IS: Das Kalifat konsolidiert seine Herrschaft...

und expandiert in Syrien und im Irak

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Während sich die internationale Aufmerksamkeit im Nahen Osten auf den Gaza-Krieg konzentriert, konsolidieren die Dschihadisten des Islamischen Staates (IS) ihre Herrschaft in den bereits von ihr eroberten Gebieten in Syrien und im Irak und versuchen sie auf weitere strategisch wichtige Ziele auszubauen. Bereits Mitte Juli wurde von "erstaunlichen militärischen Erfolgen" der IS in Syrien berichtet. Die Serie hat sich weiter fortgesetzt, bislang ist noch keine strategische oder militärische Antwort bekannt geworden, die dem Erfolgskurs der IS Entscheidendes entgegensetzt.

Im Gegenteil. Zu lesen waren in diesen Tagen zwei Berichte, die von einer nicht ausreichenden Gegenwehr gegen die Dschihadisten zeugen. Der eine kommt aus den USA, wo der stellvertretende Leiter der Abteilung Irak und Iran des Außenministeriums, Brett McGurk, vor dem House Foreign Affairs Committee davon berichtete, dass die US-Geheimdienste drei Tage vor der Eroberung Mosuls durch die IS-Dschihadisten über deren Pläne Bescheid wussten und die irakische Regierung darüber informierten. Man riet Maliki dazu, kurdische Peschmerga-Kräfte zur Unterstützung der irakischen Armee anzufordern, um die Eroberung zu verhindern.

Keine Entschlossenheit, kein Rezept

Nach Aussagen Mc Gurks und der ehemaligen Vorsitzenden der Abteilung Irak des National Security Council, Elissa Slotkin, wiegelte die Regierung Maliki ab; man teilte die Einschätzung nicht, dass es sich um eine dringliche Angelegenheit handele. Das Ergebnis ist bekannt. Mosul wurde erobert und die dort herrschende IS machte zuletzt weltweit mit der Vertreibung der Christen weltweit Schlagzeilen. Sie wurden vor die Alternative gestellt, "auszuwandern oder Schutzgelder zu bezahlen, um nicht getötet zu werden".

Bei der Anhörung wurde auch die zögerliche Unterstützung der US-Regierung debattiert. Nachdruck bekam sie, weil sich an den großen Linien seither nichts Entscheidendes geändert hat. Die US-Militärführung hat offensichtlich noch kein Rezept gegen den IS-Vormarsch gefunden oder die Sache wegen anderer Prioritäten nicht mit der erforderlichen Entschiedenheit behandelt und die irakische Regierung zeigt keine Entschlossenheit.

IS verfügt über fast alle Öl-und Gasfelder in Syrien

Dass es den syrischen Truppen an Entschlossenheit im Kampf gegen die Dschihadisten mangeln würde, ist bislang nicht bekannt. Der eingangs erwähnte zweite Bericht macht aber darauf aufmerksam, dass sich syrische Einheiten der IS in mehreren Kämpfen in der Umgebung der syrische Stadt Deir el Zour unterlegen gezeigt haben. Auch bei Kämpfen um wichtige Gasvorkommen in der Nähe der Wüstenstadt Palmyra behielten die Dschihadisten die Oberhand.

So sind die Dschihadisten ihrem Ziel, das gesamte Gouvernement, das nach dem Namen der Stadt benannt ist, unter ihre Herrschaft zu bringen, ein gutes Stück näher gerückt. Schon jetzt verfügt der islamische Staat im Staat Syrien über beinahe alle Öl-und Gasquellen des Landes, verdient damit gutes Geld und mit Preisnachlässen für die Bevölkerung sogar Sympathien, wie die Journalisten von McClatchy, die sich während des Irakkriegs als verläßliche Nachrichtenquelle erwiesen, berichten.

Der phobokratische Staat

Wie aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannte Reporter der New York Times aus der syrischen Haupstadt der Dschihadisten, Raqqa, berichten, wird die IS-Herrschaft ambivalent wahrgenommen. Zitiert werden Geschäftsleute und Einwohner, die Autorität und Ordnungsmacht der IS schätzen. Offensichtlich probiert die IS eine Herrschaftsform, die, anders als oft dargestellt, nicht unbedingt täglich ihre Brutalität mit blutrünstigen Aktionen zur Schau stellt, sondern mit der Androhung derselben agiert.

Eine Phobokratie, der es genügt, dass an den wichtigen Schaltstellen linietreue Vertreter sitzen, die darauf achten, dass ihre strengen Regeln durchgesetzt und befolgt werden, während, wie es in dem Bericht heißt, die kampfbegierigen Dschihadisten, denen nicht viel an Verwaltung und Alltag liegt, auf Eroberungsfeldzug gehen. Damit kann man laut Aussagen der Bewohner von Raqqa einen Staat machen, so wird ein Lehrer folgendermaßen zitiert:

Was ich in Raqqa erlebe, zeigt, dass der Islamische Staat eine klare Vorstellung davon hat, einen Staat im echten Sinne des Wortes aufzubauen. Es ist kein Witz.

Irak: Kurdengebiete und Bagdad auf dem Eroberungsplan

Während Beobachter in Syrien davon ausgehen, dass die IS-Kämpfer nun Gebiete um Aleppo, die unter der Kontrolle von diversen "Rebellengruppen" stehen, erobern wollen, liefern sich die Dschihadisten mit Peshmerga-Kräften seit längerem schon Kämpfe in den Kurdengebieten.

In der Hauptstadt Bagdad bereiten die Dschihadisten indessen das Terrain mit dem über mehrere Viertel gestreuten Einsatz spezieller Straßenbomben vor.

Bedenklich stimmt, dass sich sunnitische Stammesführer im Irak dazu entschlossen haben, Zweckbündnisse mit dem IS einzugehen. Der Erfolg wird den Dschihadisten weitere Zuläufer bescheren.