Bayern glaubt an billigen G7-Gipfel

Die Sicherheitsarchitektur für das Treffen in Bayern kommt in Gang, alle zuständigen Bundesbehörden sind eingebunden. Die Landesregierung spricht von Kosten im "niedrigen zweistelligen Millionenbetrag"

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Acht Jahre nach Heiligendamm ist die Bundesregierung wieder Gastgeberin eines G8-Gipfels, der nach dem Rauswurf von Russland nunmehr zum G7-Gipfel geschrumpft ist. Als Veranstaltungsort wurde einer der wohl unzugänglichsten Orte in Deutschland ausgesucht: das Schloss Elmau in Oberbayern. Linke Strukturen, die wie in Heiligendamm etwaige Proteste vorbereiten könnten, gibt es dort kaum. Trotzdem warnt der Verfassungsschutz in bekannter Manier vor "gewalttätigen Protesten".

Schloss Elmau. Bild: Hilpert/gemeinfrei

Die Polizei des Bundeslandes Bayern wird die Einführung des Digitalfunks und die Anbindung an das System der anderen Blaulichtorganisationen beschleunigen. Dies berichtet die Zeitschrift "Behördenspiegel". Demnach sei Bayern bei der kommunikationstechnischen Ausstattung seiner polizeilichen Einsatzzentralen bundesweites Schlusslicht. Den Auftrag habe laut der Zeitung die Firma Frequentis erhalten. Die Plattformen sollen "alle anderen Kommunikationssysteme einer Polizei-Einsatzzentrale" zusammenführen. Diese könnten dann über eine einheitliche grafische Oberfläche gesteuert werden.

Insgesamt sollen 320 "webbasierte Funkbedienplätze" gekauft werden. Sie basieren auf dem "Web Dispatcher", der über einen Webbrowser bedient wird. Auf weitere Hard- und Software könne daher verzichtet werden. Zum Kaufpreis wird keine Angabe gemacht. Die Bundesregierung hatte hierzu kürzlich erklärt, Kosten in Höhe von 5 ,44 Millionen Euro zu übernehmen. Grundlage sei eine Verwaltungsvereinbarungen des Bundes mit den Ländern.

Aufgabenteilung zwischen BKA, Bundespolizei und LKA Bayern

Der G7-Gipfel soll am 4. und 5. Juni 2015 in einem Schloss im bayerischen Elmau stattfinden. Der Ort liegt in einem Tal unweit von Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald in etwa 1.000 Metern Höhe. Als Pressezentrum ist das Olympia-Eisstadion in Garmisch-Partenkirchen im Gespräch, laut CSU-Bürgermeister des nahe gelegenen Krün würden aber auch Kasernen in Mittenwald in Betracht gezogen.

Für die Vorbereitung ist das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) verantwortlich, das hierfür eng mit Bundesbehörden kooperiert und eine sogenannte "Besondere Aufbauorganisation" eingerichtet hat. Zuständig ist die Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd in Rosenheim, die deshalb als erste in den Genuss des neuen digitalen "Sprachkommunikationssystems" kommen soll. Der polizeiliche G7-Führungsstab richtet sich in Garmisch-Partenkirchen ein. Als zuständige Zentralstelle mit ausländischen Polizeibehörden wickelt die Staatsschutzabteilung des Bundeskriminalamtes (BKA) allen "Auslandsschriftverkehr" für das bayerische LKA ab. Hierzu gehörte beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm auch der internationale Austausch von Polizeispitzeln und bezahlten Informanten.

Die Rahmenkonzeption für die Sicherheitsarchitektur wird bei solchen Ereignissen gewöhnlich von einer Projektgruppe des Unterausschusses "Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung" der Innenministerkonferenz der Länder ausgearbeitet. Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei entwickeln eigene Sicherheitskonzepte. Auch das Verteidigungsministerium hat bereits eine Unterstützungsanfrage erhalten, über die Bereitstellung von Mitteln aber noch nicht entschieden. In Heiligendamm gehörte hierzu etwa die boden- und luftgestützte Luftabwehr oder Aufklärungstechnik in "Fennek"-Spürpanzern, um Bewegungen von Demonstranten zu beobachten.

Bei vergleichbaren Veranstaltungen hatte das BKA mit einer Sicherungsgruppe die Staatsgäste beschützt, während rund um Hotelanlagen Bundespolizei postiert war. Außerhalb dieser roten und gelben Zonen sind dann Kräfte der Bereitschaftspolizei Bayerns verantwortlich. Bayern wäre demnach für die Sicherung der Veranstaltungsorte in Elmau, Garmisch-Patenkirchen sowie des Flughafens München zuständig.

"Gewalttätige Demonstranten und massive Verkehrsstörungen"

Auch in Heiligendamm war eine "Besondere Aufbauorganisation" errichtet worden, die als erstes einen Stab "Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" berief. Von Beginn an wurden in den Medien verfälschende Berichte veröffentlicht. Dies wurde von Journalisten kritisiert und später sogar vom damaligen Polizeisprecher Axel Falkenberg zugegeben. Dennoch sind als falsch entlarvte Nachrichten über angebliche Clowns, die mit Säure spritzen oder 500 von Demonstranten teils schwer verletzte Polizisten nie dementiert worden.

Obwohl eine Mobilisierung in linken Spektren kaum erkennbar ist und der Tagungsort im Speckgürtel des reichen, behäbigen Oberbayern liegt, orakelt der Innenminister Joachim Herrmann (CSU) von drohenden Protesten. Hermann rechne laut dem "Behördenspiegel" mit "gewalttätigen Demonstranten und massiven Verkehrsstörungen".

Mehrmals monatlich finden jetzt in Bayern gemeinsame Lagebesprechungen statt, an denen auch die Verfassungsschutzbehörden der Länder teilnehmen. Zu den Zusammenarbeitsformen gehöre laut dem Bundesinnenministerium auch Hilfe des BKA im "Bereich der offenen Internetauswertung". Das überrascht, denn dies wird ebenso vom Verfassungsschutz übernommen: Dem Magazin FOCUS wurde hierzu eine als "Verschlusssache" eingestufte Lagebeurteilung des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg zugespielt, die wohl vom "Internetkompetenzzentrum" der Spätzle-Spitzel stammt. Obwohl lediglich ein Aufruf einer linken Gruppe gefunden wurde, hatte der FOCUS diese als geplante "Störaktionen" aufgebauscht.

Wozu die Medienrandale?

Die Mitteilungen an die Presse sollen wohl helfen, die umfangreichen Sicherheitsvorbereitungen zu rechtfertigen. Nur so ist zu erklären, weshalb auch das neue "Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum" (GETZ) ins Spiel kommt. Ursprünglich als Konsequenz aus dem NSU-Debakel eingerichtet, erhielt das Zentrum auch eine Abteilung "GETZ-Links". Dort wird das Thema "G7-Gipfel 2015" nunmehr in allen seinen Lagebesprechungen als fester Tagesordnungspunkt führt. Das GETZ erhielt Gelder für ein "Analyseprojekt", das "Strategien der gewaltbereiten linken Szene bei Großveranstaltungen" untersuchen soll. Auch "theoretische Strategiemodelle der linken Szene" werden ausgeleuchtet. Denken sich Behörden also mögliche und unmögliche Protestformen aus, bevor die linke Szene diese diskutiert hat? Beteiligt sind jedenfalls die Landeskriminalämter und die Landesämter für Verfassungsschutz.

Allerdings gibt das Bundesinnenministerium selbst versteckte Hinweise zum Stören des G7-Treffens, wenn Aktivisten wie in Heiligendamm durch die Wälder streifen wollen. Denn der Gipfel finde in einem Talkessel statt. Zahlreiche "Forststraßen und kleinere Waldwege" führten demnach "durch das dicht bewaldete Gebiet". Zeit genug zum ausgiebigen Wandern dürfte es geben: Der Gipfel fällt auf das Ende der Pfingstferien und Fronleichnam.

Die bayerische Staatskanzlei spricht von voraussichtlichen Gipfel-Kosten im "niedrigen zweistelligen Millionenbetrag". Das hatte auch die 2007 für Heiligendamm zuständige Polizei in Rostock zunächst behauptet. Insgesamt beziffert die Bundesregierung ihre Kosten des Gipfels aber mit 81 Millionen Euro. Das austragende Land Mecklenburg-Vorpommern musste weitere 23,5 Millionen aufbringen. Es ist also fraglich, ob Bayern mit seiner niedrigen Schätzung die Gesamtkosten im Blick hat oder lediglich den eigenen Beitrag meint.