Ölpest im Golf von Mexiko: BP droht 18 Milliarden-Dollar-Strafe

"Rücksichtsloses, profitorientiertes, grob fahrlässiges Verhalten" - ein US-Richter entscheidet, dass BP die Hauptverantwortung für die Katastrophe trägt

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Für diejenigen, die sich für säuberlich abgrenzte Unterscheidungen interessieren, welche die juristische Sprache trifft, etwa wenn es darum geht, ob eine Bohrinsel als Schiff zu verstehen ist, und für ein detailliertes Aufzeigen technischer Abläufe beim Ölbohren weit draußen vor der Küste, ist die 153seitige Entscheidung des New Yorker Richters Carl J. Barbier vom U.S. District Court ein profunder, detektivischer Lesestoff. Für die Öffentlichkeit zählt der Schluss, der sich für Barbier daraus ergibt und BP nicht nur kräftig am Lack kratzt: Rücksichtslosigkeit wird dem Konzern vorgeworfen, Profitdenken, das sich nicht um Sicherheit kümmert. 11 Tote, Arbeiter auf der Bohrinsel, und eine gigantische Menge von auslaufendem Öl in den Golf von Mexiko waren die Folgen.

Es geht in Richter Barbiers Entscheidung um die Verantwortlichkeit für den Unfall auf der Bohrinsel "Deepwater Horizon" im April 2010, in dessen Folge sich eine Ölpest enormen Ausmaßes entwickelte: "Drei Monate lang spuckte die Macondo-Quelle laut offizieller Schätzung knapp 780 Millionen Liter Öl ins Meer"

Welche Schäden, die Katastrophe anrichtete (siehe Das Öl, die Interessen und das Meer) ist noch nicht geklärt, die Wissenschaftler machten sich sofort auf Spurensuche und deuteten auf Folgeschäden, die nicht schnell zu ermitteln seien (Ölpest im Golf von Mexiko: Die Katastrophe nach der Katastrophe). So kamen Ergebnisse erst peu à peu ans Tageslicht (vgl. Bekämpfung der Ölpest im Golf von Mexiko mit Corexit erhöhte die Toxizität drastisch), als die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit längst verblasst war.

Auch der Schaden, den Fischer und andere Geschäfte hatten, die an der Golfküste ansässig sind, z.B. in der Tourismusbranche, ist nicht schnell und leicht zu ermitteln. Er ist ein Teil des Klagekomplexes gegen BP, Halliburton und TransOcean (Profit hat Priorität), wobei eben auch die Frage zu klären ist, wer welche Verantwortung für den Unfall und die darauf folgende Katastrophe zu übernehmen hat.

Dies entschied nun Richter Barbier. Er entschied aus Gründen, die ausführlich im eingangs erwähnten Dokument erklärt werden, dass BP zu mehr als zwei Drittel (67 Prozent) die Hauptverantwortung trage, 30 Prozent der Verantwortung fallen auf Transocean, der damaligen Verleihfirma der Bohrinsel, und drei Prozent auf Halliburton, das für die Befestigung des Bohranlagen am Meeresgrund verantwortlich war. BP habe mehrfach grob fahrlässig Alarmsignale ignoriert, um Zeit und Geld zu sparen, so der Kern der richterlichen Entscheidung.

Der Urteilsspruch hat nun noch weitere Verfahren zur Folge, in denen ermittelt wird, wie groß die Summe sein soll, die BP als Strafe zahlen muss. Die New York Times schätzt, dass sie sich aufgrund der Vorgaben amerikanischer Gesetze (Clean Water Act) auf bis zu 18 Milliarden Dollar belaufen könnte.

Davon unabhängig hat BP laut Zeitung bereits 28 Milliarden Dollar für Kosten, die durch den Bohrinselunfall entstanden sind, bezahlt. Dabei habe man sich mit Klägern in einem Vergleich geeinigt, wird berichtet. Das aktuelle Urteil hat Auswirkungen auf noch anhängige Zivilklagen, so juristische Experten.

Allerdings ist es noch nicht rechtsgültig und die Anwälte von BP haben bereits Einspruch angekündigt. Zwar räume der Konzern seine Mitschuld ein, halte aber den Schluss des Richters, dass BP die Hauptverantwortung trage, für fehlerhaft und falsch. Dem juristischen Verfahren kommt auch angesichts der neuen Welle von Ölbohraktivitäten vor der Küste eine gewisse Aufmerksamkeit zu.