Bericht über die Untersuchung des Absturzes von MH17 kann noch Wochen dauern

Die für den Bericht verantwortliche niederländische Organisation hüllt sich ebenso wie die US-Regierung und andere westliche Regierungen in Schweigen; kein Wunder, dass Spekulationen ins Kraut schießen

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Am 17. Juli stürzte die Maschine MH17 über dem Gebiet von Donezk ab. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde es abgeschossen. Damit enden bereits die öffentlich bekannten Erkenntnisse mit dem Stand von letzter Woche (Da stimmt etwas nicht). Experten waren einige Tage vor Ort, die Flugschreiber wurden gefunden und ausgewertet, seitdem herrscht Schweigen, das natürlich Spekulationen und Verschwörungstheorien ins Kraut schießen lässt, wozu auch die halboffiziellen Hinweise etwa aus den ukrainischen oder amerikanischen Geheimdiensten oder die vorgelegten Belege des russischen Verteidigungsministeriums gehören.

Wrackteil von MH17. Bild: Jeroen Akkermans/CC-BY-SA-2.0

Am Montag berichtete der Onderzoeksraad Voor Veiligheid (OVV), also der niederländische Untersuchungsrat, dass nun die Untersuchung über den Absturz von Flug MH17 in Den Haag fortgesetzt werde. Die letzte Meldung gab es am 28. Juli. Da hieß es, die Flugschreiber könnten ausgewertet werden, was in Großbritannien erfolgte. Man werde den Inhalt nur in Zusammenhang mit anderen Untersuchungsergebnissen bekannt geben. Ein Grund dafür wurde nicht genannt.

Ein internationales Team von 25 Experten hätte, so heißt es jetzt, an der Absturzstelle so viele Beweisstücke wie möglich gesammelt. Es sei "nicht notwendig" gewesen, in der Ukraine länger zu bleiben, um die Informationen zu analysieren und einen Bericht über die "vorläufigen Ergebnisse" zu schreiben. Daher sei das Team zurück nach Den Haag gereist.

Später heißt es dann doch, dass nur einige Experten kurz nach dem Absturz zur Unglücksstelle gelangt sind. Seit der OVV die Untersuchung übernommen habe, habe es wegen der verschlechterten Sicherheitssituation keine Gelegenheit mehr gegeben, die Absturzstelle zu besuchen. Auf Entscheidung der niederländischen Regierung sei man dann abgereist. Allerdings hatten nach OSZE-Berichten niederländische und australische Experten die Absturzstelle an mehreren Tagen nacheinander Anfang August besucht.

Der niederländische Regierungschef Mark Rutte hatte am 6. August noch gesagt, dass die Untersuchungsarbeiten aufgrund der mangelnden Sicherheit abgebrochen werden. Es sei für die Experten "zu gefährlich", man wolle aber zurückkehren.

Der ukrainische Poroschenko hatte zwar zunächst einen Waffenstillstand für einen 40 km Radius um die Absturzstelle versprochen, dann rückten die ukrainischen Streitkräfte aber doch vor, um die Orte in der Umgebung und die Absturzstelle von Separatisten zu "säubern", weswegen in unmittelbarer Umgebung gekämpft wurde. Erst am 31. Juli beendete Poroschenko kurz die Angriffe, nachdem dies die Vereinten Nationen verlangt hatten (Wer verhindert die Untersuchung der Absturzstelle von MH17?). Rutte sagte auch, dass bis zu 800 Menschen aus der Umgebung dem Team geholfen und bei der Untersuchung eine wichtige Rolle gespielt hätten.

Der OVV gibt jedenfalls zu erkennen, dass trotzdem genügend Hinweise für eine Untersuchung, zumindest eine vorläufige, gesammelt werden konnten. Ebenfalls am 6. August hatte der OVV erklärt, den von der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation ICAO binnen eines Monats geforderten Bericht nicht rechtzeitig vorlegen zu können. Als Grund wurde genannt, dass nicht genügend Erkenntnisse gesammelt werden konnten.

Am Montag hieß es, dass es noch ein paar Wochen dauern werde, bis der Bericht veröffentlicht wird. Man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dass hier auf Zeit gespielt wird, um möglicherweise mit einer Veröffentlichung nicht in den Krieg einzugreifen. Wollte man spekulieren, dann dürfte dies nicht zugunsten Russlands oder der Separatisten geschehen. Aber der OVV hüllt sich in Schweigen und kündigt nur an, dass der Bericht "die ersten faktischen Erkenntnisse" aufgrund mehrerer Quellen wie dem Voice Recorder im Cockpit, den Flugdatenschreibern, den Daten der Flugsicherung und Radar- und Satellitenbildern enthält. Die Daten würden gerade abgeglichen. Unklar sei, ob man wegen der veränderten Sicherheitslage die Daten noch mit weiteren Erkenntnissen vor Ort ergänzen könne.

Im Zusammenhang mit der Untersuchung werde auch geprüft, aufgrund welcher Entscheidungsprozesse die Flugrouten ausgewählt wurden und die Sicherheitsbewertung über der Ostukraine erfolgt ist. In Frage stehe auch, warum die vollständige Passagierliste von MH17 nicht sofort vorhanden war. Aber man macht schon einmal klar, dass der OVV keine Aussagen darüber machen wird, wer verantwortlich für den Abschuss ist. Das sei "kein Teil dieser Untersuchung".

Kritik kommt mittlerweile auch von dem ehemaligen republikanischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses Ron Paul. Der libertäre Politiker ist ein Außenseiter in den USA, er hat beispielsweise den Irak-Krieg abgelehnt, tritt außenpolitisch für eine nicht interventionistische Politik ein und lehnt die staatliche Überwachung ab. Paul also, der seit 2013 kein Abgeordneter mehr ist, übt Kritik an der US-Regierung, weil diese "seltsam ruhig" hinsichtlich der Beschuldigung geworden sei, dass Russland oder die Separatisten das Flugzeug abgeschossen hätten. Man habe bislang nur von den US-Geheimdiensten erfahren, dass es keine Beweise für eine Beteiligung von Russland gebe, trotzdem wurde ein erfolgreicher Propagandafeldzug geführt, "der die amerikanische Öffentlichkeit überzeugte, dass alles die Schuld Russlands ist".

Es sei aber schwer vorstellbar, dass die USA mit all ihren Spionagesatelliten "zur Ausspähung von allem in der Ukraine" keinen Beweis dafür hätten, wer was gemacht hat:

Wenn Beweise den Anschuldigungen unserer Regierung widersprechen, wird diese der Öffentlichkeit niemals offenbart, natürlich aus Gründen der nationalen Sicherheit. Einige unabhängige Quellen behaupten, dass auf der Absturzstelle Beweise zu finden sind, dass die Schusslöcher von einem Kampfflugzeug stammten. Wenn das zutrifft, würde dies auf die Westurkaine hinweisen.

Ron Paul

Paul beklagt sich, dass man sich nicht auf die Regierung verlasse könne, "uns die Wahrheit zu sagen und die Beweise zu zeigen". Er sei überzeugt, dass sie sehr viel mehr weiß, als sie sagt. Dieser Verdacht zwingt sich auf, zumal man bei Beschuldigungen der gegnerischen Seite schnell bei der Hand ist. Aber lieber lassen die US-Regierung und, wie es scheint, auch die niederländische Regierung die Öffentlichkeit im Dunklen und provozieren damit Spekulationen, als sie zu informieren. Dass dann die Vermutung aufkommt, dass etwas verborgen werden will, sollte nicht verwundern.