Ulrich Chaussy über das Oktoberfest-Attentat und die NSU-Mordserie

"Wären all die Probleme, die beim NSU eine Rolle spielten, seit dem Oktoberfestattentat bereits durchdacht gewesen, hätten diese Morde vielleicht nicht in dieser Art und Weise geschehen können"

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Am 26. September jährte sich zum vierunddreißigsten Mal der Bombenanschlag auf das Oktoberfest, bei dem 13 Menschen starben und über zweihundert Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Bis zum heutigen Tag gilt offiziell der damals 21jährige Geologie-Student Gundolf Köhler als Einzeltäter, obwohl diese Einschätzung mittlerweile massiv in Zweifel gezogen wird.

Kritiker dieser These weisen darauf hin, dass bei der Ermittlungsarbeit der Polizei schwere Fehler passiert sind und sehen Parallelen zu den mangelhaften Untersuchungen der Behörden zur Mordserie des NSU. Diese zieht auch der Journalist Ulrich Chaussy, der mit seinen Sendungen, Artikeln und Buchveröffentlichungen maßgeblich Anteil daran hatte, dass die Beteiligung Rechtsradikaler beim Wiesn-Attentat in der Öffentlichkeit überhaupt ein Thema wurde.

Herr Chaussy, nach der Uraufführung des Filmes Der blinde Fleck im Bayerischen Landtag am 11. Juni 2013 haben Sie Innenminister Joachim Herrmann aufgefordert, dem Anwalt der Attentatsopfer Werner Dietrich die im Landeskriminalamt verwahrten Spurenakten des Oktoberfestattentats zugänglich zu machen. Was ist daraus geworden?

Ulrich Chaussy: Innenminister Herrmann hat seine im Sommer 2013 gegebene Zusage eingehalten. Ab Anfang 2014 hat Rechtsanwalt Werner Dietrich die Spurenakten durcharbeiten können. Er hat das Mandat damals geschädigter Opfer. Diese Akten waren zwar mit einigen Schwärzungen versehen, aber man kann nach Werner Dietrichs Angaben damit arbeiten, und die Frucht dieser Arbeit wird sich in seinem dritten Antrag auf Wiederaufnahme der Ermittlungen niederschlagen, den Rechtsanwalt Werner Dietrich in diesen Tagen einreichen wird.

Werner Dietrich hat ja davon bereits etwas in der Öffentlichkeit bekundet: Unmittelbar nach der Tat haben die Behörden durch die geständigen Rechtsterroristen der Deutschen Aktionsgruppen, die im August 1980 nach ihrem letzten tödlichen Brandanschlag in Hamburg verhaftet worden sind, Nachricht darüber erhalten, dass der damals dringend gesuchte Sprengstoff der Oktoberfest-Bombe eventuell von dem niedersächsischen Rechtsextremisten Hans Lembke stammen könnte.

Wie Herr Dietrich herausgefunden hat, enthielt diese Aussage auch den Hinweis, dass Lembke seine Sprengstoffvorräte in Erddepots verwahrte. Aber die darauf angeordnete Durchsuchung hat nur in Lembkes Haus stattgefunden, wo man nichts fand. Diese Spur blieb liegen, bis ein Jahr später ein Waldarbeiter per Zufall eines dieser Erd-Depots fand und Lembke verhaftet wurde. Hier ist interessant, wie man es trotz dieses detaillierten Wissens verabsäumte, dem Hinweis genau nachzugehen. Solche Sachen werden in dem Antrag von Herrn Dietrich stehen und man wird darauf warten müssen, wie die Bundesanwaltschaft darauf reagiert.

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