"Wir sind ja eine wohlhabende Nation"

Ex-Fleischmagnat Karl Ludwig Schweisfurth über Massentierhaltung und gesundes Essen

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Der Fleischkonsum in Deutschland hält sich auf hohem Niveau und macht doch einen Bewusstseinswandel durch: Einerseits werden zwar viele Billigfleischprodukte auf den Markt geworfen, andererseits aber wächst die Nachfrage nach hochwertigen Fleischerzeugnissen und veganen Lebensmitteln.

Karl Ludwig Schweisfurth ist ein Pionier für artgerechte und ökologische Tierhaltung. In den Achtziger Jahren verkaufte er den größten Fleischbetrieb Europas, um eine Stiftung für eine Kultur der Nachhaltigkeit zu gründen und gilt seitdem als einer ihrer Pioniere. Seinen Lebensweg beschreibt er in seinem Buch Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst ....

Herr Schweisfurth, wann sind Ihnen zum ersten mal Zweifel an dieser Art Fleischproduktion gekommen?

Karl Ludwig Schweisfurth: "Herta - wenn es um die Wurst geht": Mein Betrieb war der größte Fleischkonzern Europas. Um 1980 kamen meine ersten Zweifel auf, als ich mich zu wundern begann, wo denn eigentlich meine Tiere herkommen. Denn diese kamen in immer schlechter werdenden Zustand an und verhielten sich so, als ob sie körperlich und geistig gestört wären. Dann bin ich in das Oldenburger Land hinausgefahren und habe mir mehrere Betriebe angesehen, wo Eier produziert und Schweine und Hühner gemästet wurden. Vor allem bei einem Betrieb ist mir dann schlagartig bewusst geworden, dass wir vom rechten Weg abgekommen sind:

Tiere in einem engen Stall auf Spaltenböden, über ihren eigenen Fäkalien liegend und dazu ein betäubender Ammoniak-Gestank, dass die Augen tränten. Dabei sind Schweine sensible Tiere und reinliche Wesen, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. Das weiß ich noch wie heute.

Karl Ludwig Schweisfurth

Was kritisieren Sie weiter am industriell geführten Mastbetrieb?

Karl Ludwig Schweisfurth: Hinzu kommt, dass durch diese fürchterliche Enge Krankheiten auftreten, die mit Medikamenten bekämpft werden müssen. Die Tiere waren also vollgepumpt mit Medikamenten, weil sie sonst reihenweise krank würden und starben. Außerdem beißen sich die Tiere vor Langeweile die Schwänze ab, also werden die Schwänze prophylaktisch kupiert.

Es ist also in höchstem Maße ein Verstoß gegen ethische Grundsätze, denn immerhin haben wir einmal gelernt, dass Tiere unsere Mitgeschöpfe und empfindungsfähige Wesen sind. Es ist aber auch Dummheit, mit den Tieren so umzugehen, denn wir essen sie und Tiere, die so gelebt haben, könne keine lebensfördernde Nahrung liefern. Für diesen Schluss braucht es keine wissenschaftliche Gutachten, sondern nur ein bisschen Menschenverstand.

"Das System ist durch technische Effizienz und mangelnde Würde und Ethik moralisch heruntergekommen"

Wie grausam ist das industrielle Töten von Tieren?

Karl Ludwig Schweisfurth: Das Töten von Nutztieren ist mittlerweile eine riesige Maschinerie geworden. Die Tiere werden massenweise angekarrt und kommen dann in eine Tötungsmaschinerie, die heutzutage total automatisiert ist. Mit Hühnern und Schweinen wird am schlimmsten umgegangen. Die Tiere werden also nicht mehr eines nach dem anderen von einem Metzger getötet, sondern werden vergast. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Würde der Kreatur.

Dann stehen noch ein paar Menschen aus östlichen Ländern an Fließbändern und erledigen den Rest. Diese Leute sind dafür nicht ausgebildet worden und machen nur noch einen Handgriff. Das ist ein Verstoß gegen die Würde des Menschen. Das System ist durch technische Effizienz und mangelnde Würde und Ethik auf eine Weise moralisch heruntergekommen, dass ich mich passionierter Metzgermeister schäme und empört bin.

Jetzt führen Sie einen ökologischen Betrieb. Wie viel besser und wie viel teurer sind Ihre Produkte im Vergleich zu früher geworden?

Karl Ludwig Schweisfurth: (lacht) Wenn mir Leute sagen, dass mein Fleisch verdammt teuer ist, entgegne ich immer, dass dies der ehrliche Preis für echte Lebens-Mittel ist, was bekanntlich unsere wichtigste Medizin darstellt. Ich sage: Lieber halb soviel, aber dafür dreimal so gut. Die Preise sind in etwa dreimal so hoch.

Wir sind ja eine wohlhabende Nation, den meisten Menschen geht es wirtschaftlich gut, aber wir geben durchschnittlich nur noch zehn Prozent für unsere Lebens-Mittel aus, womit sich Geiz und Respektlosigkeit gegenüber Lebens-Mitteln ausdrückt. Man gibt also das Geld eher für andere Dinge aus, statt für die Grundbedürfnisse unseres Lebens. Das ist eine verkehrte Einstellung, aber dies ändert sich auch. Wir erleben gerade einen deutlichen Bewusstseinswandel.

Wie stark hat in den letzten 30 Jahren der Verzehr von Innereien abgenommen, was sind die Gründe hierfür und halten Sie diese für rational?

Karl Ludwig Schweisfurth: Als ich vor 60 Jahren meinen Metzgerberuf erlernt habe, bestand die Kunst eines Metzgers darin, alles vom Schnäutzchen bis zum Schwänzchen zu verwerten. Da wurden natürlich die Leber, das Herz, der Magen, alles, was essbar war, verwendet. Das zu essen haben die Leute aber verlernt oder sie sind sich zu fein dazu. Abgesehen davon gehört hier auch ein bisschen Kochkunst dazu, um aus Innereien eine köstliche Speise zu machen. Das verstehen die Leute heutzutage nicht mehr.

Ist der Verzehr von Innereien ungesund?

Karl Ludwig Schweisfurth: Nein. Diese Rede ist dummes Zeug. Aber natürlich setzt sich bei der intensiven Tierhaltung alles, was man dem Futter an Leistungsverbesserern und Medikamenten beimischt, zuerst in den Innereien der Tiere ab. Daran sind aber nicht die Innereien schuld, sondern die heutzutage üblichen Arten der Tierhaltung.

Wie sinnvoll ist das Reduzieren des Fleischkonsums individuell und gesellschaftlich?

Karl Ludwig Schweisfurth: Wenn wir es nicht schaffen, den Fleischkonsum deutlich zu senken, dann hat die Menschheit keine Chance, auf diesem Planeten zu überleben. Wenn wir hier die Kurve nicht kriegen, fressen wir Menschen und die Tiere, die wir dann fressen, die Erde in zwanzig Jahren kahl.

Können Sie eine Einschätzung abgeben, wie sich der Öko- und Massenbetrieb weiterentwickeln wird?

Nein, das kann ich nicht. Ich weiß nur, dass wir mit dem bisherig praktizierten agroindustriellen System an die Wand fahren werden, dass es nur so kracht.

Können Sie sich vorstellen, dass die allein auf den billigsten Preis und Profit ausgerichtete Weise des Wirtschaftens eines Tages an seine Grenzen kommen wird?

Karl Ludwig Schweisfurth: Davon bin ich fest überzeugt.

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