Fukushima: Rekordwerte von Cäsium im Grundwasser

Verzögerungen gibt es weiter mit dem Entfernen von radioaktivem Müll aus den Reaktorgebäuden und mit der Lagerung, noch sind alle 48 Reaktoren abgeschaltet

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Gerade erst wieder wurden im Grundwasser des havarierten AKW Fukushima sehr hohe Cäsium-Konzentrationen festgestellt. Gemessen wurden in einem Brunnen in der Nähe von Reaktor 2 an der Küste die bislang höchsten Cäsium-Werte von 251. 000 Becquerel pro Liter. Gemessen wurden auch 7.8 Millionen Becquerel an Betastrahlung (z.B. Strontium-90). Schuld soll der heftige Regen sein, für den der Taifun Fanfone verantwortlich ist. Hohe Radioaktivität wurde auch an anderen Stellen in der Nähe der Tanks gemessen, in denen radioaktiv belastetes Kühlwasser gelagert wird.

Mehr als drei Jahre nach dem schweren Unfall, bei dem es zu einer Kernschmelze gekommen war, ist man noch nicht viel weiter mit der Sicherung und der Dekontaminierung gekommen. Eine neue Schätzung des Betreibers Tepco geht davon aus, dass für das havarierte AKW ein Tsunami mit einer Wellenhöhe von 26 m, doppelt so hoch wie frühere Annahmen, katastrophal gefährlich werden könnte, weil dann Wasser aus den Reaktorbehältern ins Meer gespült würde - belastet mit "hunderten Billionen Becquerel Cäsium-137".

Der Tsunami 2011 hatte nur eine Wellenhöhe von 15,5 m und traf auf die südlichen Küstenbereich, wo die Reaktoren auf einer Erhebung von 10 m stehen. Im nördlichen Bereich, wofür die neue Schätzung berechnet wurde, befinden sich die Reaktoren auf einer Höhe von 13 Metern. Zum Schutz vor kleineren Tsunamis hatte Tepco einen Damm mit einer Höhe von 14 m im südlichen Bereich errichtet. Die neue Risikoschätzung geht davon aus, dass eine Tsunami-Welle höher als Damm und Erhebung sein müsste, um gefährlich zu werden, ob der Damm aber auch kleineren Wellen standhalten würde, ist eine andere Frage. Auch mit einer Höhe von 26 m würden die Tank mit dem radioaktiv belasteten Wasser nicht gefährdet sein, weil sie sich noch höher befinden. Tepco will den Damm nicht weiter erhöhen, sondern die Menge des radioaktiv kontaminierten Wassers verringern, indem es in Gräben bei den Reaktoren geleitet werde.

Reaktor 1 unter der Hülle. Bild: Tepco

Wohin mit dem radioaktiven Abfall?

Ende des Monats soll mit dem Abbau der Hülle von Reaktor 1 begonnen werden. Sie wurde im Oktober 2011 errichtet, um das Entweichen von radioaktiven Substanzen zu verhindern, nachdem eine Wasserstoffexplosion die Mauern und das Dach zerstört hatte. Eigentlich hatte man schon im Juli damit beginnen wollen, um aus dem Reaktorgebäude Müll zu entfernen, der den Zugang zu den Brennstäben im Abklingbecken blockiert. Das Vorhaben, das im Mai 2013 geplant worden war und einige Monate bspäter stattfinden sollte, wurde neuerlich verschoben, nachdem beim Entfernen von Müll von Reaktor radioaktiver Staub entstanden war, der in Fukushima auf Reisfeldern gefunden wurde.

Offenbar besteht nun die Absicht, erst einmal Löcher in die Abdeckung zu bohren, um künstliches Harz hineinspritzen zu können, der den Staub binden und am Aufsteigen hindern soll. Danach soll die Abdeckung erst einmal nur teilweise entfernt werden, um mit einer Videokamera zu beobachten, ob die Maßnahme wirkt. Vollständig entfernt soll sie dann ab März 2015 werden, die Beseitigung des Mülls soll vor Oktober 2016 beginnen. Vorgesehen war eigentlich, mit der Entfernung der Brennstäbe im April 2017 zu beginnen. Das wird sich aber wohl weiter in die Länge ziehen.

Auch das Verbringen von schwach kontaminiertem Abfall bereitet Schwierigkeiten. Bislang wird der Abfall und die kontaminierte Erde an Hunderten von Stellen in Tausenden von Säcken gelagert. Nun will die Regierung aber eine zentrale Lagerstätte auf 16 Quadratkilometern bauen. Das japanische Umweltministerium hatte die ehemals in den evakuierten Städten Okuma und Futaba ansässigen Eigentümer von 2.365 Grundstücken in dem für die Anlage ausgewählten Gebiet in der Nähe des AKW zu Informationsveranstaltungen eingeladen. Dort soll radioaktiver Abfall auch nur vorübergehend, aber bis zu 30 Jahre lang gelagert werden. Zu den 12 Veranstaltungen kamen 900 Eigentümer, weniger als die Hälfte. Manche sind nach Ministeriumsangaben weggezogen und müssen erst gefunden oder kontaktiert werden, manche Eigentümer sind aber auch gestorben, die Rechtsverhältnisse unklar. Angeschrieben werden konnten nur 1296 der Eigentümer.

Aber viele derjenigen, die an den Versammlungen teilgenommen haben, sollen, so berichtet Asahi Shimbun, den Plan der Regierung abgelehnt haben, Land aufzukaufen. Offensichtlich spielt dabei der Preis eine wichtige Rolle. Für eine Frau sei er "zu gering", da viele Bewohner der beiden Städte gezwungen worden seien, als Flüchtlinge zu leben. Manche wollen den ererbten Grund auch nicht hergehen. Daher überlegt man, das Land nur leasen.

Auch wenn die japanische Regierung und die Konzerne darauf drängen, wurde noch keines der abgestellten Atomkraftwerke wieder angefahren. Die Bedenken bei den Menschen sind zu groß, die lokalen Politiker befürchten Proteste und blockieren das Anfahren. Die funktionsfähigen 48 Reaktoren sind weiterhin ausgeschaltet. So erklärte der Gouverneur der Präfektur Niigata, wo sich das AKW Kashiwazaki-Kariwa mit 7 Reaktoren befindet, dass keine AKW ans Netz gehen, solange man die Gründe für die Kernschmelze nicht genau weiß und umliegende Gemeinden keine Notfallpläne ausgearbeitet haben. Das haben viele noch nicht, da der Radius von 20 auf 30 km vergrößert wurde. Zwei der Reaktoren würde der Betreiber gerne ans Netz bringen, allerdings ist das eben Tepco, so dass der Gouverneur erklärt, Tepco habe nicht die Qualifikation, Reaktoren zu betreiben, wenn es noch nicht beantwortete Fragen zum Unfall gibt.

Von der Atomaufsichtsbehörde wurden die beiden Reaktoren des AKW Sendai Anfang September als sicher bezeichnet. Sie könnten die ersten sein, die vielleicht noch in diesem Jahr wieder angefahren werden. Allerdings wollen dies lokale Politiker noch verhindern oder hinauszögern. Entscheiden sollen nämlich nur die Parlamente der Präfektur und der Stadt, bei der das AKW liegt, Politiker aus umliegenden Gemeinden finden das unfair, weil diese bei einem Unfall auch betroffen wären, aber nicht vom laufenden Betrieb profitieren würden. Es müssen allerdings auch noch weitere Tests und Inspektionen durchlaufen werden.