Saudi-Arabien: Gefährliches Todesurteil

Die Entscheidung eines Gerichts in Riad gegen den schiitischen Geistlichen Nimr Al-Nimr führt zu Protesten nicht nur in der saudischen Unruheprovinz Qatif, sondern auch in Teheran

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es ist ein politisch unterlegtes Urteil, das es auf Abschreckung abgesehen hat, aber Spannungen in der Region anheizt: Am Mittwoch verurteilte ein Gericht der saudi-arabischen Hauptstadt Riad einen Mann namens Nimr Al-Nimr zum Tode wegen Anstiftung eines Aufruhrs in Qatif, jener unruhigen Region des sunnitischen Königreiches, wo viele Schiiten leben und es immer wieder zu Protesten kommt (Die Atomisierung der Opposition).

Dort führte das Urteil bereits zu ersten Protesten. Auch aus Irans Führung kommen empörte Reaktionen.

Während Nimr Al-Nimr, ein schiitischer Geistlicher, dem in manchen Berichten, etwa von der BBC, sogar der Titel eines Ayatollah zugeschrieben wird, von saudischen Behörden Aggressivität vorgeworfen wird, was sich dann auch in vielen Medienberichten wiederspiegelt, gibt es auch andere Sichtweisen. So sind etwa in der arabischen Zeitung al-Akhbar Auszüge seiner Ansprüche an Demonstranten in Qatif zu lesen, die eindeutig zum Gewaltverzicht aufrufen.

Nimr Al-Nimr. Bild: Ausschnitt aus einer gefilmten Rede (mit englischen Untertiteln)

Auch die offizielle Darstellung, wonach sich al-Nimr bei seiner Festnahme 2012 - nicht die erste, sondern Teil einer Serie von Festnahmen - den saudischen Sicherheitskräften eine Schussgefecht lieferte, wird bestritten. Dagegen wird der Verdacht geäußert, dass die Polizei "sehr robust" vorgegangen ist, womit die vier Schüsse auf al-Nimr erklärt werden. Unzweifelhaft ist, dass al-Nimr eine wichtige Persönlichkeit der Proteste schiitischer Bürger für mehr Rechte im Königreich ist. Das bestreiten auch die unterschiedlichen Menschenrechtsorganisationen nicht, die nun gegen das Todesurteil protestieren.

Auch in sozialen Netzwerken kam es zu empörten Reaktionen. Politisch relevanter sind aber die Signale, die aus Teheran kommen. Dort meldete sich der stllervertretende Außenminister Hossein Amir Abdollahian zu Wort und kritisierte das Gerichtsurteil als eine Entscheidung, die sich gegen die "Wiederherstellung von Frieden und Ruhe in der Region" richtet. Auch von anderen Staatvertretern und Abgeordneten und besonders seitens der Medien setzte es scharfe Reaktionen, berichtet al-Monitor.

Angenommen wird, dass der saudische König das Todesurteil mit großer Wahrscheinlich in eine langjährige Freiheitsstrafe umwandeln wird. Das dürfte aber wenig daran ändern, dass sich nach einer kurzen Phase mit Zeichen einer Annährung zwischen Riad und Teheran die Fronten wieder verhärten, was sich jüngst bereits gezeigt hat. Saudi-Arabien wirft Iran vor, die schiitischen Huthi-Milizen im Jemen zu unterstützen (Jemen: Schiiten besetzen Hafen) gegen die politischen Gruppen, die von Riad Deckung und Unterstützung bekommen. Teheran ist wiederum wegen der saudi-arabischen Ölpolitik (USA und Saudis setzen auf die "Öl-Waffe") verärgert.

Dazu kommen die konfessionell aufgeladenen Spannungen im Irak, wo nicht nur der IS, dessen religiöse Ausrichtung Anknüpfungspunkte zum Wahhabismus hat, mit brutalstem Vorgehen gegen Andersgläubige Entsetzen verbreitet, sondern auch, wenn auch in geringerem Ausmaß, schiitische Milizen, denen Verbindungen nicht nur zur irakischen Regierung nachgesagt werden.