Ukraine und die russischen Atomwaffen

Die Situation in der Ostukraine spitzt sich zu; ein ukrainischer Rüstungskonzern, der die Zugangscodes zu den meisten russischen Atomwaffen haben soll, hat angeblich ein Ultimatum an Moskau gestellt

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Der Krieg in der Ukraine spitzt sich zu, zumal wohl russische Truppen oder zumindest russische Soldaten in ihrer Freizeit den Separatisten zu helfen scheinen, die in den letzten Tagen an Stärke gewonnen haben. Thomas Greminger, ständiger Vertreter der Schweiz bei der OSZE, hatte am Freitag gegenüber dem Deutschlandradio erklärt, dass man in großer Sorge angesichts der Situation in der Ukraine sei. Auf der Dringlichkeitssitzung des Ständigen Rats der OSZE am Donnerstag seien die Meinungen über die Informationen aus der Ukraine "weit auseinander gegangen", man habe aber "im Moment keine Belege" dafür, "ob reguläre russische Truppen eingegriffen haben". Allerdings gebe es wohl viele russische Freiwillige, wahrscheinlich sei ein Nachschub an Waffen und Munition.

Topol-M. Bild: Vitaly V. Kuzmin/CC-BY-SA-3.0

Putin begrüßte jedenfalls die Erfolge, forderte aber die Separatisten auf, die südlich von Donezk eingekesselten ukrainischen Streitkräfte durch einen "humanitären Korridor" entkommen zu lassen. Kiew erklärte, die Soldaten würden den Separatisten nicht vertrauen. Man werde die Waffen nicht niederlegen und bis zum Ende kämpfen, erklärte der Sprecher des ukrainischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats. Angeblich sollen mittlerweile 45.000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert sein.

Wenn eine Information, auf die Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group (EWG) und ehemaliger Abgeordneter der Grünen im Bundestag, gestoßen ist, stimmen sollte, dann könnte es wirklich gefährlich werden. Zwar ist die Ukraine von Russland wegen der Energie abhängig, aber das russische Militär ist eng mit Rüstungskonzernen der Ukraine verbunden. Das scheint man nun in der Ukraine ausspielen zu wollen.

So hat der Konzern Piwdenmasch, dessen Zentrale in Dnipropetrowsk liegt, Moskau ein fünftägiges Ultimatum gesetzt, wie ukrainische Medien berichten. Moskau solle innerhalb von fünf Tagen alle russischen Söldner abziehen und die Städte freigeben, so wird berichtet. Ansonsten werde man die Zugangscodes für die russischen Atomwaffen an die Nato und die USA übergeben. Der Konzern sei im Besitz von 85 Prozent der Zugangscodes.

Zwar hat Moskau darauf nicht reagiert, aber womöglich könnte die Zuspitzung des Konflikts auch damit zusammenhängen. Aus der Meldung geht allerdings auch nicht hervor, wann das angebliche Ultimatum abläuft.

Der Konzern stellt neben Windkraftanlagen, Bussen oder Traktoren Raketen, Raketentriebwerke und Satelliten her. Zur Zeit der Sowjetunion wurde hier mit der R-5 die erste Atomrakete gebaut, es folgten viele weitere Raketentypen bis hin zu den Interkontinentalraketen. In den 1980er Jahren wurden hier auch wichtige Teile von Topol-M, der mobilen russischen Interkontinentalrakete, hergestellt. Insofern ist durchaus möglich, dass der Konzern über die Zugangscodes verfügt.

Interessanterweise hatte Leonid Kutschma lange den Konzern als Direktor geleitet, bis er 1990 Abgeordneter, 1992 Ministerpräsident und 1994 Präsident der Ukraine wurde und das Amt bis 2004 innehatte. Kutschma ist eher prorussisch und war mit Janukowitsch verbunden. Der ukrainische Präsident Poroschenko, unter Janukowitsch Außenminister, hatte Kutschma im Juni dazu beauftragt, mit den Separatisten über den Waffenstillstand im Rahmen der trilateralen Verhandlungen zu vereinbaren, was von den nationalistischen Kräften in Kiew nicht gutgeheißen wurde.

Fell fügt der Meldung über das Ultimatum hinzu, dass am Mittwoch die Leiterin der Staatlichen Privatisierungsgesellschaft, Valentia Semenvyuk-Samsonenko, in ihrem Haus erschossen aufgefunden wurde. Allerdings geht man offensichtlich von Selbstmord aus, auch wenn Mord nicht ausgeschlossen wird. Sie sollte laut Fell auch den Konzern Pivdenmasch privatisieren, das lässt sich allerdings nicht wirklich bestätigen.

Zweifellos wäre aber nicht voraussehbar, wie Russland reagieren würde, wenn der Westen auf die Codes der meisten Atomraketen zugreifen könnte (Ukraine-Krise: Vorbereitung auf den Ernstfall). Man wird sich daran erinnern, dass sich der Konflikt zwischen Russland und dem Westen, vor allem den USA, dadurch vertieft hatte, dass die USA ihren Raketenabwehrschild an der Grenze zu Russland in osteuropäischen Ländern, zuerst in Polen und in der Tschechischen Republik, stationieren wollten.

Angeblich sollte das Raketenabwehrsystem nicht gegen Russland gerichtet sein, sondern vor nordkoreanischen oder iranischen Raketen schützen (Danaer-Geschenk?). In Russland herrschte darüber - berechtigterweise - Misstrauen (Vor neuer Rüstungsspirale in Europa?), man reagierte entsprechend (Neue russische Raketen gegen US-Raketenabwehrsystem). Der Konflikt mit Russland über die Ukraine dient auch dazu, Forderungen nach einer schnelleren Installation des Raketenabwehrsystems zu begründen (Die Inszenierung des Ukraine-Konflikts durch die USA), womit das Gleichgewicht des Schreckens ausgehebelt werden könnte.