WHO: Weitere Ebola-Fälle in Europa "unvermeidbar"

Spanien bereitet sich auf neue Ansteckungen vor und in Frankreich wird erwartet, dass noch im Oktober das Virus per Flugzeug ankommt

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Der unverantwortliche und nachlässige Umgang mit dem Ebola-Virus in Spanien führt nun zu hektischen Aktivitäten. Auch die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Inzwischen wurden sechs Personen unter Quarantäne gestellt, nachdem in Spanien die erste Ansteckung mit dem tödlichen Virus außerhalb Afrikas registriert wurde (Nach Ebola-Chaos Notfallplan in Madrid). Inzwischen gibt es drei Verdachtsfälle bei Pflegerinnen, die an der Behandlung von zwei infizierten Geistlichen beteiligt waren, die aus Sierra Leone und Liberia zurückgeholt worden waren und in Spanien verstarben.

Alle drei Pflegerinnen zeigen inzwischen Symptome wie Fieber. Derweil wurden aber auch etliche andere Personen unter Beobachtung gestellt, denn die zweifelsfrei infizierte Pflegerin hatte sich mehr als eine Woche mit den Symptomen frei bewegt und war ansteckend. Deshalb bereitet man sich im Madrider Krankenhaus Alcorcón auf weitere Fälle vor und richtet eine Quarantänestation ein. Bisher werden alle Betroffenen im Carlos III behandelt. Also gehen die Verantwortlich davon aus, dass die Kapazitäten dort wohl schnell erschöpft sein werden.

Inzwischen ist der Name der ersten Infizierten in Europa bekannt. Sie heißt Teresa Romero Ramos. Sie hat in Interviews auch die Geheimhaltung durchbrochen und klärte darüber auf, dass sie während ihres Urlaubs die Hauptstadt Madrid nicht verlassen hat. Ohnehin hat sie, anders als die Verantwortlichen und viele Ärzte, besonnen gehandelt. Sie hat die Ärzte mehrfach fast dazu zu zwingen versucht, endlich einen Ebola-Test zu machen. Ihr Hausarzt hat die Symptome als Grippe abgetan, obwohl sie auch ihm gegenüber erklärt hatte, mit Ebola-Infizierten in Kontakt gewesen zu sein.

Dass übliche Protokolle vermutlich nicht eingehalten wurden, bestätigen nun auch andere Betroffene und Nachbarn der Pflegerin. Ihre Sorgen werden meist nicht ernst genommen, obwohl sie mit einer Infizierten in Kontakt waren. Bis zum späten Dienstag wurde nicht einmal deren Wohnung versiegelt, obwohl der Fall seit fast 24 Stunden bekannt war. Immer neue Details werden bekannt. So wissen Ärzte nicht, wie man Schutzanzüge anzieht, wofür man etwa 40 Minuten benötigt. Romero Ramos vermutet im Telefongespräch mit der Tageszeitung El País, dass sie sich vermutlich beim Ausziehen der Schutzkleidung infiziert hat: "Ich weiß es aber nicht sicher." Etwas anderes kann sie sich nicht vorstellen, da sie die Protokolle stets eingehalten habe. Ob die sicher sind, ist aber unklar, zumal normalerweise bessere Schutzanzüge benutzt werden als in Spanien.

Bekannt ist, dass die Protokolle an die Lage im Krankenhaus Carlos III willkürlich angepasst wurden, das den Sparplänen der Konservativen zum Opfer fallen sollte. Deshalb hatte sich Andrés Espinosa Jiménez, der seit 18 Jahren auf der Intensivstation des Krankenhauses arbeitet, geweigert, an der Behandlung der infizierten Geistlichen teilzunehmen. Die Protokolle seien "im Eifer des Gefechts" erstellt worden, teilweise fand die "Ausbildung" für den Umgang mit den Infizierten nur "Stunden" davor statt, bevor das Personal an Ebola-Patienten eingesetzt wurde. Ausbildung konnte man die kurzen Unterweisungen ohnehin nicht nennen. "Wir haben schriftlich und mündlich gefordert, dass eine Einheit gebildet wird, die angemessen ausgebildet ist", fügt er an. Er bestätigt auch, dass dem Pflegepersonal nie schriftlich die einzuhaltenden Protokolle übergeben wurden, um sie in aller Ruhe lesen zu können.

Spanien ist also das Beispiel, wie man es nicht machen darf, will man Infektionen verhindern. Etliche Länder sollten sich daran ein Beispiel nehmen. Ohnehin gehen alle davon aus, dass es nicht mehr lange dauert, bis der Virus auch über Fluggäste eingeschleppt wird. Darauf weist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) genauso wie diverse Forscher hin. Die WHO geht davon aus, dass bis im November 20.000 Menschen infiziert sein könnten. Und sollte die Seuche in Afrika nicht schnell eingedämmt werden, könnte sie sogar Jahre wüten.

Es sei "unvermeidbar", dass es weitere Fälle in Europa gäbe, sagte die WHO-Direktorin für Europa Zsuzsanna Jakab der Nachrichtenagentur Reuters. Grund dafür seien die vielen Reisenden zwischen Europa und den von der Epidemie betroffenen westafrikanischen Staaten. Sie hält aber auch weitere Ansteckungen wie in Spanien für wahrscheinlich. In Europa seien am stärksten das Krankenhauspersonal und die Angehörigen und Verwandte von diesem gefährdet.

In Frankreich sei das Risiko besonders hoch, dass infizierte Personen einreisen. Die Wahrscheinlichkeit liege bei 75%, dass es bis zum Monatsende den ersten Fall gäbe. In Großbritannien liege die Wahrscheinlichkeit bei 50%. Forscher der Lancaster Universität hatten zur Berechnung auf Daten und Muster zurückgegriffen, wie sich die Krankheit bisher ausgebreitet hat und dazu mit einbezogen, wie der Flugverkehr organisiert ist.

"Das ist ein Lotterie", erklärte Derek Gatherer, der an der Untersuchung beteiligt war. Wenn sich die Epidemie weiter in Westafrika so verbreite und sich die Lage verschlechtere, wie einige vorhergesagt haben, "dann ist es nur ein Frage der Zeit, bis einer der Fälle über den Flugverkehr in Europa landet", fügte er an. Bisher sollen durch die Seuche etwa 3.500 Menschen gestorben und mehr als doppelt so viele infiziert sein. Die Geschwindigkeit der Ausbreitung habe sich erhöht, sagen die Forscher und ohnehin ist unklar, ob die Zahlen in Westafrika nicht nach unten manipuliert sind (Sierra Leone: Ebola und Ungereimtheiten).