Das Ende des Zentralorgans

Nach der "Prawda" und der "L'Unita" steht auch der "Bayernkurier" vor dem Aus

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der französischen Tageszeitung L'Humanité (ehemaliges Zentralorgan der Kommunistischen Partei Frankreichs) geht es nicht wirklich gut. Die italienische L'Unita (ehemaliges Zentralorgan der Kommunistischen Partei Italiens) hat zum 1. August 2014 das Erscheinen eingestellt. Die Original-Prawda (ehemaliges Zentralorgan der KPdSU) gibt es schon seit 1996 nicht mehr. Und jetzt der Bayernkurier. Das Zentralorgan der Christlich-Sozialen Union in Bayern wird es ab 2015 nicht mehr geben. Jedenfalls als Wochenzeitung.

Die Zeitung soll künftig neben einem Internetauftritt einmal im Monat als Magazin erscheinen. Der in München kolportierte Satz, CSU-Chef Horst Seehofer, der zweimal pro Woche die Meinung wechsele, brauche keine Zeitung, die nur einmal wöchentlich erscheine, ist pointiert, aber analytisch doch zu kurz gegriffen. Hintergründe zu einem Epochenwechsel.

München, Nymphenburgerstraße 64. Hier sitzt in einem wuchtigen Betongebäude der 1970er Jahre die Redaktion des "Bayernkurier - Deutsche Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur". Das Parteiorgan erschien zum ersten Mal 1950, Gründungsherausgeber und Chefredakteur war Franz Josef Strauß. Heute fungiert Parteichef Seehofer als Herausgeber, Chefredakteur ist heute (noch) Peter Hausmann, früher Regierungssprecher von Bundeskanzler Helmut Kohl.

Die siebenköpfige Redaktion sitzt neben der Parteizentrale in Redaktionsräumen, dort herrscht ein "irgendwie bräunlich-grünes Ambiente mit Textilfasertapeten" und "seltsamen Deckenfließen"; der Besprechungsraum ist "düster, holzgetäfelt, drückend". Meint jedenfalls ein Reporter der "Süddeutschen" der dann zu dem doch interessanten Schluss kommt: "So muss die Zentrale des bulgarischen Geheimdienstes ausgesehen haben." Der Chefschreibtisch hatte unter der Platte einen Alarmknopf - und hier saß jahrzehntelang er: Wilfried Scharnagl. Der Journalist kam vom Freisinger Tagblatt und fungierte von 1977 bis 2001 als Chefredakteur des Parteiblattes. Und diese 1970er Jahre waren die Zeit der Höhenflüge des Bayernkurier. Etwa was die Auflage anbelangte. Sie wurde mit 180.000 Stück angegeben und das Zentralorgan brüstete sich mit dem Titel "zweitgrößte Wochenzeitung Deutschlands".

Diese Zeit der Höhenflüge war auch die Zeit der Tiefschläge gegen alles, was links von der CSU stand. Und wenn man wissen will, wie man inhaltlich den Begriff "Kampfblatt" ausgestaltet, dann sollte man die Artikel aus dieser Zeit nachlesen. Oder den Artikel in der "Zeit" vom 12. September 1969, in dem der Journalist Dieter E. Zimmer das CSU-Organ unter die Lupe nahm. Seine Bilanz: Nein, der "Bayernkurier" sei kein "Stürmer", aber "tendenziell kleriko-faschistoid" sei er schon.

Und er benennt die Höhepunkte demagogischer Propaganda, die zugleich Tiefpunkte eines demokratischen Umgangs mit Andersdenken sind: "Gegner sind nicht einfach Gegner; vielmehr handelt es sich um die Meute der Gegner (Wilfried Scharnagl im BK Nr. 34), und fast unbemerkt sind Andersdenkende in kläffende Köter verwandelt, mit denen man sich natürlich nicht noch lange auseinanderzusetzen braucht." Der Gegner steht immer links, zum Beispiel in Gestalt des "Herrn Brandt" und die Außerparlamentarische Opposition (APO) dieser Tage ist ein gefundenes Fressen für fundamentalistische Redakteure, die verbal um sich schlagen:

Gesindel, linker Mob, die Straße, eine von elitärem Wahn besessene Bohemien-Minderheit, störrische Jugendliche, überhebliche Intellektuelle, lässige Playboys, komische milchbärtige Revolutionäre, Neo-Revoluzzer, Rowdies, Radikalinskis, Rocker, Schläger, Linksfaschisten, obligate APO-Hansl vom Dienst, Vandalen, Neu-Vandalen, entmenschte Vandalen-Horden.

Und wenn sich schon der Herausgeber des Bayernkuriers über die APO äußerte "diese Personen ... benehmen sich wie Tiere, auf die die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich ist", dann konnte selbstverständlich die Redaktion nicht zurückstehen: "Wem käme nicht der Gedanke, daß sich solche APO-Leute wie Tiere benähmen?" (Emmerich Hainzl im BK Nr. 31) "... die von Strauß sehr berechtigt mit Tieren verglichenen entmenschten Vandalenhorden (Hepp im BK Nr. 32). Franz Josef Strauß erklärte, die APO benähme sich 'wie Tiere', eine Auffassung, die in dieser Pauschalität nicht ganz korrekt ist, da immerhin Hunde und Katzen... durchaus stubenrein sind (Winfried Martini im BK Nr. 36)."

Dieser Kampfmodus der Zeitung ist nun schon lange vorbei, auch wenn Ex-Chefredakteur Scharnagl in einer Kolumne noch immer den alten Beißreflex trainieren darf: "Wie der Wolf, der Kreide gefressen hat, gibt sich die Linke irgendwie geläutert, um eine in den Wahlen dramatisch geschwächte SPD und eine gerade einmal über die Fünf-Prozent-Hürde gerutschte Grüne auf den tiefroten Leim zu locken", heißt es da über die Koalitionsverhandlungen in Thüringen. Ob der 75-jährige Scharnagl, das Urgestein der CSU, dem Bayernkurier auch in das Internet folgen wird, ist ungewiss. Die "Rabotničesko delo" (Die Arbeitersache), das Zentralorgan der Kommunistischen Partei in Bulgarien, gibt es übrigens auch nicht mehr.