Sierra Leone: Ebola und Ungereimtheiten

Medien des westafrikanischen Landes werfen der Regierung Manipulationen bei den Zahlen der Erkrankten vor

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Galt zuvor Liberia als besonders von der Ebola-Epidemie gefährdetes Land, so zieht nun das westafrikanische Nachbarland Sierra Leone die besorgte Aufmerksamkeit auf sich. Neue Zahlen von der Gesundheitsbehörde in Freetown machen Schlagzeilen. Allein am Samstag sollen 121 Tote gezählt worden sein, dazu melde das Notfall-Zentrum 81 neue Fälle von Fiebererkrankungen in Folge des Virus, berichtet Reuters.

In den Medien des Landes werden die Zahlen mit einiger Skepsis betrachtet. Aus dem genauen Vergleich der aktuellen Zahlen für die unterschiedliche Bezirke - die in der Nachrichtenagenturmeldung genretypisch gar nicht aufgeführt werden - mit parallel dazu ausgegebenen Gesamtsummen ergeben sich Inkonsistenzen, schreibt der Sierra Leone Telegraph.

So werden etwa für die Hauptstadt Freetown in der Rubrik 17 neue bestätigte Fälle in drei Tagen notiert. In der Rubrik Gesamtzahlen bestätigter Fälle ("cumulative confirmed cases") registriert die Gesundheitsbehörde für Freetown dagegen eine Zunahme von 76 Fällen in drei Tagen. Welche Zahl stimmt den nun - 17 neue Erkrankungen in drei Tagen oder 76? Der Bericht listet noch mehr solcher Ungereimtheiten auf. Sein Resumée: "Fast alle Gesamtzahlen sind deutlich inkonstistent mit der Anzahl der Neuerkrankungen."

Gehe es um die Zahlen der vermuteten Toten infolge der Virus-Erkrankung ("probable and suspected deaths"), so sei es viel schwieriger, sich Klarheit zu verschaffen. Der Verdacht liege nahe, dasss das Gesundheitsministerium mit dem neuen Leiter, Abubakar Fofana, der die Ende August entlassene Ministerin Miatta Kargbo ablöste, mit den Zahlen Politik betreibe, so die Zeitung, die dem Politiker Schönfärberei unterstellt - und der ganzen Regierung schlechtes Management, wie es sich eben auch in der Präsentation der Zahlen zeige.

Die Zeitung Awareness Times verwies bereits beim Update der Zahlen aus Sierra Leone am 2. Oktober auf Ungereimtheiten, die sich aus den präsentierten Fallzahlenmaterial ergab: "Wenn man von 2.217 Erkrankungsfällen ausgeht, die von einem Laboratorium bestätigt wurden, und 554 als tot gemeldet werden, dann bleiben 1.663 Fälle übrig. Zieht man davon die angegebenen 459 Fääe ab, die als geheilt registriert werden, bleiben 1.204 bestätigte Erkrankungsfälle übrig, die laut Unterlagen noch im Krankenhaus sein müssten. Aber wir wissen alle, dass es in Sierra Leone keine 1.204 Patienten in Krankenhäusern gibt."

Auch dieser Artikel verdächtigt das Ministerium, dass es die tatsächliche Zahl der an den Folgen der Krankheit Gestorbenen verheimlicht. Dass der Verdacht nicht gänzlich aus der Luft gegriffen ist, zeigte sich Ende September, als offenbar wurde, dass es große Fehler ("Selbst ein 2-Jähriger hätte besser gerechnet") bei den offiziellen Statistiken gab. Laut Awareness Times ist eine Konsequenz daraus, dass Sierra Leone weniger internationale Hilfe zukommt als den Nachbarländern.

Doch selbst die wenige Hilfe, die in den Häfen von Sierra Leone angekommen ist, wird nicht verteilt, wie die New York Times heute berichtet Container mit medizinischen Hilfsgütern (Schutzanzüge, Matrazen u.a.) werden nicht an Krankenhäuser geliefert.

Der Grund sind laut New York Times politische Kämpfe (die Hilfsgüter wurden von einem Oppositionspolitiker im Exil gesendet), die dazu führen, dass das Notfall-Zentrum, von dem auch die oben genannten Zahlen stammen, nicht funktioniert, wie es sollte.

Im Nachbarland Liberia kritisierte die Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf die WHO und die amerikanische Behörde CDC dafür, dass deren Schätzungen der Infektionszahlen für die nächsten Monate weitaus zu hoch ausfallen. Man habe das Problem im Griff, sagte sie. Für Sierra Leone ist die Behauptung den Medienberichten zufolge einstweilen nicht zu treffen.