EU veröffentlicht Konzept zum Einsatz von Drohnen in Militärmissionen

Größere Drohnen könnten von der EU auch für Kampfeinsätze genutzt werden. Zulassungsverfahren müssten aber vereinheitlicht werden. Davon profitiert auch die Bundeswehr

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Einsatzformen für Drohnen in Konflikten unter Beteiligung der Europäischen Union reichen von der Aufklärung über den elektronischen Kampf bis hin zu Kampfmissionen. Dies geht aus einem Dokument hervor, das der Auswärtige Dienst bereits im März intern verteilte und das nun bei der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch online ging. Als Verfasser wird das hochrangige Militärische Komitee (EUMC) genannt. Dort organisieren sich die Verteidigungsminister aller Mitgliedstaaten. Inwiefern das deutsche Verteidigungsministerium an dem Dokument mitgewirkt hat ist unklar. Es spricht aber mehrere Themen an, mit denen auch die Bundeswehr befasst ist.

Eine LUNA-Drohne der Bundeswehr auf Mast fixiert. Bild: Owly K/CC-BY-SA-3.0

Das Papier ist als "Konzept" überschrieben und dürfte deshalb keine bindende Wirkung entfalten. Gleichwohl werden sich Folgedokumente darauf beziehen. Ein ähnliches Konzept war 2005 veröffentlicht worden und sollte den Einsatz solcher Drohnen definieren, die in mittlerer und großer Höhe operieren. Jetzt heißt es, dass auch kleinere oder miniaturisierte Drohnen zur militärischen Aufklärung in EU-geführten Missionen beitragen könnten, etwa in der Nahaufklärung der Infanterie.

Gleichwohl fokussiert auch das neue Dokument besonders auf Drohnen der MALE-Klasse mit großer Reichweite und mittlerer Höhe. Das Vorwort hält fest, dass sich fälschlicherweise der Begriff "Drohnen" etabliert habe. Stattdessen handele es sich um "pilotenferngesteuerte Luftfahrtsysteme", im englischen als "Remotely Piloted Aircraft Systems" (RPAS) bezeichnet. Hierunter werden alle Einheiten in der Luft und am Boden verstanden, die schließlich die gemeinsame Plattform ergeben: Ein oder mehrere Drohnen, die beförderte Nutzlast, Kontrollstationen am Boden, Datenübertragung, Personal am Boden und Anlagen zur Auswertung übermittelter Aufklärungsdaten.

Drohnen seien laut dem Papier kein neues Phänomen, sondern würden bereits seit den 50er Jahren entwickelt. Seit drei Jahrzehnten hätten sie sich in Kriegseinsätzen bewährt. Beispiele werden nicht genannt. Bezüglich der Bundeswehr dürften Systeme wie die mittlerweile ausgemusterte CL 289 gemeint sein. Dabei handelt es sich um eine ferngesteuerte Lenkwaffe, die allerdings eher als Wegwerfdrohne bezeichnet werden kann.

Zivile und militärische Missionen angeblich ähnlich

Laut dem Konzept hätten Einsätze der letzten Jahre zu einer rasanten Zunahme militärischer Anwendungsformen geführt. Parallel dazu nähmen auch zivile Nutzungsformen zu, von denen viele einen "ähnlichen Charakter" wie Militäreinsätze aufwiesen. Das Papier will deshalb Synergien der beiden Bereiche aufzeigen. Genannt werden Befriedung, Stabilisierung und Wiederaufbau anderer Staaten, aber auch die Konfliktvermeidung. Möglich seien auch Einsätze zur Evakuierung und zur Unterstützung humanitärer Operationen. Drohnen könnten überdies zur Beförderung von Fracht genutzt werden, besonders senkrechtstartende Drohnen seien hierfür gut geeignet (Helikopter-Drohnen aus Österreich für internationale Missionen in Krisenregionen).

Der Auswärtige Dienst skizziert eine Zunahme von "asymmetrischen" Konflikten. Die Drohnen sollen den zivilen und militärischen EU-Missionen deshalb zu mehr "Luftmacht" zu verhelfen. Sie würden dringend gebraucht, um vorhandene Kapazitäten zu verstärken. Im Gegensatz zu menschlichen Piloten verfügten sie über eine extreme Leistungsfähigkeit und seien unabhängig von körperlichen Grenzen. Im Falle eines Abschusses würde die Besatzung nicht durch Tod oder Geiselnahme gefährdet. Auch Einsätze in besonders bedrohlichen Umgebungen seien möglich, darunter kontaminierte Gebiete. Dabei profitierten sie besonders von ihrer permanenten Verfügbarkeit und der hochwertigen Aufklärung bei jedem Wetter. Hierzu gehören bildgebende Verfahren mit Infrarot, Video oder Radartechnologie.

"Engage": Drohnen auch für Luftschlachten

Zwar geht es in dem Konzept hauptsächlich um Aufklärung und Überwachung. Jedoch sind auch Kampfeinsätze aufgeführt: Drohnen könnten etwa feste oder bewegte Ziele für Luftschläge aufspüren, verfolgen und mit Lasertechnologie markieren. Dadurch würden Kollateralschäden oder Verluste eigener Truppen in kriegerischen Handlungen reduziert.

Mit Kampfdrohnen könnten Militärs sogar selbst ins Getümmel eingreifen und Ziele von einer einzigen Plattform erfassen, identifizieren und angreifen ("engage"). In der EU verfügt bislang lediglich Großbritannien über bewaffnete Drohnen, mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, bereiten derzeit eine Beschaffung vor. Zukünftig sei laut dem Papier sogar zu erwarten, dass Drohnen nicht mehr nur Ziele am Boden angreifen. Sie könnten demnach auch für Luftschlachten entwickelt werden.

Militärische Drohnen sollen zudem Anlagen für den "elektronischen Kampf" befördern. Gemeint ist das Abhören oder die Störung gegnerischer Funksignale, darunter auch Positionsmeldungen wie GPS. Die Drohnen könnten demnach eigene Einheiten vor derartigen Angriffen schützen, aber auch selbst gegnerische Truppen elektronisch attackieren.

Die deutsche Bundesregierung entwickelt derartige Kapazitäten mit dem Abhörmodul ISIS, das in den hochfliegenden "Euro Hawk" eingebaut werden sollte (Spionagedrohne "Euro Hawk" fliegt - fliegt nicht - fliegt doch). Es werden dabei derart viele Daten abgehört, dass diese wegen fehlender Bandbreiten nicht sämtlich zu Boden gefunkt werden können. Deshalb sollen noch im Flug Informationen gefiltert und erst dann komprimiert an die Bodenstationen gefunkt werden. So wird es auch in dem Konzept beschrieben.

Neue Anstrengungen zur Zulassung zivil und militärisch genutzter Drohnen

Derzeit gebe es laut dem EU-Papier "beträchtliche Einschränkungen" in der Nutzung großer Drohnen im allgemeinen Luftraum. Das soll sich ändern: Unbemannte Systeme müssten der bemannten Luftfahrt in allen Lufträumen gleichgestellt werden. Der Auswärtige Dienst drängt deshalb auf die gemeinsame Entwicklung von Ausweichverfahren mit der Rüstungsindustrie, die dazu bereits umfassend aktiv sei.

In Deutschland hatte das Fehlen dieser "Sense and Avoid"-Technologie die Riesendrohne "Euro Hawk" wieder auf den Boden geholt, nachdem für weitere Zulassungsverfahren eine halbe Milliarde Euro veranschlagt wurden. Der damalige Verteidigungsminister fädelte deshalb entsprechende Anstrengungen auf EU-Ebene ein (De Maizière stärkt die internationale Zusammenarbeit zivil-militärischer Luftfahrtbehörden).

Die EU hatte daraufhin angekündigt, Fragen der luftfahrtrechtlichen Zulassung zivil und militärisch genutzter Drohnen fortan gemeinsam zu betreiben. Die in der EU zuständige Verteidigungsagentur EDA und die zivile Luftfahrtagentur EASA haben bereits ein Kooperationsabkommen geschlossen. Ziel ist die Beschleunigung verkehrsrechtlicher Fragen und der gegenseitige Austausch zur Lufttüchtigkeit von Drohnen. Die Verteidigungsagentur prüft außerdem, inwiefern die derzeitigen europäischen militärischen Zulassungsvorschriften die Anforderungen an Drohnen wie gewünscht abdecken.

"Voll automatische" Drohnen bis 2050?

Vergangene Woche hatten sich auch die EU-Verkehrsminister mit der Integration großer Drohnen befasst. Beraten wurde ein Papier "Ein neues Zeitalter der Luftfahrt". Ab 2016 sollen zivile Drohnen schrittweise in den nicht reservierten Luftraum eingebunden werden. "Voll automatische" Drohnen könnten demnach bis 2050 den Himmel bevölkern. Das gleiche Ziel wird auch in der EU-Initiative "Single European Sky" verfolgt. In dem zuständigen Komitee sind zivile und militärische Vertreter aller EU-Mitgliedstaaten vertreten. Das deutsche Bundesverteidigungsministerium sitzt dort mit Bundesverkehrsministerium zusammen.

Nun sollen Ausweichverfahren international standardisiert werden. Ähnlich hatte es auch die amtierende Verteidigungsministerin Ursula von Leyen (CDU) angedeutet, die angeblich prüfen lässt inwiefern US-Standards auf Deutschland übertragbar seien. Dies könnte helfen, Zulassungsverfahren für eine deutsche Riesendrohne zu beschleunigen.

In Deutschland wurde hierfür ein neues "Luftfahrtamt der Bundeswehr" eingerichtet. Zur "Optimierung des Zulassungswesens" bemannter und unbemannter Systeme werden nun alle nötigen Kompetenzen "unter einem Dach" zusammengeführt. Ein erster Aufstellungsstab hat bereits im April diesen Jahres seine Arbeit aufgenommen, nun werden die Aufgaben aus anderen Organisationsbereichen der Bundeswehr definiert und an das militärische "Luftfahrtamt" übertragen.