TU München will Master-Lehrbetrieb komplett auf Englisch umstellen

Studenten beklagen mangelnde Fähigkeiten von Professoren und Verwaltungsmitarbeitern

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Wolfgang Herrmann, der Präsident der Technischen Universität (TU) München, hat sich mit dem Hochschulrat darauf geeinigt, alle Master-Lehrveranstaltungen in den nächsten sechs Jahren auf die Unterrichtssprache Englisch umzustellen. Hintergrund der Umstellung sind 150 Millionen Euro aus der Exzellenzinitiative des Bundeswissenschaftsministeriums, die die Hochschule für einen "Internationalisierungsauftrag" erhalten hat.

Herrmann, der die Umstellung schon bis 2017 durchführen wollte, begründete die Eile laut Sitzungsprotokoll damit, dass man die Absolventen "frühzeitig auf eine Realität einstimmen" müsse, in der Englisch nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Wirtschaft die Verkehrssprache ist. Außerdem stehe die Hochschule in einem "internationalen Wettbewerb" um die besten Lehrkräfte und Studenten, die sich häufig lieber auf fachliche Inhalte als auf des Erlernen der deutschen Sprache konzentrieren. Bis 2020 will die Universität durch die Umstellung den Anteil ihrer Professoren aus dem fremdsprachigen Ausland von 12 auf 25 Prozent steigern - Gastdozenten nicht mitgerechnet. Bei den Studenten soll der Anteil von 20 auf 30 Prozent steigen.

Unter den Vertretern dieser Studenten ist man von der Vorgabe nicht so durchgehend begeistert wie der Präsident: Der Fachschaftsratsvorsitzende Sebastian Biermann gab im Münchner Merkur unter anderem zu bedenken, dass die Warteliste für Fachenglisch-Vorbereitungskurse bereits jetzt eine vierstellige Zahl an Bewerbern aufweist. Er hält eine differenzierte Herangehensweise, bei der man den Fakultäten die Entscheidung überlässt, was sie in welchem Zeitrahmen ändern wollen, für sinnvoller als eine "von oben herab" angeordnete Hauruckumstellung für alle Fächer. So hätten beispielsweise Bauingenieure - anders als Informatiker - vor allem mit deutschen Vorschriften zu tun. "Da", so Biermann, "ergibt eine Umstellung überhaupt keinen Sinn".

Ein Vertreter des Mittelbaus, der nicht namentlich genannt werden möchte, beklagt gegenüber Telepolis außerdem die mangelnden Englischkenntnisse mancher Lehrkräfte und Verwaltungsmitarbeiter. Sogar in offiziellen Dokumenten deutscher Universitäten und Forschungseinrichtungen ist das Englische seinen Angaben nach teilweise so fehlerhaft, dass man es besser als Pidgin klassifiziert. Ob eine vollständige und eilige Umstellung in solch einer Situation für Studenten tatsächlich überwiegend Vorteile hat, ist fraglich: Immerhin besteht dadurch nicht nur die Gefahr, schlechtes Englisch zu übernehmen, sondern auch das Risiko, dass Lehrinhalte nicht oder nur unzureichend verstanden werden.

Da nicht alle deutschen, österreichischen und schweizerischen Hochschulen so schnell und grundlegend auf Englisch umstellen wollen wie die Münchner TU, haben deutschsprachige Studenten allerdings (zumindest mittelfristig) noch eine Wahl, ob sie ein Bauingenieursstudium in englischer oder lieber in deutscher Sprache absolvieren wollen. Diejenigen, die Deutsch bevorzugen, müssen dabei keineswegs die schlechtesten Studenten sein: Nicht immer geht mit besonderem technischen Talent auch eine besondere Fähigkeit zum Spracherwerb einher.

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