MH17: Auch die US-Geheimdienste präsentieren Vermutungen

Das gaben die Geheimdienstmitarbeiter an die Medien weiter: So könnte eine Boden-Luft-Rakete die MH17 abgeschossen haben, allerdings wissen die Geheimdienste nicht, ob sich überhaupt ein Buk-System in der Ostukraine befunden hat. Bild: DNI

Bis auf Satellitenbilder über den Ausbau einer russischen Militärbasis an der Grenze legen die Geheimdienste keine neuen Informationen vor, sie können nicht sagen, ob ein Buk-System in der Ostukraine war und wer für den Abschuss verantwortlich ist

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Nach dem ukrainischen Geheimdienst und dem russischen Verteidigungsministeriums präsentieren nun die amerikanischen Geheimdienste ihre Belege und Vermutungen über den Abschuss von MH17 über der Ostukraine. Während der ukrainische Geheimdienst die Verantwortlichen bei den Separatisten sieht, die direkt von Russland unterstützt wurden, suggeriert Russland, dass sich in der Nähe der Maschine zur Abschusszeit ukrainische Buk-Systeme und ein ukrainisches Kampfflugzeug befanden und eine Aufnahme, auf der ein Buk-System angeblich nach Russland abtransportiert, einen anderen Ort als den vom ukrainischen Geheimdienst genannten zeigt.

Die US-Geheimdienste haben ebenfalls keine direkten Beweise, aber sie vermuten wenig überraschend, dass alles dafür spreche, dass die Separatisten die Maschine abgeschossen haben. Die Möglichkeit, dass ukrainische Streitkräfte verantwortlich sein könnten, wird hingegen ausgeschlossen, allerdings nur als "nicht plausibles Szenario", wie dies mal wieder einer von drei anonym bleibenden Geheimdienstmitarbeiter ausdrückte, die die Medien mit Informationen versorgen sollten. Die Geheimnistuerei gehört in Washington mit zum Spiel, lässt aber den Anschein entstehen, als sollten die Medien nur beeinflusst werden, weil sie exklusive Informationen erhalten, die aber nicht wirklich offiziell weiter gegeben werden. Im Gegensatz dazu haben der ukrainische Geheimdienst und das russische Verteidigungsministeriums ihre Informationen offiziell und öffentlich weiter gegeben.

Offenbar mussten die US-Geheimdienste auf die Pressekonferenz des russischen Verteidigungsministeriums reagieren, in der diese aufgefordert wurden, ihre Informationen weiterzugeben, da sich zur Abschusszeit ein US-Satellit über der Gegend befunden habe. Natürlich manipulieren aus der Sicht der US-Geheimdienste die Russen nur, während diese in ihrer verkappten Transparenzoffensive nur die Wahrheit verkünden. Die russische Regierung, so einer der verdeckt auftretenden Geheimdienstmitarbeiter, habe mit ihrem Auftritt "verbündete und befreundete Elemente unterrichtet, die Medien zu manipulieren, um die russische Version der Story zu verbreiten. Das sieht wie ein klassischer Fall aus, die Opfer zu beschuldigen."

Allerdings haben die Russen zwar eine Beteiligung der Ukraine suggeriert, aber dies nicht direkt ausgesprochen, sondern die ukrainische Regierung aufgefordert, die anhand der Belege gestellten Fragen zu beantworten. Auch die US-Geheimdienste beantworten nicht die Frage, ob sich ein ukrainisches Kampfflugzeug in der Nähe der Passagiermaschine befunden hat, warum diese von ihrem Kurs abgewichen ist und ob ukrainische Buk- oder SA-11-Raketensysteme in der Nähe des Absturzortes installiert waren. Sie erklären hingegen, dass sie die für die Bedienung Verantwortlichen nicht kennen und nicht wissen, ob es Russen oder übergelaufene Soldaten der ukrainischen Armee waren. Man habe auch keine Hinweise auf die Motive für den Abschuss, abgesehen von der Reaktion von Separatisten, die in Sozialen Netzwerken glaubten, es sei eine ukrainische Militärmaschine. So hätten sie einige der Informationen überprüft und könnten beispielsweise das abgehörte Gespräch von Strelkov bestätigen, in dem er erklärte hatte, dass eine ukrainische Militärmaschine zur Zeit des Absturzes von MH17 abgeschossen worden sei. Eine Stimmanalyse habe gezeigt, dass auf der Aufnahme Strelkov zu hören ist.

Ansonsten ist die angeblich so allmächtige NSA doch nicht fähig, die Kommunikation im Internet abzugreifen und zu analysieren. Es kann aber auch sein, dass man nicht wirklich einen Treffer gelandet hat, der als Beweis gelten könnte. Die Geheimdienstmitarbeiter verweisen indes auf YouTube-Aufzeichnungen, auf denen Separatisten zu hören seien, wie sie sagten, dass sie Zivilisten am Abschussort gefunden hätten. Das ist auch schon länger bekannt, wiederholt wird wieder die Vermutung, dies sei ein Hinweis darauf, dass die Separatisten vermuteten, eine Militärmaschine abgeschossen zu haben.

Das ist nicht viel, was die Geheimdienstmitarbeiter präsentieren, die auch spekulieren, dass die Separatisten, die das Raketensystem bedienten, vielleicht schlecht ausgebildet waren und keinen Zugang zu weiteren Radarsystemen besaßen, die normalerweise vorhanden sind, um Militär- von Zivilflugzeugen zu unterscheiden. Mit den verfügbaren schlechten Radarbildern könne eine Verwechslung möglich sein. Das würde wiederum auf einen versehentlichen Abschuss hinauslaufen, wobei die schlecht ausgebildeten Separatisten dennoch das Flugzeug trafen. Ob sie tatsächlich, einmal unterstellt, es wäre so, der Ansicht waren, dass ein so hoch fliegendes Flugzeug eine ukrainische Militärmaschine sein kann, ist fraglich. Bislang hatten die Separatisten Hubschrauber und Militärmaschinen abgeschossen, die sehr viel tiefer flogen.

Offenbar unterstützen die US-Geheimdienste aber nicht die Ansicht ihrer ukrainischen Kollegen, dass es sich um einen gezielten Abschuss mit der direkten Hilfe von russischer Seite in Form von Personal und Raketensystemen handelte. Erklärt wird, man könne nicht sagen, ob überhaupt ein Buk-System zu der Zeit des Abschusses in der Ostukraine gewesen sei. Auch nach ihrer Ansicht weisen die Wrackteile auf den Fotos von Absturzort darauf hin, dass eine Buk-Rakete auf das Flugzeug abgeschossen worden sei. Das sei aber erst ein vorläufiger Befund, also eine Vermutung.

Etwas lächerlich wirkt, wenn die Geheimdienstmitarbeiter eine Grafik mit einer Karte vorlegen, auf der die Flugbahnen der Passagiermaschine und die einer von Snizhne abgefeuerten Buk-Rakete eingezeichnet sind. Ohne die Veröffentlichung der Daten, auf der dies basiert, ist dies nur leere Luft.

Satellitenaufnahme des militärischen Stützpunkts an der ukrainischen Grenze vom 19. Juni (links) und 21. Juli (rechts), es sind deutlich mehr Fahrzeuge zu sehen. Bild: DNI

Interessanter und Russland belastend sind Satellitenaufnahmen von einer großen Militärbasis in der Nähe von Rostov an der ukrainischen Grenze. Über einen Monat wurde sie beobachtet, Vorher-Nachher-Aufnahmen sollen zeigen, dass die Basis stark ausgebaut wurde, nachdem Russland erklärte hatte, seine Truppen weitgehend von der Grenze abzuziehen. Vermutet wird, dass hier Separatisten ausgebildet und Waffen über die Grenze geschmuggelt werden. Russland habe sich bemüht, Ausrüstung zu verwenden, die auch vom ukrainischen Militär eingesetzt wird. Überdies habe man schon ausgemusterte Panzer aus den militärischen Lagern herangezogen. Es würden weiterhin Waffen geliefert, sagen die US-Geheimdienstmitarbeiter, Russland scheine sich dazu gezwungen zu sehen, nachdem die ukrainischen Streitkräfte erfolgreicher wurden und etwa Slowjansk einnehmen konnten.