Ausstieg aus der Braunkohle jetzt!

Kraftwerk Buschhaus; Foto: Brunswyk/CC BY-SA 3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Verfehlen der Klimaziele, rostenden Atommüllfässern und Offshore-Fracking

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Deutschland wird das vereinbarte Klimaziel bis 2020 höchstwahrscheinlich nicht erreichen, da können auch energieeffizientere Staubsauger nichts mehr dran ändern. Um 40 % soll der CO2-Ausstoß eigentlich gesenkt werden, doch nach Berechnungen aus dem Bundesumweltministerium wird das Ziel um 7 % oder 85 Millionen Tonnen CO2 verfehlt. Dem Energieexperten Joachim Nitsch zufolge wird Deutschland das Ziel sogar um 11 % verfehlen, nicht zuletzt wegen der Drosselung des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Bislang ist lediglich eine Minderung von 23,8 % gegenüber 1990 erreicht. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist daher zumindest im Kleinen bemüht, das Image der deutschen Klimapolitik zu retten, wie die tagesschau berichtet. Sie besucht klimafreundliche Kläranlagen und Kuhställe, die sicherlich ihren Beitrag leisten können, aber insgesamt niemals die fehlenden 85 Millionen Tonnen ausmachen werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat da eine rechnerisch sehr viel einfachere Lösung: Die 24 ältesten Braunkohlekraftwerksblöcke stoßen insgesamt 88 Millionen Tonnen CO2 aus. Sie müssten bis 2020 qua Bundesgesetz stillgelegt werden und dem Klimaziel wäre ein entscheidendes Stück näher gekommen. So einfach ist die Rechnung natürlich auch nicht, schließlich müsste ein Teil der Kapazitäten auch wieder durch andere Kraftwerke ersetzt werden.

Momentan erzeugen Braunkohlekraftwerke 25% des Stroms im deutschen Mix, sind aber für 50 % der CO2-Emissionen aus Kraftwerken verantwortlich. Da Braunkohlestrom aus alten, abgeschriebenen Blöcken am billigsten produziert werden kann, ergibt sich laut BUND-Vorsitzendem Hubert Weiger derzeit eine absurde Situation:

Die ältesten Braunkohlekraftwerke laufen im Hochbetrieb, während modernste Gaskraftwerke stillgelegt werden oder werden sollen.

Die alten Braunkohlemeiler müssen erst vom Netz genommen werden, damit effizientere Gaskraftwerke überhaupt eine Chance am Markt haben.

Ein Braunkohleausstiegsgesetz?

Der BUND hat der Bundesregierung daher den Entwurf zu einem Braunkohleausstiegsgesetz unterbreitet. Demnach sollen die Betriebszeiten der Braunkohlekraftwerke auf 35 Jahren beschränkt werden und in der Folge bis 2020 sukzessive 24 Kraftwerksblöcke an 7 Standorten abgeschaltet werden.

Die Standorte Weisweiler und Frimmersdorf in Nordrhein-Westfalen sowie Buschhaus in Niedersachsen würden nach dem BUND-Plan komplett geschlossen. Der Braunkohleausstieg muss nach Ansicht von BUND-Energieexpertin Daniela Setton jedoch weitergehen.

Mit der Herausnahme bis 2020 ist es nicht getan. Auch danach müssen Kraftwerke vom Netz gehen und zwar nach weniger als 35 Jahren.

Der BUND schlägt vor, hierzu eine Ausstiegskommission ins Leben zu rufen. Der Verband geht davon aus, dass ein Ausstiegsgesetz verfassungskonform wäre, da die Braunkohlekraftwerke in der Regel nach 20 Jahren abgeschrieben seien. Der Eingriff ins Eigentum ließe sich durch die höherwertigen Güter Klima-, Umwelt-, Natur- und Gesundheitsschutz rechtfertigen.

Besonders betroffen von einem Braunkohleausstiegsgesetz wäre das Kohlefossil RWE, in dessen Stammland Nordrhein-Westfalen besonders viele veraltete Blöcke in Betrieb sind. Aber auch Vattenfall müsste in größerem Umfang Kraftwerke stilllegen. Von den jeweiligen Bundesländern wäre wohl kaum Unterstützung für einen Braunkohleausstieg zu erwarten.

Auch EU-Energiekommissar Günther Öttinger sprach sich beim Lausitz-Dialog für die Nutzung des fossilen Energieträgers bis mindestens 2050 aus. Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie und Energie, Michael Vassiliadis, hielt einen gleichzeitigen Ausstieg aus Atomenergie und Braunkohle auch unter Aspekten der Versorgungssicherheit für unmöglich. Dabei hat das Fraunhofer IWES gerade erst errechnet, dass eine sichere Energieversorgung auch zu 100 % aus erneuerbaren Quellen möglich wäre, wie bereits in der Wochenschau berichtet.

Spitze des Eisbergs oder einmalige Schlamperei?

Nicht nur im abgesoffenen Atommülllager Asse verrosten Fässer mit strahlendem Müll, sondern auch an den Kraftwerksstandorten. Das lässt zumindest der Fund von 28 schadhaften Lagerbehältern am stillgelegten Kraftwerk Brunsbüttel vermuten. Von insgesamt 631 unterirdisch aufbewahrten Fässern sind bislang 131 untersucht worden. Es ist daher anzunehmen, dass an weiteren der zum Teil seit 1983 eingelagerten Behälter der Zahn der Zeit genagt hat.

Der Nuklearexperte Michael Sailer vom Öko-Institut sprach Befürchtungen aus, dass es an anderen AKW-Standorten ähnlich aussehen könnte:

Wir kennen jetzt die Spitze des Eisbergs, wissen aber nicht genau, wie groß der wirklich ist.

Die Kraftwerksbetreiber, in Brunsbüttel ist das Vattenfall, sind eigentlich zur regelmäßigen visuellen Inspektion der Fässer verpflichtet. Die Atommüllfässer in Brunsbüttel sollen einmal in den Schacht Konrad verbracht werden, der aber nach jüngsten Angaben nicht vor 2022 als Endlagerstandort zur Verfügung stehen wird. Der Atommüll aus den Fässern muss daher geborgen und in strahlungssichere Container umgefüllt werden, nur weiß bislang niemand wie.

Die Fässer mit schwach- bis mittelradioaktivem Müll geben nur einen Ausblick darauf, dass auch der hochradioaktive Müll noch jahrzehntelang als ungelöstes Problem an den Kraftwerksstandorten herumstehen wird. Zum 1. September hat zumindest das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung seine Arbeit aufgenommen.

"Zu den Verwaltungsaufgaben des Amtes gehört zunächst, die Refinanzierung des Standortauswahlverfahrens einschließlich der Kosten für die gesetzlich vorgesehene Offenhaltung des Bergwerks Gorleben zu gewährleisten", heißt es beim Bundesumweltministerium zu den Aufgaben des neuen Amtes.

Das bedeutet, das Bundesamt wird zukünftig dafür verantwortlich sein, die Kosten für die Atommülllagerung von den Erzeugern einzutreiben - sofern die Rücklagen der Kraftwerksbetreiber, die ja nicht als Geldwert vorhanden sind, sondern in andere Geschäfte investiert worden sind, dann noch liquide gemacht werden können.

Fracking-Vorhaben in der Tiefsee

US-Präsident Barack Obama scheint es nicht zu reichen, dass Teile der USA von Schiefergasförderbohrungen durchlöchert sind, in deren Umfeld ein unbekannter Cocktail von Frackingchemikalien in weitgehend unerforschter Weise auf Umwelt und Gesundheit einwirken.

Die Obama-Administration hat Ende August Gas- und Ölförderlizenzen für 175.561 Hektar im Golf von Mexiko versteigert. Insgesamt bietet sie 8,7 Millionen Hektar zur Versteigerung an. BP, verantwortlich für die Havarie der Bohrinsel Deepwater Horizon 2010 ebenfalls im Golf von Mexiko, soll den größten Teil der Lizenzen erworben haben.

Besonders besorgniserregend an den potenziellen neuen Fördergebieten ist, dass über die Hälfte in großen Meerestiefen von über 1.600 Metern liegt und dass die dichten Gesteinsschichten unterhalb des Meeresbodens erst über die Fracking-Technologie erschlossen werden müssen.

Karte der versteigerten Ölfelder; Abbildung: US Bureau of Ocean Energy Management

Lange Zeit galt die dortige geologische Formation des Alttertiärs oder Paläogens als nicht wirtschaftlich ausbeutbar. Nun sehen Anbieter von Ölfördertechnologien wie Halliburton, Baker Hughes Inc. und Superior Energy Services Inc. im Offshore-Fracking ein großes Zukunftsgeschäft.

Angeblich soll die aus den Frackingbohrungen zurückfließende Flüssigkeit dabei auf den Bohrplattformen aufgefangen und Öl- und andere Rückstände herausgefiltert werden, bevor das Abwasser in den Ozean eingeleitet wird, "wo es nach Angaben von Firmen und Regulierungsbehörden durch die Verdünnung harmlos wird". In Wirklichkeit sind die Auswirkungen auf das Meeresökosystem kaum vorauszusehen.

Wissenschaftler der Texas A&M University und Umweltschutzorganisationen fordern umfassende Umweltuntersuchungen. "Tiefsee-Fracking im Golf von Mexiko sollte sofort verboten werden, da die wahren Auswirkungen auf die marine Umwelt unbekannt sind", sagt Jonathan Henderson vom Gulf Restoration Network.

Eine volle Umweltverträglichkeitsprüfung ist rechtliche Voraussetzung für derart riskante Förderaktivitäten in der Tiefsee, aber die Industrie scheint diese als freiwillig zu betrachten.