49 türkische Geiseln frei

Kurden in Nordsyrien werfen Türkei Waffenlieferungen an den IS vor

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Im Juni nahm die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) bei der Einnahme der nordirakischen Stadt Mosul 49 Mitarbeiter des dortigen türkischen Konsulats und deren Familienangehörige als Geiseln und verschleppte sie an einen unbekannten Ort. Gut drei Monate später sind sie wieder frei und befinden sich in der südtürkischen Stadt Sanliurfa. Das verlautbarte heute früh der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu.

Der Ministerpräsident sagte der Presse, alle Geiseln seien wohlauf und er werde in Kürze seinen Staatsbesuch in Aserbaidschan abbrechen, um sich persönlich mit ihnen zu treffen. Ob und welche Gegenleistungen die türkische Regierung der Terrorgruppe für die Freilassung geliefert hat, ist bislang nicht bekannt.

Im März 2014 war auf YouTube ein Gesprächsmitschnitt aufgetaucht, in dem sich Davutoğlu (der damals noch Außenminister war) mit dem türkischen Geheimdienstchef Hakan Fidan, Generalleutnant Yaşar Güler und Staatssekretär Feridun Hadi Sinirlioğlu über ein direktes militärisches Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg unterhält. Güler fordert in dieser Aufnahme eine Ausweitung von Waffen- und Munitionslieferungen an syrische "Rebellen".

Die kurdische Verwaltung der vom IS belagerten Stadt Ain al-Arab wirft den türkischen Behörden vor, dass solche Waffen- und Munitionslieferungen in der Nacht vom 15. auf den 16. September auch an die Kalifatstruppen gingen. Dabei beruft sie sich auf Zeugen, die angeblich beobachteten, wie ein türkischer Frachtzug, der an der Grenze entlangfährt, gegenüber dem vom IS kontrollierten Grenzdorf Silîb Qeran auf freier Strecke hielt und zahlreiche Kisten entlud. Diese Kisten seien später von IS-Terroristen abgeholt und über die Grenze nach Syrien verbracht worden.

Außerdem sollen Abnehmer in der türkischen Grenzstadt Altınözü in großem Maßstab billiges Rohöl aus dem von der Terrorgruppe kontrollierten Quellen in den Provinzen ar-Raqqa und Deir ez-Zor ankaufen. Damit es weniger auffällt, dass die Öleinnahmen den IS-Dschihadisten zugutekommen, wird der Rohstoff mit Tanklastwagen über Gebiete transportiert, die von der al-Nusra-Front und der Islamischen-Front beherrscht werden - zwei dschihadistische Gruppen, die dem IS ideologisch sehr nahe stehen.

Durch die Schließung der Grenze zum von der Kurdenmiliz YPG kontrollierten Ain al-Arab habe die Türkei außerdem ein "faktisches Embargo" verhängt, das Hilfslieferungen verhindert und dem Kalifat nutzt. Erobern dessen Truppen den Kurdenkanton vollständig, dann droht angeblich 500.000 Kurden und Christen der Tod, weil sich neben 200.000 Einheimischen auch 300.000 syrische Binnenflüchtlinge in dem Gebiet aufhalten. Der Kurdenpolitiker Salih Muslim warnte in diesem Zusammenhang im Fernsehsender Sterk TV vor einem "Massaker wie in [der irakischen Jesidenstadt] Sindschar".

Die Freilassung der Geiseln bedeutet jedoch auch, dass der türkischen Regierung nun ein Argument fehlt, mit der sie bislang eine Beteiligung am Kampf gegen die IS-Terroristen ablehnte. Es wäre deshalb keine Überraschung, wenn die USA nun erneut um eine Nutzung des türkischen Militärflughäfens Incirlik für Luftangriffe gegen die Salafisten anfragen, die ihnen bislang verweigert wurde.

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