Könnten Pumpspeicher zwölf Atomkraftwerke ersetzen?

So funktioniert ein Pumpspeicherkraftwerk. Grafik: wdwd. Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Das bayerische Wirtschaftsministerium wirft dem BR und der Süddeutschen Zeitung mangelnde Physik-Grundkenntnisse vor

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Nach dem Atomunglück im japanischen Fukushima beschloss die Bundesregierung 2011 die so genannte Energiewende, als deren "Erfinder" sich später der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer rühmte. Im Rahmen dieser Energiewende sollten "erneuerbare" Energiequellen wie der Wind in Verbindung mit neuen Stromleitungen und -speichern dafür sorgen, dass 2022 alle deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet werden können.

In den Jahren darauf verabschiedete sich Seehofer zwar nicht vom Atomausstieg, aber nach und nach von all dem, was diesen ermöglichen soll: Für Windräder wurden die Abstandsregeln so verschärft, dass im Freistaat nur noch wenige Standorte übrigbleiben. Dann versprach der bayerische Ministerpräsident Naturschützern, er werde nicht zulassen, dass gegen ihren Willen Strommasten gebaut und Kabel verlegt werden. Und vor drei Wochen teilte seine Wirtschaftsministerin Ilse Aigner mit, der Plan zum Bau eines Pumpspeichers am Jochberg sei keine gute Idee gewesen, was von Beobachtern als sanfte Absage an Pumpspeicherkraftwerke allgemein interpretiert wurde.

Eine vom bayerischen Wirtschaftsministerium vor drei Jahren in Auftrag gegebene und gestern bekannt gewordene Analyse der Pumpspeicherpotenziale in Bayern lobt allerdings "hohe Wirkungsgrade, verhältnismäßig große Speicherkapazitäten und relativ geringe Investitionskosten" dieser Technologie, mit der "kurzfristige große Schwankungen der Einspeisung aus Wind- und Sonnenenergie kompensiert werden können".

So funktioniert ein Pumpspeicherkraftwerk. Grafik: wdwd. Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Das "Gesamtpotential der 16 besonders geeigneten Standorte" für Pumpspeicherkraftwerke in Bayern beläuft sich dieser Analyse nach auf rund 11.000 MW und das "Gesamtarbeitsvermögen" auf etwa 66.000 MWh. Der Bayerische Rundfunk errechnete anhand dieser Zahlen, dass die Leistung dieser 16 Pumpspeicherkraftwerke der von neun Atomkraftwerken entsprechen würde. Die Süddeutsche Zeitung kam sogar auf zwölf.

Im bayerischen Wirtschaftsministerium sieht man das anders: Hier heißt es gegenüber Telepolis, der Bayerische Rundfunk und die Süddeutsche Zeitung hätten Arbeit mit Leistung verwechselt. Weil sich aus einer Kernkraftwerksleistung von 1.250 MW und einer jährlichen Laufzeit von etwa 8.000 Stunden pro Jahr eine Energiemenge von 10.000.000 Megawattstunden errechne, sei "das ermittelte Pumpspeicherpotential in keiner Weise dazu geeignet, auch nur ein wegfallendes Kernkraftwerk zu ersetzen". Der Vergleich ist nach Meinung des Wirtschaftsministeriums nicht sinnvoll, weil Pumpspeicher Strom lediglich speichern und ihn nicht originär produzieren.

Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk verwies das Ministerium außerdem auf ein von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft erstelltes Gutachten zur Rentabilität von Pumpspeicherkraftwerken, in dem es heißt, es könne "angenommen werden, dass ein Neubau von Pumpspeicherkraftwerken unter den derzeitigen Rahmenbedingungen i.d.R. nicht wirtschaftlich ist".

Aigner und Seehofer wollen deshalb lieber Strom aus dem Ausland zukaufen, um den bayerischen Bedarf zu decken. Die Wirtschaftsministerin verweist dabei wohlweislich nicht auf die tschechischen Atomkraftwerke, sondern auf Pumpspeicher in Österreich, die bayerischen Strom aus Erneuerbaren Energien speichern und im Bedarfsfall zurückliefern könnten. Dafür jedoch wären wahrscheinlich neue Stromleitungen durch das Oberland notwendig, die mit Sicherheit auf mindestens so viel Kritik von Natur- und Landschaftsschützern stoßen würden wie die Windstromleitungen aus Nord- und Ostdeutschland.

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