Arzt wegen Ferngutachten verurteilt

Der Mediziner hatte in einem Sorgerechtsstreit Erzählungen einer Frau über ihren Mann als Tatsachen dargestellt

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Das Landgericht München I hat einen Mediziner 5.000 Euro Geldbuße auferlegt, weil er einem Mann in einem Gutachten ein "krankhaftes" und aggressives Verhalten attestierte, ohne diesen überhaupt gesehen zu haben. Die Grundlage für diese "Diagnose" stammte von der Ehefrau des Mannes, die das Gutachten im Streit um das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder benutzte. (Az.: BG-Ä1/14)

In dem Dokument wird der Fern- beziehungsweise Gar-nicht-Begutachtete als eine psychisch gestörte Person geschildert, die unberechenbar und aufbrausend ist, keine Rücksicht auf andere nimmt, sich die Realität zurechtbiegt und für die Menschen in ihrem Umfeld "sehr gefährlich" ist. Diese Persönlichkeitsmerkmale könne der Mann aber im Bedarfsfall gegenüber Dritten verbergen und sich als das Gegenteil von dem darstellen, was er wirklich ist.

Nachdem die Mutter dieses Gutachten einem schweizerischen Bezirksgericht vorlegte, entschied man dort, dass der Vater seine Kinder nur unter Aufsicht sehen darf.

Hippokrates von Kos, nach dem der Hippokratische Eid benannt ist, in dem es heißt: "[…] hüten aber werde ich mich davor, [ärztliche Verordnungen] zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden".

Der Arzt, der seine Zulassung behält, gab in einem auf Betreiben des Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbandes München eingeleiteten berufsgerichtlichen Verfahren gegen ihn offen zu, dass er den Mann aus seinem Gutachten nur aus den Erzählungen der mit ihm zerstrittenen Ehefrau kannte. Er versuchte das damit zu rechtfertigen, dass es ihm um das Wohl der Kinder gegangen sei. Das Gericht sah das anders und sprach von einem "Köcher mit Giftpfeilen", den der Arzt und Psychotherapeut seiner Patientin zur Verfügung gestellt habe.

Dass der Fall kein Einzelfall ist, zeigen mehrere andere Skandalgutachten, die in den letzten Monaten und Jahren an die Öffentlichkeit gelangten: Die bekanntesten darunter waren mit dafür verantwortlich, dass der mit seiner Ex-Frau zerstrittene Nürnberger Gustl Mollath gegen seinen Willen sieben Jahre lang in der forensischen Psychiatrie festgehalten wurde.

In einem anderen Fall mit besonders gravierenden Folgen stellte ein Arzt einem "langjährigen Kollegen" ein Gutachten aus, aufgrund dessen die Staatsanwaltschaft der Strafanzeige eines 87-Jährigen zuerst keinen Glauben schenkte. Anlass der Strafanzeige war, dass die Ehefrau des Rentners auf qualvolle Weise starb, nachdem sie in einem städtischen Klinikum und von ihrem Hausarzt falsch behandelt wurde.

Erst ein zweites medizinisches Gutachten mit ganz anderen Feststellungen führte schließlich dazu, dass der Mediziner vor der Arzthaftungskammer des Landgerichts München I Behandlungsfehler einräumte.

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