Vom Veganismus zur Orthorexie

Esstabu-Apostatin erhält Todesdrohungen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die 23-jährige Amerikanerin Jordan Younger betreibt seit einem Jahr das Blog The Blonde Vegan, in dem sie über Fitness schreibt, Rezepte weitergibt, und ihr Essen fotografiert. In der Vergangenheit waren das hauptsächlich "Smoothies" und andere vegane Nahrungsmittel.

Younger wurde nach eigenen Angaben im Januar 2013 zur Veganerin, als sie sich mit einer fünftägigen Diät den Feiertagsspeck herunterhungern wollte. Dabei stellte sie fest, dass Verdauungsprobleme verschwanden, an denen sie seit ihrer Kinderzeit litt, und dass sie sich allgemein besser fühlte. Angeblich hörten sogar ihre Migräneanfälle auf.

Daraufhin stellte sie ihre Ernährung komplett auf Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Proteinpulver um und rief ihr Blog ins Leben, um der Welt ihre Entdeckung mitzuteilen. Auf Instagram wurde die gutaussehende Blondine bald zu einem Postergirl des Veganismus - mit über 70.000 Followern. Aufgrund des Erfolgs brach sie ihr Studium ab, begann eine Ausbildung zum "Health Coach" und verkaufte Mode mit Aufschriften wie "Is Vodka Vegan?"

Am 23. Juni 2014 offenbarte Younger ihren Lesern jedoch, dass sie sich zukünftig nicht mehr rein vegan ernähren werde, weil sie festgestellt habe, dass sie zunehmend in einer "Restriktionsblase" lebte und nicht nur tierische Produkte mied, sondern auch "Angst" vor Zucker, Gluten, Öl und anderen Nahrungsbestandteilen entwickelte. Schließlich gestand sie sich ein, dass sie an Orthorexie leidet - einer Essstörung, bei der der Wille, sich möglichst gesund zu ernähren, krankhafte Züge annimmt. Als Auslöser dieser Essstörung sieht sie ihre Hinwendung zum Veganismus.

Jordan Youngers Blog The Blonde Vegan. Screenshot: Telepolis.

Obwohl Younger verlautbarte, dass sie der Veganismusbewegung keine Schuld an ihrer Orthorexie gibt, wurde sie daraufhin nicht nur öffentlich beschimpft, sondern auch bedroht: Ein anonymer Veganer kündigte ihre Ermordung an, wenn sie den Namen ihres Blogs nicht ändere, ein andere prophezeite, er werde ihre ganze Familie grillen. Viele machten Youngers Aussagen nach deutlich, dass sie das Leben von Tieren höher schätzen als das von Menschen. Der Bürgerrechtler John Perry Barlow, einer der Gründer der Electronic Frontier Foundation, war von diesen Drohungen so entsetzt, dass ihm in einem Tweet der Ausdruck "Veganazism" entfuhr.

Umstimmen lassen will sich Younger trotzdem nicht - auch deshalb, weil sie anhand einiger Zuschriften befürchtet, dass ihr Blog und ihre Instagram-Fotos dazu beigetragen haben könnten, dass bei anderen Menschen eine Essstörung getriggert wurde. In Zukunft will sie sich gesund ernähren, aber nichts kategorisch tabuisieren. Den Tierschutz berücksichtigt sie dabei, indem sie beispielsweise Wildlachs und Fleisch und Eier von freilaufenden Hühnern kauft. Ihre Modeprodukte möchte sie diesen neuen Gewohnheiten in den nächsten Wochen zusammen mit einem Designer anpassen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.