NATO-Gipfel in Wales

Geplante neue Stützpunkte in Osteuropa könnten gegen ein Abkommen mit Russland verstoßen

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Heute und Morgen treffen sich Staats- und Regierungschefs der 28 NATO-Mitgliedsländer in der Golfanlage Celtic Manor im walisischen Casnewydd. Auf dem Gipfeltreffen soll es unter anderem um die Frage der Stationierung von Truppen an den Grenzen zu Russland gehen, die von den baltischen Staaten, Polen, Großbritannien, Kanada und den USA gewünscht wird. Frankreich, Italien und Spanien zeigen sich in dieser Frage eher skeptisch.

Der Readiness Action Plan über den die Politiker entscheiden, sieht in seiner Entwurfsfassung vor, dass in Litauen, Lettland, Estland, Polen und Rumänien fünf neue NATO-Stützpunkte für die insgesamt 60.000 Mann starke Schnelle Eingreiftruppe NRF aufgebaut werden. Sie sollen dafür sorgen, dass ein Angreifer stets Truppen aus mehreren NATO-Ländern gegenübersteht.

Weil der NATO-Russland-Vertrag von 1997 eine "dauerhafte Stationierung von substanziellen Streitkräften" in den betroffenen Ländern verbietet, sollen die Soldaten dort formal nicht "dauerhaft" stationiert werden, sondern "so lange wie nötig". NATO-Generalsekretär Rasmussen glaubt, dass die Maßnahmen durch diese Formulierung und durch eine zusätzliche Truppenrotation "mit dem Abkommen voll vereinbar" sind.

Wachstum der NATO von 1949 bis 2009. Grafik: Patrickneil. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Russland wird in dem Planentwurf explizit als "Bedrohung für die euroatlantische Sicherheit" bezeichnet. In Moskau glaubt man dagegen, dass die Gefahr von der NATO ausgeht: Hier verlautbarte Michail Popow, der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, man werde die russische Militärdoktrin in den nächsten Monaten so "aktualisieren", dass neue NATO-Truppen in Osteuropa als "Bedrohung" gelten.

Die zunehmende Frontstellung der beiden historischen Blöcke ist nicht nur insofern bemerkenswert, als es seit fast 25 Jahren nur noch bedingte ideologische Unterschiede zwischen ihnen gibt: Sowohl Russland als auch Europa, die USA, China und Indien haben durch das Erstarken des Salafismus im Nahen Osten, in Afrika, in Asien und in den eigenen Städten eigentlich ein echtes Problem, dass eine Zusammenarbeit sinnvoller und notwendiger machen würde als in der Vergangenheit.

Allerdings trugen die NATO-Staaten in den letzten zehn Jahren massiv dazu bei, dass dieses Problem größer wurde und dass Neobarbaren halbe Staaten übernehmen konnten: In Syrien, im Irak und in Libyen. Eine Aufarbeitung dieser - gemessen an den vorher erklärten Zielen - geradezu grotesken Misserfolge von Drohungen, Sanktionen und Militärinterventionen vermisst man bislang. Stattdessen wenden sich die NATO-Länder nun einem alten neuen Gegner zu. Einem Gegner aus einer Zeit, als die Welt noch übersichtlicher, erklärbarer und berechenbarer schien.

Aus der Innenpolitik und der Arbeitswelt kennt man dieses Phänomen schon länger: Will ein anstehendes Projekt - zum Beispiel ein Flughafen - einfach nichts werden und hat es den Anschein, als ob jedes Tun dazu die Lage nur noch verschlimmert, dann konzentriert man sich gerne auf etwas, das weniger wichtig ist, aber kontrollierbarer erscheint.

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