Nichts Neues von MH17?

Drei Monate nach dem Absturz des Malaysian-Airlines-Flugs MH17 bleiben die wichtigsten Fragen ungeklärt

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Die Umstände des Absturzes der malaysischen Boeing 777 auf dem Flug von Amsterdam-Schiphol nach Kuala Lumpur sind bis heute trotz des inzwischen vorliegenden Zwischenberichts weitgehend ungeklärt. Er war jedoch offensichtlich eines der wichtigeren Themen beim ASEM-Treffen in Mailand, auch wenn die deutschen Medien in dem Zusammenhang nur auf das Gespräch zwischen Merkel und Putin und die Zwischenlösung der ukrainischen Gasversorgung für den kommenden Winter (Zahlt die EU die ukrainische Gasrechnung?) blicken.

Wrackteil von MH17. Bild: Jeroen Akkermans/CC-BY-SA-2.0

Das 10. Asia-Europe Meeting (ASEM) fand dieses Jahr in Mailand statt und ist eines der wichtigsten eurasischen Treffen, das in Deutschland jedoch meist ein wenig im Windschatten atlantischer Zusammenkünfte steht. Es findet alle zwei Jahre statt und wurde 1996 als Dialog- und Kooperationsforum zwischen Europa und Asien gegründet und umfasst heute aus Asien die zehn ASEAN-Mitglieder, das Sekretariat der ASEAN sowie Australien, Bangladesch, China, Indien, Japan, Republik Korea, Mongolei, Neuseeland, Pakistan und aus Europa die 28 EU-Mitgliedsstaaten, die EU-Kommission sowie Norwegen und die Schweiz.

In Mailand hatten sich der malaysische Ministerpräsident Datuk Seri Najib Razak und sein holländischer Kollege Mark Rutte getroffen und vereinbart, dass der Absturz von MH17 beim Besuch Ruttes in Malaysia am 5. November ein wichtiger Diskussionspunkt sein werde. Rutte befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg nach Australien. Die meisten Opfer an Bord von MH17 waren Niederländer, Malaysier und Australier.

Ministerpräsident Najib bestätigte zahlreiche Gespräche mit Vertretern anderer Länder am Rande des Treffens in Mailand und sieht sein Land als Opfer eines geopolitischen Konflikts, äußerte sich aber in Mailand zumindest öffentlich nicht zum weiteren Vorgehen Malaysias im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz über der Ostukraine.

In Australien soll das Thema MH17 im kommenden Monat wieder auf den Tisch gebracht werden. Nachdem Australiens Regierungschef Tony Abbott mit seinem Plan, den russischen Präsidenten wegen der Vorwürfe im Zusammenhang mit der Ukraine vom kommenden G20 Gipfel am 15. und 16. November im australischen Brisbane ausschließen zu lassen, gescheitert ist, will er sich Putin nun in Brisbane vorknöpfen und mit ihm ein robustes Gespräch führen.

Er will ihm vorwerfen, dass 38 Australier ermordet worden seien. Sie seien von Rebellen ermordet worden, die von Russland unterstützt werden und von Russland gelieferte Ausrüstung verwendet hätten. Dass beim Abschuss von MH17 Waffen aus russischer Produktion im Spiel waren, ist wenig umstritten.

Solange die eingesetzte Waffe jedoch nicht eindeutig identifiziert wurde, ist diese Aussage wenig aussagekräftig, da wohl beide in Frage stehenden Parteien auf derartige Waffensysteme oder Teile davon Zugriff haben konnten. Wenn Abbott jedoch wirklich belastbares Material gegen Russland hätte, warum wartet er dann mit seinem Auftritt bis Mitte November, wenn er die Gelegenheit schon beim ASEM-Treffen in Mailand für einen entsprechenden Schlagabtausch mit Putin hätte nutzen können.

Doch ein Abschuss aus einer Militärmaschine?

Am 10. Oktober war bekannt geworden, dass eines der Absturzopfer mit einer angelegten Sauerstoffmaske gefunden wurde. Dies würde darauf hindeuten, dass es im Flugzeug zu einem Druckabfall gekommen sein müsste, welcher die Freigabe der Sauerstoffmasken ausgelöst hätte. Da jedoch nur eine Leiche mit Sauerstoffmaske gefunden wurde und keine Informationen vorliegen, dass eine Freigabe der Masken erfolgt ist, bleibt dieses Indiz wenig belastbar.

Der Blog "The Santos Republic" versucht in einem Überblick nochmals die möglichen Absturzursachen zusammenzufassen und zu analysieren. Er stellt beispielsweise fest, dass es offensichtlich keine Augen- oder Ohrenzeugen für den Start einer BUK-M1 gibt, obwohl der Start einer Rakete aus einem BUK-M1-System für etwa 15 Sekunden ein im Umkreis von mehreren Kilometern nicht zu überhörendes Geräusch verursache und die Rakete einen Kondensstreifen nach sich ziehe, der für mehrere Minuten zu sehen sein sollte. Da zudem für den Start der Rakete mehrere Personen benötigt würden, erschiene es unwahrscheinlich, dass dies alles vollständig geheim und unbeobachtet abgelaufen sein könnte.

Vor diesem Hintergrund tendiert man bei "The Santos Republic" zur These des Abschusses durch ukrainische Militärmaschinen. Deren Anwesenheit im Luftraum um das Absturzgebiet gilt jedoch als umstritten. Und in der hier entwickelten Darstellung fehlen zudem andere zivile Flugzeuge wie die Air-India-Maschine, die vom zuständigen Fluglotsen angesprochen wurde, als dieser keinen Kontakt zum Flug MH17 aufbauen konnte. Die Situationsanalyse ist also unvollständig.

Nachdem auch die schlagzeilenträchtigen Ankündigung von Mitte September, die ein Kopfgeld von 30 Millionen US-Dollar für Informationen aussetzte, die zur Feststellung der Verantwortlichen für den Absturz vonMH17 führen würde, bislang ohne Resonanz geblieben zu sein scheint, wird die Aufklärung des offensichtlichen Abschusses noch länger auf sich warten lassen. Zudem eignet sich der Vorfall wohl auch ganz gut, den russischen Präsidenten dem Vorwurf auszusetzen, er wäre für den Abschuss verantwortlich. Warum legt nun Russland keine eindeutigen Informationen über den Abschuss auf den Tisch? Hat man diese nicht oder will man nicht offenlegen, wie genau man die Ukraine beobachten kann?