Russischer Hilfskonvoi fährt ohne Eskorte des Roten Kreuzes in die Ukraine

Das Komitee berichtet, die kämpfenden Parteien hätten keine ausreichenden Sicherheitsgarantien gegeben. Kommt es nun zur Konfrontation?

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Wie schon voraussehbar gibt es weiter Probleme mit dem russischen Hilfskonvoi. Zwar waren die ersten 34 Lastwagen vom Roten Kreuz und vom ukrainischen Zoll überprüft und freigegeben worden und sollten heute über die Grenze in die Ukraine auf einer von der ukrainischen Regierung festgelegten Route in das 80 km entfernte Lugansk fahren.

Die ersten Lastwagen sind über die Grenze gefahren, nach dem Chef des ukrainischen Geheimdienstes eine "direkte Invasion". Bild: RT-Video

Das ICRC berichtet jedoch, dass man von den kämpfenden Parteien, also offenbar nicht nur von einer Seite, keine ausreichenden Sicherheitsgarantien erhalten habe. Nun ist der Konvoi in die Ukraine ohne Begleitung des Roten Kreuzes gefahren. Für das ICRC scheint im Vordergrund zu stehen, dass die Kämpfe in Lugansk mit großer Härte geführt werden und die Lage für die Mitarbeiter dort zu gefährlich ist, wenn kein Waffenstillstand vereinbart ist.

Gestern ließ das russische Außenministerium nach der Einigung mit der Ukraine und dem ICRC verlauten:

Das Wichtigste ist jetzt, sicherzustellen, dass es auf der Fahrtroute der LKW-Kolonne bis zum Bestimmungsort zu keinen Störfällen kommt. Russland bestätigt die feste Garantie für die Sicherheit der durchzuführenden Aktion. Analoge Garantien wurden bekanntlich auch von den ukrainischen Behörden und den Volksmilizen abgegeben. Wir warnen vor möglichen Provokationen mit dem Ziel, die Lieferung der Hilfe zum Scheitern zu bringen. Wir appellieren an die Konfliktparteien, für die Zeit der Durchführung dieser Aktion einen Waffenstillstand auszurufen, und schlagen dem UNO-Sicherheitsrat vor, eine entsprechende Erklärung zu verabschieden. Wir erwarten die Unterstützung aller Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft bei den weiteren Bemühungen zur Linderung der humanitären Lage in den Südostgebieten der Ukraine.

Ein Mitarbeiter der ukrainischen Regierung sagte heute gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax, der Konvoi sei ohne Erlaubnis der Regierung zum Grenzposten Izvaryne losgefahren, der nicht von ukrainischen Sicherheitskräften kontrolliert wird. Nach Zeugen, so berichten ukrainische Medien, werde der Konvoi von Fahrzeugen mit Separatisten begleitet. Nach dem ukrainischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat (NSDC) hätte die Ukraine um Gespräche zwischen den Verteidigungsministerien gebeten, was Russland abgewiesen habe. Der NSDC spricht nun davon, dass weitere 90 Lastwagen, die nicht vom ukrainischen Zoll und vom Roten Kreuz geprüft wurden, Richtung Grenze rollen, während die ukrainische Grenzschutzbehörde erklärt, ihre Mitarbeiter seien von weiteren Kontrollen durch die Russen ausgeschlossen worden. So würden die nächsten Lastwagen also von der Ukraine nicht geprüft in die Ukraine fahren. Nach Medienberichten sind mittlerweile schon 130 Lastwagen über die Grenze gefahren.

Das russische Außenministerium erklärte nach Russia Today, die Entschuldigungen für Verzögerungen hätten sich erschöpft. Lapidar heißt es: "Unser Konvoi mit humanitärer Hilfe hat sich Richtung Lugansk in Bewegung versetzt. Wir sind natürlich einverstanden, dass er von Mitarbeitern des Roten Kreuzes begleitet wird und dass sie an der Verteilung der Hilfe beteiligt sind."

Man darf davon ausgehen, dass Kiew den Start des Konvois möglichst lange zu verhindern oder hinauszuziehen versuchte. Da die ukrainischen Streitkräfte derzeit gegenüber den Separatisten trotz großer Verluste erfolgreich zu sein scheinen, würde der weitere Vormarsch gefährdet, da eine Einstellung der Kämpfe notwendig wäre. Das würde den Separatisten zugute kommen, zudem wäre die russische Hilfslieferung natürlich auch eine Propaganda für die prorussischen Separatisten.

Offenbar war Moskau nun des Wartens müde, riskiert aber nun eine direkte Konfrontation, wenn es zu einem Zwischenfall kommen sollte. Möglicherweise will man eine Konfrontation auch provozieren, um doch "Friedenstruppen" zu schicken, die für einen Waffenstillstand sorgen sollen. Eine Provokation ist die Aktion alleine schon deshalb, weil morgen die Bundeskanzlerin Kiew besucht, am Sonntag in der Ukraine der Unabhängigkeitstag gefeiert wird und am Dienstag womöglich Putin und Poroschenko in Minsk aufeinander treffen. Wollte man da Fakten schaffen?

Russische Medien berichten, die Separatisten, genannt "Volkswehr", hätten auf dem Weg des Konvois Posten zur Sicherung aufgestellt. Ein Sprecher der "Volksrepublik Donezk" habe gesagt, so solle "eine ungehinderte Fahrt der Kolonne mit Hilfsgütern gesichert werden". Er verwies darauf, dass ukraininsche Streitkräfte weiter Lugansk und das Dorf Nowosjolowka, das auf dem Weg des Konvois liegt, mit Artillerie beschießen: "Das ist ein direkter Verstoß gegen alle Vereinbarungen zur Gewährleistung der Sicherheit der Bewegung des Hilfskonvois." So schaffen beide Seiten die Fakten, die einen militärischen Konflikt befürchten lassen. Der ukrainische Chef des Geheimdienstes SBU sprach bereits von einer "direkten Invasion", während Andrej Lysenko, der NSDC-Sprecher erklärte: "Die Verantwortung für eine sichere Fahrt der russischen Kolonne durch das Territorium, das von den ukrainischen Streitkräften vorübergehend nicht kontrolliert wird, liegt allein bei der Russischen Föderation." Nach dem ukrainischen Außenministerim hat Russland das Völkerrecht verletzt. Von ukrainischer Seite wird gewarnt, dass angeblich Separatisten den Weg unter Beschuss nehmen würde, auf dem der Konvoi fährt.