Bundesregierung und Hersteller streiten um Bezahlung des "Euro Hawk"

Das Verteidigungsministerium verzichtet auf Schadensersatz gegenüber den Herstellern der Riesendrohne. Allerdings sind das Luftfahrzeug und das mitgeführte Spionagemodul nicht komplett bezahlt. Und es entstehen weitere Kosten

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Eigentlich wollte die Bundeswehr mehrere hoch fliegende Drohnen des Typs "Euro Hawk" beschaffen, um damit eine angebliche Fähigkeitslücke zur signalerfassenden Aufklärung zu schließen. Die Riesendrohne befördert hierfür das Spionagemodul ISIS, mit dem jede funkgebundene Kommunikation, aber auch die Strahlung elektronischer Geräte aufgefangen werden kann. Letztes Jahr hatte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) das Projekt gestoppt, nachdem für die Zulassung des "Euro Hawk" Mehrkosten von rund einer halben Milliarde Euro veranschlagt worden waren.

Die Euro-Hawk-Drohne der Bundeswehr im extra errichteten Hangar in Manchin. Bild: Maximilian Schönherr/CC-BY-SA-3.0

Zunächst war ein Prototyp des "Euro Hawk" geliefert worden, für den eigentlich eine Musterzulassung für den Betrieb im zivilen Luftraum erreicht werden sollte. Die Bestellung weiterer Drohnen wurde jedoch endgültig storniert. Die Angelegenheit hatte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beschäftigt, nach Medienberichten habe sogar der Stuhl des Ministers gewackelt (Wir.Drohnen.Deutschland).

Hersteller des "Euro Hawk" als Trägersystem ist der US-Rüstungskonzern Northrop Grumman, die beförderte Abhöreinheit wird hingegen von EADS (jetzt Airbus Group) entwickelt. Beide Firmen haben hierfür die Betreibergesellschaft "Euro Hawk GmbH" gegründet.

Eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hatte nach Details zur Kaufabwicklung gefragt. Nun teilt das Verteidigungsministerium mit, dass die Besitzverhältnisse alles andere als geklärt sind: Denn der Prototyp ist noch nicht endgültig abgenommen worden, befindet sich also weiter im Besitz der Hersteller. Laut der Antwort der Bundesregierung würden noch "etwaige Ansprüche des Auftraggebers" geprüft, erst dann sei eine "Einigung zur Beendigung des bisher bestehenden Vertragsverhältnisses" mit dem Auftragnehmer zu erwarten.

Ministerium scheut gerichtliche Klärung

Vergangenes Jahr hatte das Verteidigungsministerium eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, wegen der fehlenden Zulassung mögliche "Schadensersatz- und Nacherfüllungsansprüche" gegen die "Euro Hawk GmbH" zu prüfen. Ein Gutachten ist mittlerweile fertig gestellt, dessen Prüfung längst abgeschlossen. Wie die Rechtsanwaltskanzlei sehe das Ministerium von einer gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ab, weil "ganz erhebliche Prozessrisiken" zu erwarten seien. Der Bundestag wurde nach Angaben der fragenden Abgeordneten von dieser bereits vor einem Jahr erfolgten Entscheidung aber nie unterrichtet.

Dumm nur, dass auch nach Stilllegung des "Euro Hawk" weitere Kosten entstehen. Im Entwicklungsvertrag ist festgelegt, dass die Zuständigkeit beider Firmen für Wartung und Erhalt der technischen Fähigkeiten des Prototypen vor einem Jahr endete. Mit der Erprobungsphase lief damals auch die vorläufige Verkehrszulassung ab.

Seitdem steht die Drohne eingemottet im bayerischen Stützpunkt Manching. Laut der Antwort auf die Anfrage hätten ich die Hersteller um die notwendigen Erhaltungsarbeiten gekümmert, nicht aber die Bundeswehr. Bezahlen will die Bundesregierung hierfür nicht, denn "die Industrie" habe dies "auf eigenes Risiko" übernommen.

"Amtsseitige Durchsicht" findet nicht erfüllte Leistungen

Nicht nur bezüglich der Drohne gibt es Streit, auch zur Entwicklung des Spionagemoduls reklamiert die Bundesregierung unerfüllte Forderungen. Weil die Erprobung des "Euro Hawk" nach öffentlicher und parlamentarischer Aufregung befristet werden musste, seien "nicht alle vertraglich vorgesehenen ISIS-Entwicklungsschritte" durchgeführt worden. Dies sei "nach amtsseitiger Durchsicht und Prüfung der ISIS-Nachweisakte" festgestellt worden. Es bestünden daher "Erfüllungsansprüche" der vertraglich vereinbarten Leistungsanteile. Diese seien "kostenfrei" zu erbringen, denn Käufer und Verkäufer hätten einen "Festpreis" vereinbart.

Um welche fehlenden Leistungen es sich dabei handelt wird nicht konkretisiert. Jedoch fehle eine "operative Bewertung der bisher technisch nachgewiesenen Funktionalitäten", die eine weitere Erprobung im Flugbetrieb notwendig mache. Erst dann sei das ISIS so weit entwickelt, dass eine Fertigung in Serie beauftragt werden könne.

Die zuständige Dienstelle zur Entwicklung und Bereithaltung militärischer Luftfahrzeuge habe die Firmen EADS und Northrop Grumman im Februar 2014 auf die ausstehenden Forderungen hingewiesen. Die Firmen scheinen damit nicht unbedingt einverstanden, denn seitdem würden laut der Bundesregierung Verhandlungen zur ordentlichen Beendigung des Entwicklungsvertrages geführt. Möglich, dass der Generalinspekteur der Bundeswehr davon Wind bekam. Zur gleichen Zeit hatte dieser durchgestochen, dass der "Euro Hawk" wieder aus der Versenkung geholt werden könnte (Spionagedrohne "Euro Hawk" fliegt - fliegt nicht - fliegt doch).

Die Verteidigungsministerin interessiert sich plötzlich auch für Triton-Drohnen. Bild: US Navy

Bis zu einem Jahr Vorbereitung wäre notwendig, bis "Euro Hawk" wieder abheben könnte

Das kann aber dauern: Die Drohne kann nicht hoppla hopp zu weiteren Erprobungsflügen abheben. Die vor einem ersten Flug notwendigen Vorarbeiten würden "nach Schätzungen der Amtsseite" zwischen neun und zwölf Monate in Anspruch nehmen. Womöglich könnte aber bei einer neu beantragten vorläufigen Verkehrszulassung getrickst werden, weil diese für "zunächst 50 Flüge und 400 Flugstunden" erteilt worden sei. Bisher habe der "Euro Hawk" aber in etwa die Hälfte "erflogen", nämlich rund 200 Flugstunden in 19 Flügen.

Nach dem Debakel um den "Euro Hawk" hatte die amtierende Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) prüfen lassen, auf welche Weise das ISIS-Modul dennoch in die Luft befördert werden könnte. In dem Gutachten einer Beratungsfirma heißt es dazu, es bedürfe zunächst einer "belastbaren Informationsgrundlage und einheitlichen Entscheidungsreife", bevor überhaupt eine Entscheidung für eine "möglichst verzugslose, fundierte und nachhaltige Auswahlentscheidung " getroffen werden könne.

Die Ministerin ficht das nicht an: Einen Tag bevor das Gutachten öffentlich präsentiert wurde, kündigte von der Leyen an, dass statt des "Euro Hawk" nun Drohnen des Typs "Triton" beschafft werden könnten. Auch die "Triton" wird von Northrop Grumman gebaut, unterscheidet sich aber in Ausführung und Ausrüstung vom "Euro Hawk", da sie ursprünglich für Flüge über Wasser entwickelt wurde.

Über eine luftfahrtrechtliche Zulassung verfügt die "Triton" allerdings nicht, nach Meinung von Experten ist diese auch nicht zeitnah zu erwarten. Laut der Tageszeitung "BILD" überlege die Verteidigungsministerin deshalb, US-Regularien zur Zulassung einfach auf Deutschland zu übertragen. Allerdings kann die "Triton" auch in den USA längst nicht in Dienst gestellt werden, entsprechende Fristen erzögern sich immer wieder aufs Neue.

Piloten ist nichts verboten

Bislang seien laut der Antwort des Verteidigungsministeriums für die Entwicklung, Beschaffung und Vorbereitung der Erprobung des "Euro Hawk" 616 Millionen Euro verausgabt worden. Es ist unklar, ob damit tatsächlich alle Kosten erfasst sind. Schließlich würden auch 34 Soldaten für den Betrieb der Riesendrohne ausgebildet. Dabei handelt es sich um Piloten und technisches Personal. Je nach Qualifikation fielen hierfür zwischen 139.000 und 367.000 Euro an.

Jedoch verfallen die Pilotenlizenzen, wenn deren Inhaber nicht stets neue Flugstunden absolvieren. Die "Luftfahrzeugführer" trainieren deshalb bei der Lufthansa in Bremen, aber auch in Afghanistan. Besondere Flugkünste legen sie dabei nicht an den Tag: Mindestens einmal haben die Trainingspiloten eine große Drohne des Typs "Heron" bereits zu Schrott geflogen (Bundeswehr-Drohne kollidierte mit einem Berg).