Womit sich ein "jüdischer Religionswissenschaftler" nach Ansicht eines Augsburger Theologen beschäftigen sollte

Der Abschlussbericht zur Causa Schavan zeigt, wie ein akademisches Netzwerk versuchte, Druck auf Stefan Rohrbacher und die Universität Düsseldorf auszuüben

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In einem vertraulichen Abschlussbericht zur Causa Schavan, der Telepolis vorliegt, hat Bruno Bleckmann, der Dekan der Philosophischen Fakultät an der Universität Düsseldorf, auf 73 Seiten Beweise gesammelt, die zeigen, wie ein akademisches Netzwerk versuchte, Druck auszuüben, damit bei der Plagiatsprüfung der Dissertation der ehemaligen Wissenschaftsministerin möglichst großzügig verfahren wird.

An den Interventionen, die in dem Bericht als "Kampagne" bezeichnet werden, nahmen zahlreiche bekannte Wissenschaftsfunktionäre teil - darunter Peter Gruss, der damalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, und Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.

Höhepunkt der in dem Bericht beklagten "verbalen Entgleisungen" ist eine Mail des Augsburger Fundamentaltheologen Klaus Kienzler, die sich vor allem gegen den Promotionsausschussvorsitzenden Stefan Rohrbacher wendet. Die "Unterstellung", "Schavan hätte eigene Gedanken vorgetäuscht, die sie von anderen abgeschrieben habe", ist Kienzlers Ausführungen nach "teilweise entweder dumm oder bösartig".

Foto: Michael Schuberthan.

Die damalige Wissenschaftsministerin täuschte dem geweihten Priester zufolge "weder 'vorsätzlich' noch 'systematisch'". Stattdessen schrieb sie "eine Dissertation […], wie viele andere zu ihrer Zeit". Wer Schavan nicht an diesen Dissertationen, sondern an "irgendwelchen theoretischen Lehrbüchern" misst, der leidet der Ansicht des 1976 promovierten Theologen nach an "Amnesie". Sein ceterum censeo lautet:

Einen jüdischen Religionswissenschaftler, der sich vor allem mit der jüdischen Erinnerungskultur beschäftigen sollte und bei dem diese amnetischen Störungen auftreten, halte ich für sehr problematisch.

Gegenüber Telepolis meinte Kienzler, die Mail sei trotz der Verwendung seines Universitäts-Accounts "privat" und "nicht für die öffentliche Diskussion gedacht" gewesen. Hätte er sich "in die öffentliche Diskussion einmischen wollen", dann hätte er "einen anderen Weg gewählt". "Unter Kollegen" könne man aber "manches offener aussprechen". Die jüdische Religion erwähnte er in dem Schreiben seinen eigenen Angaben nach, weil sie "wie vielleicht keine andere die Erinnerungskultur pflegt".

An der von ihm diagnostizierten "Erinnerungslücke" - der mangelnden Berücksichtigung der Zeitumstände bei der Prüfung - hält Kienzler auch nach der gerichtlichen Bestätigung von zahlreichen "zumindest bedingt vorsätzlichen" Täuschungen in Schavans Doktorarbeit fest. Damit steht er nicht alleine: Bleckmanns Ausführungen nach war bislang "von keiner der Personen, die in verbalen Entgleisungen der Fakultät extremen Dilettantismus oder auch Ärgeres vorgeworfen haben und dabei partiell auf ihre eigene juristische Kompetenz hingewiesen haben, […] in irgendeiner Weise eine Entschuldigung zu vernehmen". Viele davon sitzen weiter in Gremien, in denen sie darüber entscheiden, welche Leistungen mit Fördergeldern und Stellen belohnt werden - und welche nicht.

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