"Der BND ist Wurmfortsatz der NSA"

NSA-Untersuchungsausschuss: Der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Thomas Drake wirft dem BND "schreckliches Schweigen" über die enge Zusammenarbeit mit der NSA vor, Grundgesetzverletzungen und Datenlieferungen an die USA für den Drohnenkrieg

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bislang hat die Bundesregierung alles versucht, um über die Zusammenarbeit zwischen NSA und BND ein dickes Tuch zu legen; es wurde geleugnet, beschwichtigt und so getan, als wisse man nichts. Durch die jüngsten beiden Zeugenauftritte vor dem Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre wird dies nun schwieriger. Zumal sich nun auch bei Mitgliedern des Ausschusses, wie beim SPD-Obmann Christian Flisek, die Erkenntnis durchsetzt, dass es nicht um Spionage geht, sondern um "ein Phänomen der globalen Massenüberwachung". Bundesgeneralanwalt Harald Range, so Fliseks Folgerung, sollte möglichst schnell Ermittlungen wegen massenhafter Datenüberwachung einleiten.

Informationen aus dem Netz scheinen für den großen Teil der Abgeordneten tatsächlich Neuland zu sein, dem man nicht so ganz traut. Denn nachzulesen sind die Geheimdienstaktivitäten, von denen die beiden ehemaligen NSA-Mitarbeiter William Binney und Thomas Drake vor dem Untersuchungsauschuss berichteten, längst in Dokumenten, die im Netz zu finden sind.

Laut Berichten über die Zeugenauftritte ging den Abgeordneten wohl erst durch die persönlichen Aussagen anwesender Zeugen manches Licht über Zusammenhänge und Dimension der Datenschleppnetzaktivitäten auf - was auch daran liegen mag, dass die Ausschussmitglieder dadurch Zusammenfassungen geliefert bekamen, statt sich durch eigene Recherche ein Bild machen zu müssen. Jedenfalls spricht der Eindruck, den die Zeugenaussagen auf den Ausschuss machten, sehr für eine Aussage Snowdens vor dem Ausschuss.

Die Aussagen der beiden Zeugen ließen an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig. So demontierte Thomas Drake, von 2001 bis 2008 bei der NSA tätig, jeden Zweifel über eine innige Zusammenarbeit zwischen NSA und BND; er bezeichnete den BND als "Wurmfortsatz der NSA", was die Nachrichtendienstler bestimmt nicht gerne hören und auch die Regierung nicht.

Umso mehr als Drake nicht nur auf Praktiken des Datenaustausches verwies, die gegen das Grundgesetz verstoßen ("Gebt uns die Daten der Bürger, die wir uns nicht selbst holen dürfen"), er auf das "schreckliche Schweigendes BND" gegenüber der Öffentlichkeit verwies, sondern besonders, weil die "geheimen Schattenbeziehungen" zwischen den Geheimdiensten mit dem Thema Drohnen zusammenbrachte.

Drohnen: "BND-Daten für US-Kommandoentscheidungen genutzt"

Laut Drake hat der BND den USA Daten für den Drohnenkrieg geliefert. "Deutschland wurde als Plattform genutzt, um diese Drohnentechnologie zu nutzen", wird er zitiert. Die Daten seien auch für "Kommando-Entscheidungen" herangezogen worden zu treffen.

Ganz im Sinne der Regierung wurde dieser Teil der Aussage Drakes von einem Tagesschau-Bericht damit beschwichtigt, dass Drake keine konkreten Belege für eine Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Geheimdienst lieferte. Nach den Erfahrungen, die man bislang mit dem Ablauf der NSA-Affäre gemacht hat, ist dies wahrscheinlich eine Frage der Zeit (manche Zusammenhänge sind durch Snowden bereits bekannt geworden (Leistet Deutschland Beihilfe für den US-Drohnenkrieg?). Dass die transparente Vermittlung heikler Aussagen nicht unbedingt im Interesse der Politiker liegt, zeigt sich schon am gestrigen Umgang mit dem Livestream aus dem Ausschuss. Auf Initiative der CDU-CSU-Fraktion wurde er verhindert. Die SPD enthielt sich. Nur bei den Linken und Grünen stimmte man dafür.

Wesentlich mehr Beifall bei der Tagesschau und anscheinend auch bei vielen Mitgliedern des Ausschusses ("Da staunt selbst der NSA-Ausschuss") fand die Zeugenaussage des früheren technischen Direktors der NSA, William Binney. Binney war in Folge der Eskalation der Datenausspähung durch Präsident Bush nach dem 11. September 2001 aus seinem Job ausgestiegen und wurde zum Whistleblower.

Möglicherweise stießen seine Darlegungen zur Massendatensammlung ("auch Inhalte") auf offenere Ohren, weil bei ihm weniger die Vorwürfe gegen den BND (und die Schwierigkeiten des Handelns, die sich daraus für die Politiker ergeben könnten) als Mittelpunkt wahrgenommen wurden, sondern seine Äußerungen mehr auf der totalitären Ansatz der US-Geheimdienste konzentriert waren (siehe NSA-Ausschuss: Der "totalitäre Weg" des US-Geheimdienstes).