2000-mal besser als Hubble

Bild: ESO/M. Kornmesser

Ab 2030 soll ATLAST in den Atmosphären erdnaher Exoplaneten nach Biosignaturen suchen

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Das Teleskop befindet sich noch in der Konzeptionsphase und kann ebenso schnell wieder das Zeitliche segnen wie andere ambitionierte futuristische Weltraum-Observatorien der NASA oder ESA zuvor, die über das Planungsstadium nicht hinaus gekommen sind. Mit ATLAST soll in der übernächsten Dekade hingegen eine Revolution in der beobachtenden (optischen) Astronomie angezettelt und Geschichte geschrieben werden. Insbesondere der Präsident der Royal Astronomical Society macht sich für den Bau des Riesenteleskops stark, vermag ATLAST doch auf der Suche nach Leben im All den Paradigmenwechsel einzuläuten.

In den Fantasiewelten zahlreicher Wissenschaftler, Ingenieure, Raumfahrtmanager und insbesondere Träumer waren Riesenteleskope im All immer schon ein Thema, vor allem wenn es um die Suche nach lebensfähigen Planeten außerhalb des Sonnensystems ging, wenn fremde Welten im sichtbaren Licht direkt abgebildet und in deren Atmosphären gezielt nach Biosignaturen gesucht werden sollten.

Vom Reißbrett in die Schublade

Doch oft scheiterten gerade die vielversprechenden ambitionierten Missionen, die auf dem Reißbrett noch eine gute Figur machten, bereits in der Planungsphase. So geschehen beim Terrestrial-Planet-Finder (TPF) der US-Raumfahrtbehörde NASA und der Darwin-Mission der Europäischen Raumfahrtagentur ESA.

Das TPF-Konzept liegt in den Schubladen der NASA und soll nochmals begutachtet werden. Bild: NASA

Beide Konzepte standen schon auf der Agenda ihrer Behörden, wurden aber aus finanziellen Gründen schnell wieder ad acta gelegt. Beide Interferometrie-Superteleskope hätten die eingefangene Strahlung dergestalt überlagert, dass die Bildschärfe eines 100 Meter großen Fernrohrs erreicht worden wäre. Sie hätten fraglos eine neue Ära in der Astronomie eingeläutet, so wie es das Weltraumteleskop Hubble vorgemacht hat, das als Gemeinschaftsprojekt der NASA und seines europäischen Pendants ESA seit dem 24. April 1990 in der Erdumlaufbahn schwebt und oft Augenzeuge ungewöhnlicher kosmischer Ereignisse wurde.

Hubble und sein direkter Nachfolger

Hubble revolutionierte die wissenschaftliche Forschung und prägte unser Weltbild vom Kosmos nachhaltig. Sein Nachfolger, das "James Webb Space Telescope" (JWST) steht schon in den Startlöchern und soll frühestens ab 2018 im All auf Forschungsmission gehen. Das Gemeinschaftsprodukt der NASA, der ESA und der kanadischen Weltraumagentur CSA soll vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana mit einer Ariane 5 ins All starten und in einen Orbit um den Lagrange-Punkt L2 des Erde-Sonne-Systems positioniert werden.

JWST. Bild: NASA/ Northrop Grumman

Obwohl das JWST nur halb so groß wie Hubble und zehn Tonnen leichter ist, ist sein Primärspiegel mit 6,5 Meter Durchmesser weitaus größer als der seines Vorgängers. Das neue Superauge, das gleichwohl nur im infraroten Licht operiert, blickt ab 2018 wesentlich tiefer ins All als Hubble. Da es das Licht durch seinen größeren Spiegel stärker bündelt und speziell für das Infrarotlicht außergewöhnlich empfindliche Geräte besitzt, kann es kosmische Objekte ausspähen, die nur ein Hundertstel so hell sind wie jene, die Hubble bislang untersuchte.

Missionsbeginn ab 2030

So vielversprechend die Aussichten und groß die Chancen sind, dass das JWST kosmisches Neuland entdeckt - seine potentiellen Nachfolger haben bereits auf dem Reißbrett Konturen gewonnen, die nächste Generation der Weltraumteleskop-Giganten befindet sich auf dem Sprung in die Planungsphase. Einer von ihnen ist das "Advanced Technologies Large Aperture Space Telescope" (ATLAST).

Ursprünglich als Nachfolge-Mission des Hubble-Teleskops angedacht, soll ATLAST einmal mit einem Primärspiegel von acht bis 20 Meter Durchmesser und weiteren einzelnen Spiegelsegmenten ausgerüstet werden. Mit einer vorgesehenen Winkelauflösung, die fünf- bis zehnmal besser ist als die des JWST und mit einer 2000-mal höheren Empfindlichkeit als das Hubble-Weltraumteleskops soll ATLAST dereinst im weißen Licht, im fernen Ultravioletten und Infrarotlicht ebenfalls am Lagrange-Punkt (L2) operieren - 1,5 Millionen Kilometer entfernt von der Erde; auf einer Umlaufbahn, wo sich die Gravitationskräfte derart die Waage halten, dass das ATLAST-Observatorium quasi im Raum still steht.

1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt liegt L2, wo sich die Gravitationskräfte der Erde und der Sonne die Waage halten. Bild: NASA

Keine Frage, mit ATLAST könnten Astronomen in der übernächsten Dekade zu neuen exoplanetaren Ufern aufbrechen, die noch nie ein Mensch zuvor in dieser Auflösung gesehen hat. Jedenfalls glaubt dies kein Geringerer als Martin Barstow von der Universität Leicester, der sich als Präsident der Royal Astronomical Society (RAS) für ATLAST stark macht.

Für Barstow ist ATLAST ein ambitioniertes und außergewöhnliches Projekt, das die Planungsphase endlich verlassen und konkret vorbereitet werden sollte. Die Zeit sei endlich reif dafür, einen kühnen Schritt nach vorne zu gehen und das Projekt zu realisieren, erklärte Barstow letzte Woche auf dem National Astronomy Meeting (NAM 2014) in Portsmouth (England). Das Zeitfenster sei eng geworden, so Barstow:

Ich denke, dass es notwendig und unvermeidbar ist, dass ein Instrument wie dieses in der Zukunft gebaut wird. Gleichwohl wird dies eine große technische und finanzielle Herausforderung. Die entscheidende Frage ist, wann es passiert. Die Pläne müssen jetzt vorgelegt werden, damit das Teleskop eine Chance hat, in den frühen 2030er Jahren auf Mission zu gehen.

Tatsächlich ist die Zeit knapp, sind doch in den nächsten Jahren noch zahlreiche technische Hürden zu meistern, um ATLAST in den Orbit zu hieven. So müssten sich die Raumfahrtmanager, Ingenieure und Wissenschaftler zunächst einmal auf einen Entwurf festlegen und dann daran arbeiten, die Empfindlichkeit der Detektoren und die Leistungsfähigkeit der Spiegelsegmente deutlich erhöhen. Zu klären wäre auch, wie und mit welchem Trägersystem die einzelnen Segmente des Observatoriums ins All transportiert und dort zusammengebaut werden.

Atmosphären erdnaher Exoplaneten sezieren

Dank seiner extrem hohen Auflösung wäre ALTLAST in der Lage, sogar das Licht von erdgroßen Exoplaneten in einer Entfernung von bis zu 45 Parsec (1 Parsec = 3,26 Lichtjahre) einzusammeln und zu analysieren, wie bereits 2009 ein Autorenteam in einer Studie schrieb.

Das ATLAST-Observatorium in der Vorstellung eines Künstlers. Man achte auf den kleinen Astronauten in der Bildmitte, um eine Ahnung von der potentiellen Größe des Teleskops zu bekommen. Bild: NASA/STScI.

Um in den Atmosphären erdähnlicher Exoplaneten chemische Lebensspuren aufzuspüren, sollen die ATLAST-Spektrographen das von den Planeten reflektierte Licht in seine farblichen Bestandteile zerlegen und dabei alle Biomarker dingfest machen. Da jedes Element einen eindeutigen chemischen Fingerabdruck besitzt, verraten sich alle Biosignaturen, die auf Leben hindeuten, wie etwa die chemischen Verbindungen Methan, Ozon, Wasser oder Elemente wie Sauerstoff.

Damit dies gelingt, kommt bei ATLAST als Zusatzinstrument ein Koronograf zum Einsatz. Er soll beim Studium der Exoplaneten das Licht der jeweiligen Muttergestirne aussieben. Unter Anwendung einer Kegelblende und eines speziellen Filters kann der Koronograf dunklere Objekte in der Nähe der Sonne auflösen, und die Umgebung von hellen Sternen und sichtbar machen.

ATLAST wird entworfen, um Exoplaneten abzubilden, die ihren Heimatstern umkreisen und eine direkte Spektrografie von deren Atmosphären zu ermöglichen. Das bedeutet, dass es möglich sein wird, auf den Exoplaneten Gase, im Besonderen Sauerstoff und Ozon nachzuweisen, die mit biologischer Aktivität assoziiert sind

Martin Barstow gegenüber Telepolis

Exoplanetare Vegetation und Wolken im Visier

Später einmal soll das Riesenteleskop binnen fünf Jahre 200 erdnahe Exoplaneten mindestens dreimal genauestens unter die Lupe nehmen und dabei nicht nur deren Atmosphären analysieren, sondern auch die Oberflächenstrukturen beobachten sowie die Rotationsrate, das Klima, die Wolkenbewegungen und saisonal bedingten Veränderungen in der Oberflächenvegetation dokumentieren. Fernerhin soll die Sternwarte auch die Formierung von Sternen und Galaxien in Hochauflösung festhalten und die Geburt von entstehenden Sternen im Detail beobachten.

ATLAST soll nicht nur erdähnliche Exoplaneten finden und fotografieren, sondern vor allem deren Atmosphären analysieren. Bild: ESO

Doch die Frage nach der Existenz außerirdischen Lebens steht für Barstow absolut im Mittelpunkt. Schließlich könne ATLAST dabei helfen, eine der ältesten philosophischen Fragen zu klären, betont Barstow.

Seit der Antike haben Menschen sich die Frage gestellt, ob wir im All wirklich alleine sind oder ob es dort Oasen des Lebens gibt. Diese Frage ist eine der fundamentalen in der modernen Wissenschaft und ATLAST könnte endlich dabei helfen, hierauf eine Antwort zu finden.

Paper aus dem Jahr 2009 zu ATLAST: "Advanced Technology Large-Aperture Space Telescope (ATLAST): Characterizing Habitable Worlds"

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