Kühe in Windeln gewickelt?

Ein Vorschlag der EU-Kommission hätte ein faktisches Nutzungsverbot für Hanglagen zur Folge

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In einer etwas drastischen Aktion hatte der Bayerische Bauernverband dieser Tage einer Kuh auf einer idyllischen Bergweide eine Windel im XXL-Format verpasst, um auf die Forderung der Brüsseler Generaldirektion Umwelt (GD ENV) hinzuweisen, die in Deutschland das Ausbringen von Dünger und Dung auf Hanglagen mit einer Neigung von über 15 % verbieten will. Zum Ausbringen zählt in diesem Fall auch die Düngung direkt aus der Kuh.

Zurückzuführen ist das ganze Dilemma auf die Richtlinie des Rates vom 12 . Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (91 / 676 / EWG), die in Deutschland mit der Düngeverordnung (DüV) in nationales Recht umgesetzt wurde. Die "Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen" soll helfen, den Nährstoffeintrag in Oberflächen- und Grundwasser zu reduzieren und damit auch die Nitratbelastung zu vermindern.

Gerade in Gebieten mit intensiver Viehhaltung und entsprechendem Anfall an Gülle und Dung wird häufig darüber geklagt, dass mehr auf die Äcker verbracht wird, als die dort wachsenden Pflanzen benötigen und dass die Überschüsse ins Grundwasser sickern oder in die Oberflächengewässer eingetragen werden. Den Sinn und Zweck der Nitrat-Richtline versucht die GD ENV für die allgemeine Öffentlichkeit in einer kurzen Broschüre darzulegen.

Für den Europäischen Rat und das Europäische Parlament verfasst die GD ENV in bestimmten Zeitabständen einen Bericht, in dem sie die Umsetzung der Nitrat-Richtlinie (91/676/EWG) in den einzelnen Mitgliedsstaaten schildert. Der aktuelle Bericht betrifft den Zeitraum von 2008 bis 2011. Für Deutschland wurde in dem Bericht beispielsweise angemerkt, dass hier neben Finnland mit weniger als einer Messstation je 1000 Quadratkilometern die geringste Dichte an Grundwasser-Messstationen bestehe. Dies ist weniger als ein Achtel des EU-Durchschnitts.

Da in Deutschland und in Malta die höchsten Nitratkonzentrationen gemessen wurden und weil hierzulande gegenüber dem vorhergehenden Berichtszeitraum keine Verbesserung der Wasserqualität zu erkennen war, läuft seit Sommer 2014 die zweite Stufe eines Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik.

Der Bayerische Bauernverband präsentiert die EU-konforme Kuh mit Windel. Foto: © BBV

Bereits im März 2011 hatte die Kommission darauf hingewiesen, dass angesichts des immer besorgniserregenderen Trends bei der Wasserqualität eine Überprüfung der Düngeverordnung notwendig sei. Man wirft Deutschland vor, seinen in der Nitrat-Richtlinie formulierten Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen zu sein. Deutschland hätte nach Ansicht der EU zusätzliche Maßnahmen und verstärkte Aktionen treffen müssen, als deutlich wurde, dass die bislang getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend waren.

Im Oktober 2012 folgte der Hinweis, dass das in Deutschland bestehende Verfahren zur Begrenzung der Düngemittelausbringung nicht geeignet sei, die geforderte Wasserqualität zu schützen. Kritisiert wurden in der Folge auch die Sperrzeiten, in denen die Ausbringung von Dünger nicht erlaubt ist. Diese seien zur kurz bemessen. Bei dem angesprochenen Dünger handelt es sich in erster Linie um Gülle und Mist. In diesem Zusammenhang wurde auch kritisiert, dass die Lagerkapazitäten für die von der Kommission geforderten Sperrzeiten nicht ausreichen würden, um den während der Sperrzeiten anfallenden Dung jeglicher Art sicher einlagern zu können.

Düngeverbot wäre faktisch ein Nutzungsverbot

Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die in Deutschland angewandten Bestimmungen zur Ausbringung von Düngemitteln auf stark geneigten Hängen mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht in Einklang stünden. Man bezog sich dabei auf eine von der Kommission in Auftrag gegebene Studie, die unter dem Titel Recommendations for establishing Action Programmes under Directive 91/676/EEC concerning the protection of waters against pollution caused by nitrates from agricultural sources veröffentlicht wurde.

Teil D dieser Studie fordert für eine Hangneigung ab 15 % besondere Vorkehrungen beim Ausbringen von Dünger. Im Vorschlag der Kommission wurde daraus ein Verbot, Dung auf Flächen mit einer Neigung von mehr als 15 % insbesondere bei einer Hanglänge von mehr als 100 Metern auszubringen. Wer jetzt bemängelt, dass diese Studie in den Niederlanden erarbeitet wurde, wo Hanglagen mit einer Neigung von über 15 % und einer Länge von mehr als 100 Metern eher seltener vorkommen, dürfte eine Schwachstelle dieser Arbeit erkannt haben.

In den deutschen Mittelgebirgen müsste bei einer Umsetzung dieser Vorschläge die Viehwirtschaft eingestellt werden, weil das Verbot einer Ausbringung von Dung außerhalb der Sperrzeiten sowohl den Weidegang praktisch unmöglich machen würde, als auch der Nährstoffkreislauf zwischen Grünland und dem bei der Tierhaltung anfallende Dung unterbrochen würde.

Ein Düngeverbot wäre faktisch ein Nutzungsverbot. Die Konsequenz wäre eine Aufforstung der Fläche. Auch jenseits der Viehwirtschaft wäre mit dem Düngeverbot in Hanglagen der Weinbau in vielen Fällen kaum noch möglich. In Kreisen der Landwirtschaft hegt man daher die Hoffnung, dass die Bundesregierung gegen ein Düngeverbot in Hanglagen notfalls vor dem europäischen Gerichtshof streitet.

Das Berliner Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft äußert sich zu diesem Thema wie folgt:

Der Vorschlag, Düngung ab einer Hangneigung von 15 Prozent generell nicht mehr zu erlauben, stammt von der EU-Kommission. In der geltenden EG-Nitratrichtlinie ist ein solches Verbot nicht gefordert. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt den Vorschlag der EU-Kommission nicht, da sonst zahlreiche Weinbaubetreibe und Grünlandstandorte in Deutschland nicht mehr ordnungsgemäß bewirtschaftet werden könnten. Die Düngeverordnung, mit der die EG-Nitratrichtlinie in nationales Recht umgesetzt wird, wird zurzeit überarbeitet. Ein generelles Düngeverbot in Hanglagen ist dabei nicht vorgesehen.

Da sollten den Kühen die Windeln wohl erspart und die dampfenden Kuhfladen den Mittelgebirgswanderern erhalten werden.

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