Wählen mit dem Einkaufskorb?

Caspar Dohmen über Wirksamkeit und Grenzen ethischen Konsums

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In Deutschland ist mittlerweile jeder Fünfte von der Idee des moralischen Einkaufens überzeugt und tatsächlich wimmelt es nicht nur in Bio-Märkten von Produkten mit ethischen Gütesiegeln. Aber wie fair ist der "faire Handel" wirklich? Was kann man damit tatsächlich erreichen und wo steht der Konsument der ökologischen und sozialen Entwicklung machtlos gegenüber? Diesen Fragen widmet sich Caspar Dohmen in seinem Buch Otto Moralverbraucher der Wirtschaftsjournalist - und zeichnet dabei ein ambivalentes Bild des grünen Geschäfts.

Herr Dohmen, können Sie den Siegeszug der Idee des "politisch korrekten Einkaufens" für uns kurz nachzeichnen?

Caspar Dohmen: Die Idee, mit gezieltem Einkauf etwas zu verändern ist erstmals im Zusammenhang mit der Sklaverei Ende des 18. Jahrhunderts aufgetaucht. Ein Grund lag damals sicher darin, dass viele Menschen zu dieser Zeit in England noch gar keine politischen Wahlrechte hatten und mit ihren politischen Druckmitteln wie etwa Petitionen an ihre Grenzen stießen. Sie dachten sich dann aus, mittels eines Zucker-Boykotts die Elite zu treffen und die Regierung unter Druck zu setzen, um ihr Ansinnen durchzusetzen. Damals haben sich tatsächlich mehrere hunderttausend Menschen daran beteiligt und dies hat auch dazu beigetragen, eine öffentliche Debatte anzufachen, die am Ende zur Abschaffung der Sklaverei führte.

Seitdem haben Menschen immer wieder auf das Instrument des politischen Konsums gesetzt, bis in unsere Tage in Deutschland. Vor allem die Idee des gezielten Einkaufens, also des "Buykotts", ist seit den Siebziger Jahren immer populärer geworden.

"Ein sehr begrenzter Einflussbereich"

Was sind die rationalen Elemente dieser Idee und wie viel Marketing steckt dahinter?

Caspar Dohmen: Grundsätzlich hat jeder abhängig von seinem Einkaufsverhalten als Konsument eine gewisse Marktmacht, die er auch nutzen kann. Nur besitzen diese Marktmacht vor allem die Leute, die über ein gewisses Einkommen verfügen. Außerdem ist das Spektrum, innerhalb dessen man tätig werden kann, begrenzt, denn es gibt viele Dinge, auf die man keinen Einfluss hat. Das mussten beispielsweise die Leute erfahren, die FCKW boykottierten wollten, weil es die Ozon-Schicht zerstört: Auf Spraydosen konnten sie verzichten, auf FCKW-freie Kühlschränke nicht. Die gab es nämlich noch gar nicht. Außerdem wurde ein Großteil dieser FCKW's in der Industrie verbraucht, also in einem Bereich, wo Unternehmen mit Unternehmen handeln und kein Verbraucher Einfluss hat. An dieser Stelle ist jemand in seiner Rolle als Konsument machtlos.

Es existiert also nur ein sehr begrenzter Einflussbereich. In diesem ist es aber wiederum so, dass die Unternehmen, die bekannte Marken herstellen, doch recht empfindlich sind, wenn es um ihr Image geht. Viele Textil-Unternehmen wollen es beispielsweise durchaus unterbinden, dass es im Zusammenhang mit ihnen Bilder von Kinderarbeit oder zusammengestürzten Häusern in den Medien zu sehen gibt. Wenn es aber darum geht, Arbeitern, die ihre Produkte herstellen, tatsächlich existenzsichernde Löhne zu zahlen, sieht es schon wieder ganz anders aus. Das Ganze ist also ein sehr parzelliertes Geschehen und man muss tatsächlich genau aufpassen, an welcher Stelle man als Verbraucher etwas bewirken kann und wo man völlig machtlos ist.

"Der Durchschnittsdeutsche gibt dafür etwa nur acht Euro im Jahr aus"

Gibt es Beispiele, bei denen der Fair-Trade-Gedanke für eine echte Verbesserung der Arbeitsbedingungen gesorgt hat und wo liegen die Grenzen ethischen Konsumierens?

Caspar Dohmen: Ich habe Kaffeebauern in Lateinamerika besucht, die selber noch in Hütten leben, welche mit Zeitungspapier tapeziert sind und Lehmböden haben, deren Kinder aber mittlerweile studieren, weil sie aufgrund des "fairen Handels" ein stabiles Einkommen haben. Man kann nachweisen, dass die Kaffeebauern, die am Fair-Trade-System partizipieren konnten, etwas davon gehabt haben und beispielsweise selbst in schweren Kaffeekrisen über die Runden gekommen sind.

Es gibt hier auch eine Reihe von Studien, die nachweisen, dass der "faire Handel" einen positiven Effekt hat, was aber gar nicht mal so sehr damit zusammenhängt, dass die Bauern sehr viel mehr Geld verdienen als konventionelle Kleinbauern, sondern dass sie sich organisieren, daraufhin eine gesellschaftliche Bewusstseinsbildung stattfindet und dann zum Beispiel als Kooperative eine Straße bauen, die der Staat nicht auf die Reihe bekommt. Oder eine Kooperative kauft sich einen Lkw, um Zwischenhändler zu umgehen, die sie häufig über den Tisch gezogen haben.

Caspar Dohmen. Foto: © Hoffotografen, Berlin

Und inwiefern ist auch hier die Reichweite dieses System begrenzt?

Caspar Dohmen: Es gibt ein Überangebot bei einigen fairen Waren, die dann als konventionelle Waren in die Regale wandern, weil viel zu wenige faire Waren kaufen. Der Durchschnittsdeutsche gibt dafür etwa nur acht Euro im Jahr aus. Außerdem hilft das System nur einigen Wenigen. Landarbeiter ziehen zum Beispiel bislang kaum Vorteile aus dem fairen Handel. Zu glauben, dass damit die ganze Welt der Kleinbauern und Fabrikarbeiter verändert wird, ist ohnehin illusorisch. Und dennoch kann man durch gezieltes Einkaufen an bestimmten Stellen mit dazu beitragen, dass im Kleinen Instrumente entwickelt werden wie Mindestpreise, längerfristige Abnahmeverträge und Transparenz.

Die Übertragung solcher Instrumente auf die gesamte Wirtschaft muss aber gesellschaftlich und politisch und nicht aus der Rolle als Konsument heraus erfolgen.

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