Beredtes Schweigen im Bonner Bombenlegerprozess

Die angeklagten Salafisten aus Nordrhein-Westfalen sagen dem Gericht lediglich "Allahu Akbar"

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Gestern begann im Hochsicherheitssaal des Düsseldorfer Oberlandesgerichts der Prozess gegen den 27-jährigen Bonner Salafisten Marco G. und dessen Gesinnungsgenossen Enea B., Koray D. und Tayfun S. Die vier Fanatiker werden beschuldigt, eine Terrorgruppe gegründet, einen Mordanschlag vorbereitet und im Bonner Hauptbahnhofs eine Sporttasche mit einer Rohrbombe platziert zu haben, damit sie dort eine möglichst große Zahl von Menschen tötet.

Dem mutmaßlichen Bombenbauer Marco G. droht deshalb lebenslange Haft wegen versuchten Mordes (§ 211 StGB) und versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 in Verbindung mit § 23 StGB). Seine mutmaßlichen Mittäter müssen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a StGB), Verabredung zum Mord und Verstößen gegen das Waffengesetz mit Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren rechnen.

Bislang schweigen die vier Angeklagten - bis auf zwei Ausnahmen: G. und B. kreischten beim Eintritt in den Gerichtssaal, in dem viele optisch als Salafisten erkennbare Zuschauer Platz genommen hatten, mit erhobenem Zeigefinger "Allahu Akbar".

Außerdem trugen sie betont lange zottige Bärte und schwarze Kopftücher, wie man sie in Deutschland vor allem aus den Enthauptungsvideos der Terrorgruppe "Islamischer Staat" kennt. Ihre Missachtung deutscher Gesetze zeigten drei der vier Angeklagten dadurch, dass sie beim Eintreten der Richter demonstrativ sitzen blieben. Den Befehl dazu gab mit einem Handzeichen der 44-jährige kosovo-albanische Elitepolizist Enea B., was darauf hindeutet, dass er der Kopf der Terrorgruppe ist. Sein Anwalt teilte dem Richter mit, der Kosovo-Albaner habe "kein Interesse daran, mit ihm zu kommunizieren."

Hauptgebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Foto: Karl-Heinz Meurer (Charlie1965nrw aus der deutschsprachigen Wikipedia). Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Dafür zeigte G.s Anwalt Mutlu Günal umso mehr Kommunikationsinteresse: Er behauptete, die am Bonner Hauptbahnhof platzierte Bombe sei lediglich eine "Attrappe" gewesen und hätte "niemals in die Luft gehen können", weil bei den Aufräumarbeiten kein Zünder gefunden wurde. Dem widerspricht die Bundesanwaltschaft, die anhand der Bauart des Sprengsatzes vermutet, dass dieser Zünder sehr klein war und bei der Entschärfung mit einem Roboter oder den Aufräumarbeiten verloren ging. Dass die Bombe nicht zündete, lag der Bundesanwaltschaft zufolge entweder an einem Konstruktionsfehler oder daran, dass die Zündvorrichtung instabil war und durch zufällige Tritte von Passanten funktionsunfähig wurde.

Mehr Klarheit herrscht über den von der Terrorgruppe geplanten Mordanschlag: Er galt dem Leverkusener Rechtsanwalt Markus Beisicht, der Vorsitzender der Partei Pro NRW ist, die im Landtagswahlkampf 2012 Mohammed-Karikaturen der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten verwendete. Den Ermittlungsbehörden zufolge hatten sich die vier Salafisten bereits Waffen und Schalldämpfer besorgt, mit denen insgesamt neun nordrhein-westfälische Islamkritiker ohne viel Lärm erschossen werden sollte. Außerdem "spähten [sie Beisichts] Wohnort […] aus und erkundeten mögliche Fluchtwege".

Dabei machten sie jedoch den Fehler, sich im Auto von Marco G. über den Mordplan zu unterhalten, in dem die Polizei eine Abhörvorrichtung installiert hatte. G. meinte während einer polizeilichen Vernehmung angesichts der ihm präsentierten Beweislage später:

Sie wissen doch schon alles. Sie haben unsere Gruppe abgehört, Telefon, Auto, alles. Wir handelten im Namen Allahs.

Wegen solcher Äußerungen bestellte das Gericht neben etwa 150 anderen Zeugen auch einen forensischen Gutachter, der G. auf dessen Geisteszustand untersuchen soll. Die Anwälte halten dies für einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit und haben deshalb Befangenheitsanträge gegen den kompletten 5. Strafsenat gestellt.

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