Druck auf härteres Vorgehen des Westens gegen Russland wächst

Experten vermuten, dass eine Buk-Rakete das Flugzeug abgeschossen hat, aber das würde auch noch nicht erklären, wer dafür verantwortlich ist

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Es ist gut, dass manche Journalisten nur schreiben können, aber nicht an den Hebeln der Macht sitzen. So titelt Stefan Cornelius heute seinen Kommentar so schlicht wie einfach "Russlands Schuld" und konstatiert eine Demütigung des Westens seitens Russlands, die nun endlich beantwortet werden müsse: "Wie viel Selbstrespekt muss der Westen noch aufgeben, eher er auf diese Verhöhnung eine Antwort findet? Die Toten werden geradezu wie Geiseln behandelt, die Flugschreiber sind Faustpfand finsterer Schergen." Allerdings befindet sich der erste Zug mit den Toten bereits in Charkiv und sollen schnell nach Holland gebracht werden, um sie zu identifizieren und forensisch zu untersuchen, beispielsweise auf Sprengstoffspuren. Auch die Flugschreiber wurden (wie mit dem Premierminister Malaysias vereinbart) Experten übergeben, die erklärten, sie seien kaum beschädigt.

Übergabe der Flugschreiber, die nach Großbritannien in ein von der ICAO lizenziertem Institut zur Untersuchung gebracht werden. Bild: Censor.net

Im Augenblick wird wieder, man erinnert sich an den Vorlauf zum Irak-Krieg, massiv vor allem von Seiten der USA, dem ewigen Vasallen Großbritannien, einiger osteuropäischer Länder und natürlich der Regierung in der Ukraine Druck ausgeübt, um "den Westen" zu einer einheitlichen Haltung gegenüber Russland zu bringen. Der weiterhin noch nicht aufgeklärte Absturz der malaysischen Maschine dient als Hebel, um die Reihen hinter sich zu schließen. In der aufgespannten Dichotomie von Gut und Böse fallen Differenzierungen schon seit Monaten zunehmend mehr in Ost und West aus.

Wenn die Scharfmacher nun eine lückenlose Aufklärung fordern, aber dazu schweigen, dass die ukrainischen Streitkräften mit ihren vielen fragwürdigen Milizen den Kampf nun in die Großstädte Lugansk und Donezk trägt und auch in der Nähe der Absturzstelle gekämpft wird, während die Regierung eine weitere Teilmobilmachung beschließt und das Alter auf 60 Jahre heraufgesetzt hat, ist dies die mittlerweile schon gewohnte Einseitigkeit, die das Geschehen auf ukrainischer Seite ausblendet. Was Transparenz und Aufklärung über die Scharfschützen auf dem Maidan und den Brandanschlag in Odessa betrifft, hat sich Kiew jedenfalls nicht hervorgetan. Heute hat die Rada, das ukrainische Parlament, die Separatisten und Moskau für den Abschuss verantwortlich gemacht und erneut gefordert, dass die beiden "Volksrepubliken" der Separatisten international zu Terrororganisationen erklärt werden. Verhandlungen zwischen Kiew und den Separatisten, wie sie von Russland, aber auch von einigen europäischen Staaten gefordert werden, würden damit unmöglich gemacht. Zudem bat die Rada das Ausland um militärischen Beistand.

Nachdem der ukrainische Geheimdienst eher zweifelhafte "Beweise" für den von russischer Seite unterstützten Abschuss der Passagiermaschine durch die Separatisten geliefert, hatte das russische Verteidigungsministerium auch seinerseits Informationen veröffentlicht, die, sollten sie zutreffen, zumindest erklärungsbedürftig wären. So ist nach den russischen Daten die Maschine von ihrem Flugweg abgewichen und es soll sich ein ukrainischer Militärflugzeug in dessen Nähe befunden haben. Zu der Zeit sei ein US-Satellit über das Gebiet geflogen. Nach russischen Angaben sollen die Bilder, die zeigen sollen, wie Buk-Raketensysteme nach Russland transportiert worden seien, nicht, wie vom ukrainischen Geheimdienst erklärt, aus der Gegend um Lugansk, sondern aus dem Ort Krasnoarmeisk stammen, das seit Mai von Kiew kontrolliert wird. Auf dem Plakat wirbt ein Autohändler mit der Adresse Dnepropetrovskaya, 34, die sich in dieser Stadt befindet.

Nach einer Untersuchung von Fotos von Wrackteilen, die offensichtlich Spuren von Schrapnell zeigen, geht Reed Foster von der militärwissenschaftlichen Publikation Jane's davon aus, wie die New York Times berichten dass eine mit Überschallgeschwindigkeit fliegende Rakete nahe dem Flugzeug explodiert ist. Das Flugzeug sei von den Schrapnellgeschossen getroffen und von der Druckwelle auseinandergebrochen worden. Die auf den Fotos sichtbaren Beschädigungen wären konsistent mit den zu erwartenden Folgen einer explodierenden Buk-Rakete. Diese würden unter dem Flugzeug explodieren und eine "Schrapnellwolke" freigeben, die Flugzeuge zum Absturz bringt. Die Schrapnellschäden würden sich von denen unterscheiden, die von einer Luft-Luft-Rakete verursacht werden. Diese würden längere und dünnere Spuren hinterlassen. Auch Experten, die von der Financial Times befragt wurden, erklärten, dass die auf den Fotos sichtbaren Schäden auf eine Buk-Rakete hinweisen.

Aber auch, wenn das Flugzeug tatsächlich von einer SA-11-Rakete abgeschossen wurde, bleibt weiterhin unklar, wer sie wo abgeschossen hat. Die Untersuchung der auf dem großen Gebiet verteilten Wrackteile könnte vielleicht klären, woher sie stammt, wenn Reste der Rakete gefunden würden. Der Verdacht wird selbstverständlich geäußert werden, dass diese womöglich schon von den Separatisten beiseitegeschafft worden sein können.

Derweil hat die Rada ein Gesetz erlassen, nachdem eine Fraktion im Parlament aufgelöst werden kann, wenn in ihr weniger Abgeordnete sind als zu Beginn der Parlamentsperiode. Nachdem einige Abgeordnete die Kommunistische Partei verlassen haben, die von anderen Parteien sowieso ebenso wie die Partei der Regionen verboten werden soll, dient das Gesetz dem Ausschluss der Kommunisten. Das ist auch deswegen entscheidend, weil das Parlament sich selbst auflösen soll, um Neuwahlen zu ermöglichen. Offenbar gibt es hier große Uneinigkeit zwischen Abgeordneten der Vaterlandspartei, von UDAR und der Swoboda-Partei. In der Rada kam es zu Schlägereien zwischen Abgeordneten der Kommunistischen und der Swoboda-Partei. Wenn Kritik am Blutvergießen in der Ostukraine geäußert wird, lässt Exy-Präsident Turtschinow gerne mal das Mikrofon ausschalten und Abgeordneten aus dem Parlament entfernen.

Konstantin Romodanovsky, der Leiter der russischen Einwanderungsbehörde, teilte heute mit, dass sich fast 2 Millionen Ukrainer in Russland aufhalten. Aus der Südostukraine seien seit dem 1. April mehr als 500.000 Menschen nach Russland gekommen. 80 Prozent blieben in Grenznähe und seien "De-facto-Flüchtlinge", auch wenn sie nicht um Asyl bitten.

Nach Angaben der UNHCR, dem UN-Flüchtlingswerk sind seit Anfang des Jahres (Stand Ende Juni) 110.000 Ukrainer nach Russland gekommen, alleine in den letzten Juni-Tagen seien es 20.000 Flüchtlinge gewesen. Nur 10.000 haben einen Asylantrag gestellt. Intern hat es Ende Juni, also vor dem Beginn der schweren Kämpfe um Donezk und Lugansk, 54.000 Flüchtlinge, davon 12.000 aus der Krim, gegeben. Vermutlich sind es deutlich mehr. Viele blieben auch im Donbass. Die Menschenrechtsorgnaisation ermahnt Kiew, sich besser um die Flüchtlinge zu kümmern. In einem Brief an Präsident Poroschenko wird moniert, dass die meisten Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten, mit denen man gesprochen hat, erklärten, sie hätten wenig oder keine Hilfe erhalten. Es gäbe auch keine Informationen.