Ukraine: Streit über Vorwürfe einer "russischen Invasion"

Ausschnitt aus dem Satelliten-Bild

UN-Sicherheitsrat tritt zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen

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Erwartungsgemäß schaukelt sich der Streit über die Art der Unterstützung der "neurussischen Streitkräfte" von der anderen Seite der ukrainisch-russischen Grenze auf. Heute Abend gegen 18 Uhr soll der UN-Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammentreten, berichtet der österreichische Standard.

Die Kiewer Führung, namentlich Präsident Poroschenko und Premierminister Arsenij Jazenjuk, hatte dies gefordert. Aus der Sicht der Regierung, die ein großes Legimitätsproblem hat und, was die östlichen Regionen der Ukraine betrifft, einen "Kampf gegen Terroristen" ausgerufen hat, unter dem Tausende von Zivilisten leiden, stellt sich die Lage sehr einfach dar: In der Ukraine sei es zu einem "Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine" gekommen, verlautbarte Poroschenko.

Als offizieller Vertreter der russischen Föderation meldete sich der Vizechef des Verteidigungsausschusses des russischen Föderationsrats, Jewgeni Serebrennikow, zu Wort und bezeichnete die Vorwürfe als Lüge: In der Ukraine gebe es keine russischen Streitkräfte.

Der Vertreter der Donezker Volksrepublik, Alexander Sachartschenko, hatte einem Fernsehsender gegenüber von einer "blutsbrüderlichen Hilfe" gesprochen; Freiwilligen aus Russland, viele Ex-Militärs, "viele Militärs aus Russland, die es vorziehen, ihren Urlaub nicht auf dem Meeresstrand, sondern Schulter an Schulter mit ihren Brüdern zu verbringen, die um die Freiheit vom Donbass kämpfen."

Russische Truppen gebe es in "Neurussland" nicht, stellte ein Stabssprecher der Volkswehr am Donnerstag gegenüber RIA Novosti klar. Dort wird auch noch einmal die Stellungnahme von Sachartschenko aufgenommen. Demzufolge ist der Vorwurf der Invasion nur ein Ablenkungsmanöver von den schweren Verlusten der ukrainischen Armee bei Kämpfen mit Streitkräften der "Volkswehr".

Von der Nato kommen scharfe Anschuldigungen: "Das ist eine Invasionsarmee", wird ein ungenannter Nato-Soldat zitiert (14 Uhr 53). "Mehr als tausend Soldaten" werden in diesem Zusammenhang erwähnt. CNN berichtet von der gleichen Zahl, von 1.000 russischen Soldaten, die mit schweren Waffen in die südliche Ukraine einmarschiert und in heftige Kämpfe verwickelt bseien. Als Quelle führt man dort einen US-Regierungsbeamten an und Geheimdienstwissen.

Dazu gibt es auch in diesem Fall die berüchtigten Satelliten-Bilder, zu sehen etwa auf Unian.net.

Ausschnitt aus dem Satelliten-Bild

Ob dort russische Artillerie und Militärkolonnen tatsächlich gegenwärtig jenseits der russischen Grenze auf ukrainischem Boden operieren, wie dies nahegelegt wird, lässt sich nicht beweisen - ebensowenig wie die Behauptung, die an dieser Stelle durch die Überschrift des vorhergehenden Artikels suggeriert wurde (vgl. Krieg im Osten der Ukraine: Wende mit russischen Panzern), nämlich, dass die Panzer der bewaffneten Gegner der Kiewer Regierung russische "Solidaritätslieferungen an die Blutsbrüder" sind oder Beutestücke aus Kämpfen mit der ukrainischen Armee.

Auffallend ist, dass sich die militärische Situation im Osten der Ukraine geändert hat. Die Hilfe von jenseits der Grenze, die von Vertretern der Separatisten nicht prinzipiell abgestritten wird, dürfte dabei eine Rolle spielen; auch wenn Beobachter demgegenüber einwenden, dass die ukrainischen Truppen desolat agieren. Deutlich wird auch, dass es der ukrainischen Regierung und ihren Truppen nicht gelingt, die Grenzübergänge zwischen der Ukraine und Russland abzusichern.

Auffallend ist, dass in der Berichterstattung hierzulande wenig darüber berichtet wird, welche Opfer unter der Zivilbevölkerung im Osten der Ukraine das Vorgehen der "desolaten ukrainische Armee" und ihrer paramilitärischen Helfer anrichtet (siehe dazu hier). Diese Seite der Wirklichkeit wird heruntergespielt und vernachlässigt - ist aber wichtig, wenn es um den nächsten Hilfskonvoi aus Russland geht.

Und zuletzt ist auffallend, dass bis Donnerstagnachmittag außer dem französischem Präsidenten Hollande sich noch kein Spitzenpolitiker aus dem Westen zum Thema "Invasion" geäußert hat. Hollande sprach im Konjunktiv: "Ein Einsatz russischer Soldaten in der Ukraine wäre (i.O. serait) inakzeptabel".

Laut vernehmbar sind bislang nur die Stimmen aus der zweiten Reihe, die von Europa verlangen, dass mit Sanktionen auf die Eskalation reagiert werde, wie z.B. in Deutschland Norbert Röttgen.