Die meisten US-Bürger betrachten Russland nicht als Feind

Trotz des sich aufschaukelnden Konflikts haben nach einer Umfrage auch die russischen Bürger kein Interesse an einem militärischen Vorgehen gegen die Ukraine

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Die US-Regierung drückt im Verein mit der EU darauf, Russland zu isolieren, militärisch und wirtschaftlich zu schwächen und die Nato-Präsenz an der russischen Grenze zu verstärken. Das Pentagon berichtet, dass Russland an der Grenze zur Ukraine weitere Truppen massiere und schwere Waffen den Separatisten zukommen lasse.

Deutschland trägt die verschärften Sanktionen mit, scheint sich aber noch zu sträuben, Nato-Truppen in Osteuropa zu stationieren, wie dies der Nato-Oberbefehlshaber Breedlove vorgeschlagen und mehrere osteuropäischen Länder gefordert haben (Wiederkehr der Geopolitik des Kalten Kriegs). Darüber soll vermutlich auf dem anstehenden Nato-Gipfel entschieden werden. Auf eine Kleine Anfrage der Grünen, erklärte die Bundesregierung, so Der Westen, sie gehe "bis auf weiteres davon aus, dass auf die permanente Stationierung substanzieller Kampftruppen im östlichen Bündnis verzichtet werden kann". Dies würde auch "im Einklang mit Selbstbeschränkungen der Nato-Russland-Grundakte" stehen. In der Ukraine wurde dies auch aufmerksam zur Kenntnis genommen.

Gestern hatte US-Präsident Obama noch einmal rhetorisch den Druck auf Russland und die nicht ganz Willigen in der EU erhöht. Wie schon als Ritual sprach Obama wieder vor dem Treffen der EU-Regierungschefs, die die vereinbarten Sanktionen beschließen sollen. Russland habe seit dem Absturz der MH17 nicht bei der Untersuchung kooperiert und habe insgesamt weiter die Separatisten unterstützt:

Meanwhile, Russia continues to support the separatists and encourage them, and train them, and arm them. Satellite images, along with information we've declassified in recent days, show that forces inside Russia have launched artillery strikes into Ukraine -- another major violation of Ukraine’s sovereignty. And we have information that Russia continues to build up its own forces near the Ukrainian border and that more Russian military equipment, including artillery, armored vehicles, and air defense equipment, has been transferred across the border to these separatists.

Russland ist zum Feind geworden, auch wenn sich Obama zurückhält und mehr oder weniger erklärt, man wolle Russland zu seinem eigenen Besten durch die Wirtschaftssanktionen zwingen. Dass die USA die EU-Mitgliedsstaaten dazu drängen, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und Nato-Truppen nach Osteuropa zu verlegen, sprach er allerdings nicht an.

Eine Umfrage, die Pew Research letzte Woche durchführte, kommt zu dem Ergebnis, dass die US-Amerikaner immer noch nicht geneigt sind, Russland als neuen, alten Feind zu betrachten. 26 Prozent bezeichnen Russland als Feind - so viel wie im März 2013 nach der Annexion der Krim. Im November sagten dies allerdings nur 18 Prozent. Jetzt sind mit 49 Prozent die meisten der Auffassung, dass Russland ein ernstes Problem darstelle, aber kein Feind sei, 15 Prozent meinen, es sei kein großes Problem, das waren letztes Jahr noch 40 Prozent.

Bei den Republikanern ist die Neigung wenig überraschend höher, Russland als Feind zu betrachten (33%), als bei den Demokraten (21%). Auffällig ist, dass immer der "Unabhängigen" Russland als Feind betrachten (33%), während bei den Republikanern die Neigung im April mit 44 Prozent am höchsten war und damit jetzt wieder zurückgegangen ist. Die Ansicht, dass Russland ein Feind ist, nimmt mit dem Alter der Befragten zu, bei den 18-29-Jährigen, die in der Zeit nach dem Kalten Krieg groß wurden, sagen dies nur 15 Prozent.

Gestiegen ist vor allem die Ansicht, dass die "russisch-ukrainische Situation" für amerikanische Interessen wichtig sei. Das sagen nun 48 Prozent, im April waren erst 31 Prozent dieser Meinung. Der Abschuss von MH17 war sicherlich eine Wende auch in der öffentlichen Wahrnehmung des Konflikts.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts WZIOM, das offenbar testet, ob eine aggressivere Politik in Russland Rückhalt finden würde, haben 87 Prozent der befragten russischen Bürger mitbekommen, dass angeblich ukrainische Streitkräfte in russisches Territorium geschossen hätten, ein Russe getötet worden sei und die russische Regierung Kiew deswegen gewarnt habe. Dann wollte man wissen, wie Russland darauf reagieren soll. Die Mehrheit wünscht jedenfalls keine militärische Reaktion. 63 Prozent sagen, Russland solle das diplomatisch lösen. 22 Prozent wären bereit, dass auf die Stellungen zurückgeschossen wird, von denen der Beschuss ausgeht. 11 Prozent würden aber auch russische Truppen in die Ukraine entsenden.