"Cash-Pools" und unbeachtete systemische Risiken

Grafik: Pozsar

Warum absolut risikoscheue Geldmanager heute die internationalen Spekulanten finanzieren und dadurch zu einer "absolut fundamentalen, bislang aber kaum beachteten Quelle systemischen Risikos" werden

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Der US-Makroökonom Zoltan Pozsar gilt als führender Experte für das Schattenbanken-System und ist derzeit im US-Finanzministerium mit der Entwicklung eines Systems zur Regulierung des globalen "Finanz-Ökosystems" betraut, das sich dem regulierten Bankensystem neuerdings zur Seite gestellt hatte. Jetzt hat er unter dem Titel "Shadow Banking: The Money View" einen Rahmen vorgestellt, in dem er das "Schattenbanken-System" in einen systematischen Zusammenhang mit den bestehenden ökonomischen Ungleichgewichten stellt und dessen Strukturen und Triebfedern analysiert.

Dabei beobachtet er einen noch nie da gewesenen Aufstieg institutioneller Investoren und der sie begleitenden Infrastruktur, der von globalen makroökonomischen Ungleichgewichten angetrieben werde. Auf der einen Seite steht dabei ein gewaltiges Cash-Angebot, dass möglichst risikofrei investiert werden will und das aus Ungleichgewichten in der aktuellen Einkommensverteilung resultiert; etwa zwischen Ländern mit Leistungsbilanzüberschüssen oder -defiziten, zwischen Arbeit und Kapital und als Folge davon, dass ein immer größerer Teil der globalen Ersparnisse von immer weniger Vermögensmanagern verwaltet wird.

Ein ganz wesentlicher Investor sind hier Notenbanken, die ihre Währungen managen und daher gewaltige Devisenreserven halten müssen, deren "liquide" - d.h. als Cash für die Finanzmärkte verfügbaren - Tranchen Poszar auf 1,2 Billionen Dollar schätzt. Mindestens ebenso viel halten demnach die großen globalen Unternehmen, weil sich die Profite zulasten der Löhne erhöht haben und die Gewinne im Ausland horten, um sie der Besteuerung zu entziehen. Diese Unternehmen treten an den Finanzmärkten nicht mehr als Kreditnehmer, sondern als Kreditgeber auf. Dazu komme die zunehmende Konzentration im Vermögensmanagement, wo ganze Fonds-Familien ein gemeinsames Cash-Management betreiben, so dass aus dem Asset-Management fast zwei Billionen Dollar an globaler Liquidität resultieren, wozu noch fast eine weitere Billion von den Stillhaltern im Derivativgeschäft kommt, die die erhaltenen Cash-Sicherheiten veranlagen wollen.

Diese Gelder liegen nun in so genannten Cash-Pools mit Durchschnittsvolumen von zehn Milliarden Dollar, denen es vor allem um maximale Sicherheit gehe. Dafür akzeptieren sie auch minimale Renditen, weshalb hier Staatsanleihen die Anlageprodukte erster Wahl wären. Obwohl in den USA zuletzt das Risiko einer Zahlungsverweigerung durch den Kongress aufgekommen ist, sind für Poszar im Dollarraum dennoch Papiere mit US-Staatsgarantie bzw. Forderungen gegenüber der Notenbank die sichersten Anlagen. Nur übersteigt die Nachfrage das Angebot bei weitem, weshalb die Cash-Pools auf Alternativen ausweichen müssen, die ähnliches versprechen, nämlich mit Sicherheit, pünktlich und mindestens zu Par beglichen zu werden.

Genau das verspricht nun der sogenannte Repo-Markt (von "repurchase-agreement"/ "Rückkaufvereinbarung"), den Poszar in das Zentrum seiner Betrachtungen stellt und der auch an dieser Stelle schon länger skeptisch betrachtet wird (Eurobonds, Repomärkte und die Rolle der EZB). Bei einem Repo wird ein Wertpapier verkauft und gleichzeitig ein Rückkauf zu einem höheren Preis in der Zukunft vereinbart, so dass im Prinzip um einen mit Wertpapieren besicherten kurzfristigen Kredit handelt. Wird als Sicherheit nun ein staatlich garantiertes Wertpapier übereignet, geht der Cash-Pool von maximaler Sicherheit aus, die bei privaten Wertpapieren durch einen entsprechend höheren, Haircut" genannten Sicherheitsabschlag ersetzt wird. Voraussetzung für diese sehr günstigen Finanzierungen ist also die Verfügbarkeit Repo-tauglicher Sicherheiten, die dadurch jedoch einen zusätzlichen Wert gewinnen. Dadurch können Staatsanleihen an andere Investoren verliehen werden, die diese für den Repo-Markt benötigen, während Kreditgeber die erhaltenen Sicherheiten in der Regel weiter nutzen, um entweder ihrerseits Repo-Kredite aufzunehmen oder um sie gegen Gebühr an jemanden zu verleihen.

Daraus entsteht ein unüberschaubares Netz an Verpflichtungen, wobei die Sicherheiten in der Regel mehrfach genutzt werden und sich folglich die Frage stellt, wer im Ernstfall tatsächlich darüber verfügen kann und was sie dann wert sind. Das ist problematisch, weil auf der anderen Seite des Repo-Geschäfts heute vor allem "Risiko-Investoren" stehen, die nach Poszar als Reaktion auf das Niedrigzinsumfeld in den letzten Jahren ebenfalls einen enormen Aufschwung erlebt hatten.

So konnten viele Pensionsversicherungen ihre langfristigen Renditeversprechungen in diesem Umfeld nicht mehr mit den gewohnten Mitteln erreichen und investierten daher vermehrt in riskante Hedge Fonds und andere "Alternative Investments".

Einen großen systematischen Bedarf an Extrarenditen haben aber auch die Reservemanager der Notenbanken, die ihre Devisenkäufe mit der Ausgabe eigener Bonds "sterilisieren". Denn ihre eigenen Bonds müssen in der Regel höher verzinst werden, als die Anleihen in ihren Devisenportfolios, wodurch sich laufende Verluste ergeben, die sich auf erhebliche Summen belaufen können. Um diese Verluste zu minimieren, müssen die Manager daher ihre Erträge steigern, etwa indem sie ihren Anleihenbestand gegen Gebühren an andere Marktteilnehmer verleihen oder ihre Erträge mit Krediten hebeln versuchen.

Das moderne Finanzsystem zerfällt dadurch in fünf Gruppen von Spielern mit jeweils klar definierten Zielen: Die Chief Investment Officers (CIOs) der Pensionsfonds und Notenbanken werden dafür bezahlt, jedenfalls die bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen. Dazu überantworten sie immer größere Teile ihres Portfolios an die zweite Gruppe, die "Risiko-Portfolio-Manager", die bezahlt werden, um ihre Benchmark zu schlagen. Denn während die normalen Marktgewinne (genannt "Beta") heute zu geringen Spesen mit Fonds ("ETF" genannt) erzielt werden können, die genau die Indizes abbilden, die als "Benchmark" dienen, setzen die Risiko-Investoren Kredit ein, um ihre Gewinne zu hebeln.

Hier stoßen sie auf die dritte Gruppe, "Cash-Portfolio-Manager", die diese Kredite vergeben können, aber dafür bezahlt werden, unter keinen Umständen ins Minus zu rutschen. Folglich scheuen sie sämtliche Risiken, weshalb - zumindest theoretisch - die Risiko-Investoren nicht als Kreditnehmer in Frage kommen sollten. Während die Cash-Manager dabei für die vierte und mächtigste Gruppe der Unternehmenschefs und Regierungen tätig sind, die von Wählern oder Aktionären beauftragt sind, die Unternehmensgewinne bzw. Volkswirtschaften wachsen zu lassen, werden alle diese Ziele und Interessen von der fünften Gruppe, den "Dealers", zusammengeführt, also etwa von großen Wall-Street-Investmentbanken wie Goldman Sachs und Morgan Stanley oder den Dealer-Töchtern großer europäischer und amerikanischer Universalbanken, deren größte für die USA hier aufgelistet sind.

Gleichzeitig folgt daraus, dass das finanzielle Ökosystem zunehmend von einer relativ kleinen Anzahl an sehr großen und sehr gut informierten Cash-Pools finanziert wird und dadurch sehr viel weniger stabil ist, als würde es von einer großen Zahl an kleinen, uninformierten und zudem von einer öffentlichen Einlagensicherung geschützten Kontoinhabern finanziert. Das macht nach Pozsar den Aufschwung der Cash-Pools zu einer absolut fundamentalen, bislang aber kaum beachteten Quelle systemischen Risikos.