentwicklung resultieren. Sie ist zwar gut verständlich, weil Politiker und Management als Gruppe selbst über die eigenen Gehälter entscheiden, aber die sicherlich nicht als "fair" bezeichnet werden kann und sich ökonomisch zudem verheerend auswirkt.

Wenn dem aber tatsächlich so ist, wird dieser Mechanismus nicht nur durchbrochen werden müssen, sondern es müssen auch seine langfristigen Folgen angepackt werden, die zudem von ihrer Höhe her gar nicht so belanglos sind, wie Mayer behauptet. Aber obwohl es sich um öffentliche Pensionen handelt, ist die Datenlage in Österreich erstaunlich mager. Erst seit Kurzem kommen Informationen zum Vorschein, die zumindest die Größenordnung der Einsparungsmöglichkeiten erkennen lassen.

So wurde zuletzt durch den Vorsitzenden des Vorarlberger (SPÖ-) Pensionistenverbands Erich De Gaspari bekannt, dass im kleinen Vorarlberg aktuell rund 240 Sonderpensionen in Höhe von über 4.521 Euro ausgezahlt werden. Nutznießer sind ehemalige Landespolitiker, Beamte aus dem Landesdienst und Mitarbeiter von Landesgesellschaften, die laut De Gasperi teilweise sogar bis zu 15.000 Euro beziehen.

Wenn wir jetzt einmal schätzen (bzw. raten), dass der durchschnittliche Pensionsbezug dieser Gruppe bei 7.000 Euro liegt, ergibt sich eine Differenz von 3741,3 Euro zum Höchstbetrag im normalen (ASVG)-Pensionssystems, der zuletzt bei (brutto) 3258,70 Euro lag, wobei aber weniger als drei Prozent der ASVG-Pensionisten monatlich mehr als 3000 Euro beziehen.

Besteuerung der "Luxuspensionen"

Bei 240 Begünstigten kostet diese öffentliche Großzügigkeit monatlich immerhin 897.912 Euro, was bei jedem der rund 160.000 "normalen" Beitragszahler Vorarlbergs also mit monatlich 5,6 Euro zu Buche schlägt. Mit etwas großzügigeren Annahmen bei der Pensionshöhe oder der österreichischen Durchschnittspensionen von 1.100 Euro als Maßstab ließe sich die Jahresbelastung aber locker auf weit über 100 Euro hinaufrechnen, was wohl nicht alle Durchschnittsverdiener als Kleinigkeit abtun würden.

Die neue österreichische Regelung zur Besteuerung der "Luxuspensionen", die den Professor jetzt so aufregt, bleibt dabei ohnehin ein eher peinlicher Tropfen auf den heißen Stein, der es vermutlich tatsächlich schwer haben wird, die Kosten hereinzuspielen. So werden Sonderpensionen künftig mit der doppelten "Höchstbeitragsgrundlage" (die Einkommenshöhe, bis zu der in Österreich Sozialversicherungsbeiträge anfallen) limitiert, was monatlich maximal 9.060 Euro erlaubt.

Wurde die Sonderpension hingegen bereits vereinbart, dann liegt das Limit beim 3,5-Fachen, was stattliche 15.855 Euro bedeutet und auch weitere Ansprüche aus der ASVG-Pensionsversicherung uneingeschränkt bezogen werden können.

Immerhin werden auf die bestehenden Sonderpensionen künftig sogenannte Pensionssicherungsbeiträge erhoben, die aber auch erst ab einem Bezug über der Höchstbeitragsgrundlage (4.530 Euro) wirksam werden. Einbehalten werden davon zuerst fünf Prozent und über zwei weitere Stufen mit Abzügen von zehn bzw. 20 Prozent steigt der Abzug auf 25 Prozent, der ab der dreifachen Höchstbeitragsgrundlage (13.590 Euro) anfällt

Laut Sozialministerium werden dadurch von der Nationalbank über die Kammern und die Sozialversicherung bis hin zum ORF insgesamt 27 Institutionen erfasst und 9.600 Personen betroffen sein. Adolf Wala, Ex-Präsident der Nationalbank, der mit einer Pension von monatlich brutto 31.915 Euro gute Chancen auf die Top-Position im Pensions-Ranking hat, muss sich künftig also mit rund Sechstausend Euro weniger bescheiden.

Das dürfte vermutlich der höchste Abzug sein, den es in Österreich geben wird. Würde hingegen der Durchschnittsertrag je Begünstigter bei 6.000 Euro liegen - was angesichts der deutlich niedrigeren Durchschnittspensionen eine ziemlich drastische Maßnahme wäre -, kämen monatlich fast 60 Millionen Euro heraus, mit denen etwa die leidgeprüften Universitäten endlich erträgliche Studienbedingungen schaffen könnten.

Was den Zugriff auf die Vermögenserträge angeht, dürften sich die "technischen" Hindernisse indes auch nicht ganz so unüberwindlich darstellen, wie Doralt meint. Natürlich müsste man dafür mit ehernen Grundsätzen des Österreichischen Streuerrechts brechen.

Aber das steht im Ermessen des Gesetzgebers - und nur weil etwas schon so lange auf eine Weise geregelt ist, dass sich Fachleute gar keine andere Regelung mehr vorstellen können, müssen diese weder optimal noch überhaupt sinnvoll oder gar unumstößlich sein. So steht es einer Verfassungsmehrheit jedenfalls frei, unterschiedliche Einkommensarten unterschiedlich zu definieren und in ihrer Besteuerung voneinander teilweise unabhängig zu machen.

Die Steuerbeamten an der Front, die das dann umzusetzen hätten, wären vermutlich die Letzten, die mit neuen und vielleicht fachlich revolutionären Regeln Schwierigkeiten hätten, würden diese nur vernünftig umgesetzt. Denn durch die sich stetig verschlechternde Personalsituation und die oft absurden Formalismen sind die meisten mittlerweile derart ausgehungert und gequält, dass sie für ein bisschen Vernunft und Wertschätzung im Gegenzug wohl zu mehr bereit wären, als Doralt sich vorstellen kann.