Grundsätzlich nicht schwieriger als Kochen

In Großbritannien wird Programmieren ab September Pflichtfach für alle Schüler zwischen fünf und sechzehn Jahren

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51,12 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschlands könnten einer Studie des an der London School of Economics (LSE) forschenden Wirtschaftswissenschaftlers Jeremy Bowles zufolge in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren durch die technische Entwicklung überflüssig werden. In Großbritannien sieht Bowles dagegen nur 47,17 Prozent der Arbeitsplätze diesem Risiko ausgesetzt.

Grund dafür ist, dass das Vereinigte Königreich seit Ende der 1970er Jahre große Teile seines Produktivsektors stilllegte und stattdessen auf den Finanzsektor setzte. Dieser Effekt zeigt sich auch in den von Bowles berechneten Werten für andere europäische Länder: Besonders schlecht scheiden in seiner Prognose Rumänien (61,93 Prozent) und Portugal (58,94 Prozent) ab, wo der tertiäre Sektor relativ gering entwickelt ist.

Nun auf den Finanzsektor zu setzen, wäre jedoch unter anderem deshalb problematisch, weil auch dort Arbeitsplätze durch technische Entwicklungen überflüssig werden - zum Beispiel in der Vermögensverwaltung, wo intelligentere Programme Chancen und Risiken absehbar besser vergleichen werden können als Banker. Und gerade im Dienstleistungssektor zeigten in den letzten Jahren Anbieter wie Instagram, dass man bei entsprechender technischer Ausstattung mit einem guten Dutzend Mitarbeiter 30 Millionen Kunden versorgen kann. Zudem dürften durch mobile Roboter besonders Berufe in Dienstleistungsbereichen wie Reinigung und Pflege wegfallen.

Der Haarwaschautomat von Panasonic kann in Kliniken und Heimen den Bedarf an Pflegepersonal senken. Bild: Panasonic

Dafür sind in der Produktion Tätigkeiten in Forschung und Entwicklung denkbar, die sich weniger gut durch Roboter und intelligente Systeme ersetzen lassen: Die Ansicht, dass Deutschland deshalb wieder stärker auf den sekundären Sektor setzen sollte, wird unter anderem von Wolfgang Heckl vertreten, dem Generaldirektor des Deutschen Museums. Mit der "Umsteuerung zur nachhaltigen Produktion und der Industrie 4.0" sieht der Physikprofessor "eine große Chancen für den Industrie- und Produktionsstandort Deutschland". Aus dieser Chance lässt sich seiner Meinung nach aber nur dann etwas machen, "wenn es uns gelingt Nachwuchs in den MINT-Berufen […] zu gewinnen und so die Erfindung, Entwicklung und marktliche Umsetzung in unserem Land einzuschließen".

Das sieht man inzwischen auch in Großbritannien so: Dort sollen alle Kinder zwischen fünf und sechzehn Jahren ab September den Umgang mit Programmiersprachen lernen - ein großer Unterschied zum bisherigen EDV-Unterricht, wo die Schüler vor allem übten, Microsoft Office zu bedienen. Bislang ist solch ein Programmierunterricht in keinem anderen Land der Welt verpflichtend, weshalb sich das Vereinigte Königreich als "Vorreiter" sieht.

Der Britische Vorstoß hat mittlerweile auch in den USA eine darüber Debatte entfacht, wie man damit umgehen soll, dass heute anteilsmäßig weniger Studenten einen Abschluss in Informatik machen als in den 1980er Jahren. Tasneem Raja von Mother Jones glaubt, dass man das ändern kann, wenn man Kinder für das Fach begeistert, die bislang von dessen Image abgeschreckt werden: Ihrer Ansicht nach ist Programmieren nicht grundsätzlich schwieriger als Kochen.

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