Israelische Behörde reklamiert neues Land für Siedler

Aufgrund eines Kabinettsbeschlusses soll Territorium in der Westbank zum Staatsland erklärt werden. Die USA und Russland fordern die Regierung Netanjahu auf, die Entscheidung zurückzunehmen

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Israelische Behörden kündigten am Wochenende die Übernahme von vier Quadratkilometern Land jenseits der "Grünen Linie" im Westjordanland an - in der Nähe von Bethlehem und einer israelischen Siedlung an. Laut der israelischen Organisation Peace Now, die solche Vorhaben genau beobachtet, handelt es bei der Erklärung des palästinensischen Territoriums als "Staatsland" um eine Konfiszierungsmethode. Im vorliegenden Fall sei die Erklärung nach bisherigem Stand seit den 1980er Jahren ohne Vorläufer, was die Größe des konfiszierten Landes anbelangt.

Die USA wie auch Russland kritisierten die Entscheidung, die auf einen Beschluss des Kabinetts Netanjahu zurückgeht. Ein Vertreter des US-Außenministeriums wird damit zitiert, dass die Maßnahme "kontraproduktiv" gegenüber Bemühungen um den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern, insbesondere gegenüber der Zwei-Staaten-Lösung sei.

Die israelische Regierung solle die Entscheidung rückgängig machen, fordert das US-State-Department. Auch das russische Außenministerium fordert von den israelischen Behörden eine Rücknahme der Pläne, um "eine weitere Eskalation der Spannungen zu verhindern". Kritik kommt auch aus der israelischen Regierung, von Justizministerin Zipi Livni, die damit zitiert wird, dass sie den Zeitpunkt für die Ankündigung als "unangemessen" bezeichnete.

Bemerkenswert ist die Begründung, welche die israelische Zeitung Ha'aretz für die Entscheidung des Kabinetts zur Netanjahu zur Landnahme berichtet: Sie erfolge als Reaktion auf die Entführung und Ermordung der drei jüdischen Teenager im vergangenen Juni (Israel: Netanjahus Koalitionspartner fordern Einmarsch in Gaza).

Peace Now, auf deren Webseite die beabsichtigte Konfiszierung des 4 km2 großen Landes im im Kontext bereits bestehender Siedlungen genauer dargestellt wird (eine erklärende Karte gibt es auch hier), begreift die Erklärung des Kabinetts als "Beweis dafür, dass Premierminister Netanjahu keinen neuen "diplomatischen Horizont" anstrebt, sondern weiterhin Hindernisse für die Zwei-Staaten-Lösung errichtet und die Ein-Staaten-Lösung weiter vorantreibt. Der Premierminister und Verteidigungsminister Yalon seien dirket für diese Erklärung verantwortlich.

Palästineservertreter zeigten sich der Zeitung Ha'aretz gegenüber als nicht überrascht von der Kabinettsentscheidung. Diese Regierung habe schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie keine Absicht habe, den Friedensprozess weiterzuführen. Die palästinensische Autoritätsbehörde beabsichtigt nun, sich damit an die UN und die EU zu wenden.

Es wäre keine große Überraschung, wenn Netanjahu in den folgenden Tagen die Entscheidung widerruft. Seine innenpolitische Position hat sich nach dem Gazakrieg nicht gefestigt. Die Ankündigung der Landnahme könnte auch dazu gedient haben, die Siedler und das dazugehörige politische Lager von der Loyalität Netanjahus zu überzeugen.

Die erfreute Reaktion des Vorsitzenden der Kommunalverwaltung der Siedlung Gusch Etzion, die sich in der Nähe des anvisierten Landes befindet, wäre ein Hinweis darauf. Wenn Netanjahu das Projekt dann auf außenpolitischen Druck hin, vorrangig aus den USA, bis auf Weiteres aufschiebt, so hat er doch zuvor erneut seinen politischen Standpunkt klargemacht.