Geplante Obsoleszenz

Ein hartnäckiger Mythos

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Seit zweieinhalb Jahren berichten Medien immer wieder, dass die Lebensdauer von Produkten künstlich begrenzt wird, damit sie früher kaputtgehen und die Hersteller mehr verkaufen können. Argumente, die gegen diese These sprechen, werden dabei nur selten genannt.

Der "geplante Schaden" ist angeblich der geheime Motor unseres Wirtschaftssystems. Wenn die Konsumenten schon fast alles haben, dann müssen die Hersteller eben mit verdeckt eingebauten Schwachstellen nachhelfen, um etwas verkaufen zu können. Anders wären die Wachstumsziele der Wirtschaft heute gar nicht mehr erreichbar, wird behauptet.

Glühlampen sollen nicht lange leben

Das Paradebeispiel für geplante Obsoleszenz ist die Glühlampe. In den 1920er Jahren bildeten die Glühlampen-Hersteller ein geheimes Kartell und beschlossen, dass die Glühlampen nicht mehr 2500, sondern nur noch 1000 Stunden brennen sollen. Das ist nachweislich so passiert. Auch Glühlampen, die länger halten, gibt es wirklich.

Dennoch handelt es sich bei der Lebensdauerbegrenzung von Glühlampen nicht um einen eindeutigen Fall von Abzocke, wie die meisten Berichte suggerieren, sondern um einen sinnvollen Kompromiss zwischen Langlebigkeit und Effizienz. Je heißer der Glühdraht wird, desto mehr Energie wandelt er in Licht um. Leider verdampft er dann auch schneller, aber der Strom für den Betrieb einer Glühlampe kostet viel mehr als die Lampe selbst. Bei den heutigen Preisen sollte eine Glühlampe eigentlich sogar nur 250 bis 300 Stunden halten, damit es insgesamt für den Kunden am günstigsten ist.

Es verwundert, dass noch niemand eine Verschwörung der Stromlobby behauptet hat. Aber auch die ist nicht plausibel, denn es gibt längst Energiesparlampen und LED-Lampen, die effizienter und langlebiger als Glühlampen sind. Alle Thesen, wonach wir durch künstlich verschlechterte Glühbirnen zu sinnlosen Neukäufen gezwungen werden, sind unhaltbar.

Unzerstörbare Nylonstrümpfe

Ein anderer beliebter "Beleg" für geplante Obsoleszenz sind Nylonstrümpfe. Hier besagt der Mythos, dass die ersten Nylonstrümpfe, die 1940 von der Firma Dupont verkauft wurden, unzerstörbar waren. Das hätte die Nachfrage begrenzt. Daher habe Dupont die Strümpfe dünner gemacht und bei den Zusatzstoffen, die die Fasern vor UV-Licht schützen, gespart. Dadurch sei die Haltbarkeit reduziert worden und der Umsatz gestiegen.

Das genügt den Verschwörungstheoretikern meist schon als Beweis. Zwei Fragen werden selten gestellt:

  1. Wo ist die chemische Analyse, die belegt, dass an den Zusatzstoffen gespart wurde und wird?
  2. Warum produziert heute niemand "unzerstörbare" Nylonstrümpfe? Greenpeace hat das erste Drei-Liter-Auto und den ersten FCKW-freien Kühlschrank hergestellt. Wieso schafft das weltweit keine Organisation bei den vergleichsweise einfachen Nylonstrümpfen?

Geheime Zeitzünder

Der Mythos von der geplanten Obsoleszenz hat einen wahren Kern: Manche Drucker und Kaffeemaschinen haben in der Tat versteckte Zählwerke, die bei einem festgelegten Stand das an sich funktionstüchtige Gerät außer Betrieb nehmen. Das sei eine vorsorgliche Maßnahme aus Gründen der Qualität bzw. Sicherheit, argumentieren die ertappten Hersteller meist. Z. B. ist bei einem Tintenstrahldrucker der eingebaute Tintenschwamm irgendwann voll und Tinte kann auslaufen. Wer das Gerät aber nicht einmal auf eigenes Risiko weiterverwenden kann oder durch eine falsche Fehlermeldung getäuscht wird, der ist zu Recht verärgert.

Enttäuschte Kunden vermuten auch in Waschmaschinen, Fernsehgeräten, Computern, Smartphones und anderen elektronischen Geräten "ein eingebautes Ablaufdatum". Die Stiftung Warentest macht auch Langzeittests und hat in den letzten 10 Jahren keine Verkürzung der Lebensdauer von Haushaltsgeräten festgestellt. Sie hat überhaupt keinen einzigen Fall gefunden, wo man sagen könnte: Da wird offenbar gezielt eine Schwachstelle eingebaut, damit das ganze Gerät früher Schrott ist.

Was es natürlich schon gibt, ist eine Abhängigkeit der Lebensdauer vom Preis. Bei einer Waschmaschine unter 550 Euro ist die Gefahr eines vorzeitigen Ausfalls groß, warnt die Stiftung Warentest. Es sollte aber niemanden überraschen, dass teure Produkte im Durchschnitt länger als billige halten.

Wieso nennt Sepp Eisenriegler vom Wiener Reparatur- und Service-Zentrum (RUSZ) dennoch Waschmaschinen als Beispiel für "belegbar geplanten Verschleiß"? Selbstverständlich wird eine billige Waschmaschine vom Hersteller für eine kürzere Lebensdauer ausgelegt - sonst würde es eine teure Waschmaschine. So eine Planung ist aber etwas anderes als eine Verschwörung der Produzenten, um den Konsumenten durch unnötig frühen Neukauf mehr Geld aus der Tasche zu ziehen! Es ist gar nicht sicher, dass die Firmen mit Billiggeräten mehr als mit teuren, langlebigen verdienen. Die Rechnung, dass die Wirtschaft den großen Murks brauche, um zu wachsen, geht daher nicht auf.

Statistiken fehlen

Zu den behaupteten "Zeitzündern" gehören Konstruktionsmängel wie zu schwache Kondensatoren, die in Flachbildfernsehern, Laptops und anderen Geräten angeblich häufig kurz nach Ablauf der Garantiezeit durchbrennen. Stärkere Kondensatoren würden nur wenige Cent mehr kosten und die Lebensdauer der Geräte um fünf bis zehn Jahre verlängern, heißt es. Dazu gibt es viele Berichte, aber keine einzige aussagekräftige Statistik. Hier könnte sich das RUSZ mit harten Fakten in die Diskussion einbringen:

  • Bei wie vielen Fernsehern (Stück und Prozent) hat das RUSZ nur die Kondensatoren tauschen müssen?
  • Wie alt waren die Fernseher?
  • Welche Marken bzw. Modelle waren betroffen?
  • Wie lange haben die Fernseher nach der Reparatur noch funktioniert?
  • Waren die Fernseher so eingebaut, dass es zu einem Wärmestau kommen konnte?
  • usw.

Was kann der Kunde tun?

Neben Testberichten, die man vor dem Kauf studieren sollte, gibt es auch spezielle Gütesiegel für langlebige Produkte (HTV-Life, österreichisches Nachhaltigkeitssiegel) - bis jetzt aber leider nur auf ganz wenigen.

Hilfreich wäre eine umfangreichere Sammlung von Positivbeispielen, damit die Verbraucher leichter zu hochqualitativer Ware greifen können und sich der Hype um die angeblich geplante Obsoleszenz erübrigt.

Mario Sedlak ist Mathematiker und lebt in Wien.