Poroschenko: Waffen statt Decken

EU-Parlament setzt auf weitere Sanktionen, beispielsweise auf Ausschluss von Russland von Swift, Polen will Russlands Vetorecht im Sicherheitsrat beschneiden

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Russland will wegen der "Eskalation in der Ukraine und der wachsenden ausländischen Militärpräsenz an der Grenze" die Krim, auf der bereits 20.000 Soldaten auf dem Marinestützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte stationiert sind, stärker militärisch schützen. Nach Verteidigungsminister Schoigu werde zusätzlich zu der vergrößerten Schwarzmeerflotte eine eigenständige Krimtruppe aufgebaut. Dazu soll zum Grenzschutz ein Artillerieregiment kommen, überdies sollen Langstreckenbomber stationiert werden.

Schoigu erklärte allerdings nicht, wo es eine wachsende ausländische Militärpräsenz an der Grenze zur Krim geben soll. Womöglich spielte er auf das Nato-Manöver Rapid Trident in der Westukraine oder auf die geplante Erhöhung von Nato-Truppen in den osteuropäischen und baltischen Ländern an.

Es könnte aber auch sein, dass dies eine Reaktion auf die Verlegung ukrainischer Streitkräfte ist, die sich ebenso wie die separatistischen Milizen, auf ein mögliches Ende des sowieso brüchigen Waffenstillstands einstellen. Die Aufrüstungspläne auf der Krim ließen russische Medien durch "Experten" bestätigen. Gleichzeitig meldet der National Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine, dass Russland angeblich 4000 Soldaten auf der Krim an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen habe.

Morgen wird es ein weiteres Treffen der Kontaktgruppe in Minsk geben. Bislang sind die einzelnen Punkte des Waffenstillstands nicht weiter verhandelt worden. In der Ukraine, aber auch im antirussischen oder proukrainischen Ausland wie Polen gibt es schwere Kritik an dem von Präsident Poroschenko durchgedrückten Gesetz über den befristeten Sonderstatus der beiden "Volksrepubliken". Vertreter von diesen begrüßten zwar den Schritt, wollen aber die angebotenen vorgezogenen lokalen Wahlen nicht durchführen und misstrauen Kiew. Sie setzen zudem weiter auf die Maximalforderung der Unabhängigkeit. Nach Ex-Präsident Kuchma, der in der Kontakgruppe die Ukraine vertritt, wird es beim nächsten Treffen nicht um die "Föderalisierung" gehen: "Wir erkennen die Föderalisierung und die Republiken nicht an." Die Ukraine benötige Frieden, territoriale Integrität und Unabhängigkeit, aber das benötige Zeit.

Derweil fährt Präsident Poroschenko in seinem Kurs fort, zwar mit Moskau Vereinbarungen zu schließen, um den Konflikt zu deeskalieren, aber gleichzeitig gegen Russland und dessen "imperialistische Verfassung" zu schießen, um Unterstützung im eigenen Land und im Ausland zu erhalten. Bei seinem Besuch in den USA bat er den US-Kongress in einer Rede um politische Unterstützung und Militärhilfe. US-Präsident Obama hat bislang gezögert, der Ukraine tödlichen Waffen zu geben, Poroschenko kritisierte, dass man mit Decken und Nachtsichtbrillen einen Krieg nicht gewinnen könne. Er forderte dazu auf, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen, um Moskau zu zwingen, die Krim wieder herzugeben.

In Brüssel hat Poroschenko Gehör gefunden

Das Europäische Parlament verabschiedete eine Resolution, in der die EU aufgefordert wird, sich Russland mehr zu widersetzen. Die Waffenruhe wird ebenso begrüßt wie die "Gesetze über den Sonderstatus einiger Rajone der Gebiete Donezk und Luhansk und über eine Amnestie". Das sei ein "wichtiger Beitrag zur Deeskalation im Rahmen der Umsetzung des Friedensplans des Präsidenten der Ukraine". Man gibt sich aber besorgt über den "nicht erklärten hybriden Krieg" gegen die Ukraine. Vorgeworfen wird "regulären russischen Streitkräften und den Separatisten", dass sie vor allem die Waffenruhe verletzen würden. Zudem habe Russland "in den vergangenen Wochen seine militärische Präsenz im Hoheitsgebiet der Ukraine und seine logistische Unterstützung der Separatistenmilizen durch einen beständigen Zustrom von Waffen, Munition, gepanzerten Fahrzeugen und Gerät, Söldnern und getarnten Soldaten verstärkt" und Truppen an der Grenze stationiert. Erklärt wird, dass "die direkte und indirekte militärische Intervention Russlands in der Ukraine, einschließlich der Annexion der Krim, einen Verstoß gegen das Völkerrecht" darstelle.

Sinn der Resolution ist, dass sich die Mehrheit im Parlament hinter die Sanktionspolitik der EU stellt, während die Sanktionen Russlands als nicht gerechtfertigt betrachtet werden. Zwar wird gefordert, dass "klare Vorgaben" gemacht werden müssten, um neue Sanktionen auszuschließen oder beschlossene rückgängig zu machen, Bedingung müsse aber sein, dass der "vollständige Abzug russischer Streitkräfte und Söldner aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine, die Einstellung der Waffenlieferungen an die Terroristen, die vollständige Einhaltung der Waffenruhe durch Russland, die faktische internationale Überwachung und Überprüfung der Waffenruhe und die Wiederherstellung der Hoheitsgewalt der Ukraine über ihr gesamtes Staatsgebiet" gegeben seien. Wie dies nachzuprüfen wäre, geht daraus nicht hervor, was auch deswegen seltsam ist, weil die bislang verbreiteten Belege über die Anwesenheit russischer Truppen schwer zu verifizieren sind. Offenbar werden aber wie auch immer ernsthafte oder scheinheilige Bemühungen um eine Deeskalation (Waffenstillstand, OSZE-Beobachter an der Grenze, Verhandlungen der Kontaktgruppe) nicht gewürdigt.

Man legt aber auch gleich noch drauf und erklärt, es müsse geprüft werden, ob Russland aus der Zusammenarbeit im Bereich Kerntechnik und aus dem Swift-System ausgeschlossen werden soll. Möglicherweise geht es aber vor allem darum, den von der Sanktionsspirale betroffenen Landwirten mehr Unterstützung zukommen zu lassen. Es sollen auch mehr Produkte gefördert werden.

Polens Präsident Bronislaw Komorowski, der die Sicherheit in der transatlantischen Verbundenheit sieht, schürt den Konflikt noch einmal an. Er ist angesichts der fehlenden Reaktion der Vereinten Nationen enttäuscht und will die Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrats beenden. Das Problem sieht er allein in Russland, nicht aber überhaupt bei den 5 Staaten mit Vetomacht, die alles blockieren können. Gestärkt durch die Entscheidung, dass der polnische Ministerpräsident Donald Tusk zum Präsidenten des Europäischen Rats ernannt wurde, eine klare Geste der EU gegen Russland, will Komorowski sein Anliegen nächste Woche auch auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen vortragen.