Konflikt zwischen Russland und Ukraine wird explosiv

Russland droht der Ukraine mit irreversiblen Konsequenzen, Putin und Merkel dringen auf Verhandlungen, Kiew will Beweise für militärische Unterstützung der Rebellen vorlegen

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Das ukrainische Verteidigungsministerium versichert, keine Wohngebiete mit Artillerie und Flugzeugen anzugreifen. Es wird behauptet, dass die Separatisten selbst Häuser beschießen, um dies den ukrainischen Kräften zu unterstellen. So wurden gestern in einem Vorort von Lugansk, wo schwere Kämpfe toben, durch einen Raketeneinschlag 6 Menschen getötet und 8 verletzt. Verantwortlich gemacht wird die jeweils andere Seite. Die Separatisten beschuldigen die ukrainischen Streitkräfte, gestern Wohngebiete in Lugansk beschossen und dabei eine Schule und einen Kindergarten getroffen zu haben. Der Beschuss würde anhalten. Auch die Kyiv Post berichtet, dass von ukrainischer Seite Artillerie eingesetzt werde.

Bild: mil.gov.ua

In der kürzlich eroberten oder befreiten Stadt Slowjansk sollen Sprengfallen in Wohngebäuden entdeckt worden sein, berichtet das ukrainische Verteidigungsministerium. Sie wären dafür ausgerichtet gewesen, aus der Ferne über Handys ausgelöst zu werden. Weil das Mobilfunknetz während der Flucht nicht funktioniert haben soll, seien die Sprengfallen nicht ausgelöst worden. Man habe in den Häusern auch Lebensmittel und Medikamente aus Russland gefunden.

Aus Kiew werden neue Erfolge der "Antiterroroperation" berichtet. Es seien gestern 5 Luftangriffe geführt und dabei Panzer, Luftabwehrsysteme und andere schwere Waffen zerstört. Es habe bei den Separatisten viele Opfer gegeben. Ihre Handlungsmöglichkeiten seien behindert worden, es breite sich Panik aus.

Propaganda, Falschmeldungen und Gerüchte verschleiern auf beiden Seiten die Situation. So wollen die Separatisten von gefangengenommenen Soldaten erfahren haben, dass Poroschenko einen Angriff mit chemischen Waffen angeordnet habe. Genährt wird auch wieder der Verdacht, dass sich US-Söldner in der Ukraine befinden. Bei Dnipropetrovsk seien vier Apache-Kampfhubschrauber beim Proben gesehen worden.

Die Separatisten dürften auf die Länge keine Chance gegen die militärische Übermacht haben, sie könnten jedoch darauf hoffen, dass sich womöglich Russland als Reaktion auf den nun schon wiederholten Beschuss aus der Ukraine zu einem Eingreifen legitimiert oder gedrängt sehen könnte. Am Samstag hatten russische Soldaten Schüsse aus der Ukraine mit Schüssen beantwortet. Am Sonntag sind in der russischen Grenzstadt Donezk im Gebiet Rostow ein junger Russe getötet und zwei verletzt worden, als ein Geschoss ein Wohnhaus traf. Moskau geht davon aus, dass die ukrainische Armee verantwortlich ist, bestellte den Botschafter in Moskau ins Außenministerium und warnte vor "unumkehrbaren Folgen", wenn solche Provokationen nicht unterbunden werden. Die Lage ist explosiv und könnte auch von den Separatisten ausgenutzt werden, um Russland in den Konflikt hereinzuziehen, was bislang nicht gelungen ist.

Präsident Putin, der gerade Lateinamerika bereist, hat sich vor dem Finale in Rio de Janeiro mit Bundeskanzlerin Merkel getroffen und sich über den Vorfall besorgt geäußert. Der ukrainische Präsident Poroschenko ist wegen der Kämpfe in der Ostukraine nicht nach Rio wie zuvor beabsichtigt geflogen und hat damit eine Chance vertan, den Konflikt mit Russland zu deeskalieren. Deutschland drängt auf einen erneuten Waffenstillstand und auf die Wiederaufnahme von Gesprächen, was Poroschenko aufgrund des innenpolitischen Drucks abgebrochen hat.

Die ukrainische Regierung streitet ab, dass die Streitkräfte über die Grenze geschossen haben, Separatisten wollten vielmehr in einer False-Flag-Operation die ukrainischen Streitkräfte dafür verantwortlich machen. Allerdings könnten auch ukrainische Milizen zu provozieren versuchen, um den Konflikt mit Russland zuzuspitzen und eine diplomatische Lösung zu verhindern. Die Separatisten wiederum erklären, sie seien es schon gewohnt, dass Kiew sie für die Bombardierung der ukrainischen Armee verantwortlich mache.

Die ukrainische Regierung erklärt, man habe Beweise, die man heute der Weltöffentlichkeit präsentieren werde, dass die russische Regierung die militanten Separatisten in der Ostukraine unterstützt und schwere Waffen geliefert hat. Das sei nicht nur eine Bedrohung der Ukraine, sondern von Europa und der Welt. Poroschenko beschwerte sich gestern auch in einem Gespräch mit Van Rompuy, dem Präsidenten des Europäischen Rats, dass Russland es zulasse, dass schwere Waffen wie Panzer über die Grenze in die Ostukraine gelangen.