Wahlen als Schauspiel

Heute finden Wahlen in den "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk statt, die kaum anders denn als eine Farce bezeichnet werden können

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Heute finden in den "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk Wahlen statt, die schon deswegen nur eine Scheindemokratie inszenieren, weil es über die separatistischen Parteien hinaus, die antreten dürfen, keine Oppositionsparteien gewählt werden können, aber auch andere prorussische Gruppen ausgeschlossen bleiben. Dazu kommt, dass in dem Minsker Abkommen beschlossen wurde, dass die Gebiete zwar einen zeitlich befristeten Sonderstatus haben sollen, was Kiew auch gesetzlich umgesetzt hat, aber dass die Wahlen nach ukrainischem Recht stattfinden müssen. Darüber setzen sich die Separatisten hinweg, die auch klar gemacht haben, dass sie - Minsk hin oder her - weiter eine Unabhängigkeit von Kiew anstreben. Unterschrieben hatten die Vereinbarung Sachartschenko, der Regierungschef von Donezk, und Plotnitsky, der Präsident von Lugansk.

Die Separatisten wollen ganz offensichtlich durch die Wahlen eine demokratische Legitimation für die Unabhängigkeit ihrer "Volksrepubliken" schaffen und Machtkämpfe zwischen den Gruppen und Milizen beenden. Nur der russische Außenminister Lawrow hat bislang erklärt, dass Russland die Wahl anerkennen wird. Man will wohl ein ähnliches Szenario schaffen wie auf der Krim, wo auf die Schnelle ein Volksentscheid durchgeführt wurde, um die Unabhängigkeit und dann des Anschluss an Russland als Willen des Volkes zu reklamieren. Im Donbass wurden die "Volksrepubliken" zwar auch nach einem "Volksentscheid" etabliert, aber dies geschah bereits inmitten des von Kiew beschlossenen militärischen Vorgehens durch die sogenannte Antiterroroperation. Moskau hat wohl von Anfang an nicht auf eine Übernahme der Region gesetzt, sondern wollte über die Region seinen Einfluss auf die Ukraine sichern. Das wäre möglich, wenn "Neurussland" unabhängig bzw. der Status eingefroren würde oder durch eine starke Dezentralisierung der Ukraine.

Aber es würde auch schon reichen, den Machthabern der "Volksrepubliken" eine Art demokratische Legitimation zu verleihen, um Kiew dazu zu bringen, mit diesen in Zukunft als Vertreter der Bevölkerung in Donezk und Lugansk direkt zu verhandeln. Zur Stärkung der Separatisten hat Moskau noch schnell vor der Wahl einen Hilfskonvoi nach Lugansk geschickt, der inzwischen wieder nach Russland zurückgekehrt ist. Allerdings dürfte wie schon bei den Volksabstimmungen auf der Krim und im Mai die Legitimität formell kaum zu erbringen sein. Unbekannt ist, aus welchen Gründen aus prorussische Parteien wie Oplot oder die Gruppe des ehemaligen "Volksgouverneurs" Gubarev, auf den vor kurzen ein Anschlag verübt wurde, von der Wahl ausgeschlossen wurden, wie viele Menschen noch im Donbass leben, ob die Wählerverzeichnisse vollständig sind, ob sie frei, geheim und nicht manipuliert durchgeführt werden, also schlicht, was es bedeuten wird, wenn angeblich eine Mehrheit für die separatistischen Kandidaten stimmt. Dass es eine Mehrheit sein wird, daran dürfte kaum zu zweifeln sein. Es werden auch einige Wahlbeobachter vor Ort sein, auch aus der EU.

Dass Moskau die Wahlen anerkennen will, obgleich die Separatisten in den letzten Tagen erklärt haben, dass sie zur Not auch mit Gewalt Mariupol, Kramatorsk und Slawjansk ihrem Gebiet einverleiben wollen, und mit den Wahlen ganz offenkundig das zwischen Kiew, Moskau und den Separatisten unter dem Vorsitz der OSZE verhandelte Minsker Abkommen verletzen, ist kein gutes Zeichen und untergräbt nicht die Möglichkeit, aber doch das Vertrauen in eine friedliche Lösung durch Verhandlungen, wie das auch Kiew auf Druck des Maidan hin gemacht hat, als die Vereinbarung mit Janukowitsch einfach auf den Müll geworfen wurde. Bislang wurden nur Gefangene ausgetauscht und größere Kriegshandlungeneingestellt, aber es kommt täglich an verschiedenen Orten zu Kämpfen zwischen ukrainischen Truppen und separatistischen Milizen, für die wie üblich jede Partei der anderen die Verantwortung in die Schuhe schiebt. Dass die Kämpfe jetzt vor den Wahlen zugenommen haben, könnte auf Kiew zurückgehen, um so Unsicherheit zu verbreiten. Dabei sterben nicht nur täglich Soldaten und bewaffnete Separatisten, sondern auch Zivilisten. Einem wirklichen Waffenstillstand scheint man sich ebenso wenig zu nähern wie der Einrichtung der in Minsk vereinbarten Pufferzonen.

Handheben für die Todesstrafe.

Von Rechtstaatlichkeit scheinen die Separatisten zudem nicht viel zu halten. Das wurde schon anhand zahlreicher Menschenrechtsverletzungen deutlich, die Menschenrechtsorganisationen den Separatisten vorgeworfen haben, allerdings auch den ukrainischen Milizen. Kurz vor der Wahl wurden nun von einem "Volksgericht" zwei Männer zum Tode verurteilt. Da dies über ein verherrlichendes Video veröffentlicht wurde, darf man annehmen, dass dies als Demonstration verstanden werden soll, wie die Rechtsprechung stattfindet. Die beiden Männer werden beschuldigt, eine Vergewaltigung begangen zu haben. Verteidiger haben sie offenbar keine, es findet auch kein normales Gerichtsverfahren statt, die Klage basiert auf der Aussage einer Frau. Die "Richter" sagen, dass das Vergehen eine Todesstrafe nach sich ziehen müsse. Die anwesenden Menschen sollen darüber abstimmen, angeblich haben sie mehrheitlich für die Todesstrafe gestimmt. Vermutlich wollen die Machthaber in Lugansk damit zeigen, dass sie scharf gegen Kriminelle vorgehen, die Ordnung wiederherstellen und im Namen des Volks Recht sprechen. In der Ukraine wurde die Todesstrafe abgeschafft, im August wurde sie in den beiden "Volksrepubliken" wieder eingeführt.

Hilfreich ist allerdings auch nicht die Warnung von Oleksandr Danyliuk, einem Berater des ukrainischen Verteidigungsministeriums, dass alle Teilnehmer an den Wahlen "mit allen Konsequenzen als Komplizen der Terroristen betrachtet" werden können. Im Minsker Abkommen war auch den Vertretern der Volksrepublik, sofern sie keine schweren Verbrechen begangen haben, Straffreiheit zugesichert worden.

Nachdem der ukrainische Präsident Poroschenko mit seinem Block bei den Wahlen eine schwere Schlappe hinnehmen musste, auch wenn dieser die meisten Abgeordneten stellt, wurde dem jetzigen Regierungschef Jazenjuk, Führer der in den Wahlen erfolgreiche Volksfront, in Aussicht gestellt, sein Amt weiterzuführen. Mit Jazenjuk ist gegenüber dem pragmatischen Poroschenko dann weiter ein Falke an der Regierung, der durchaus Interesse haben wird, den Konflikt mit den "Volksrepubliken" zuzuspitzen und Verhandlungen mit deren "demokratisch legitimierten" Vertretern abzulehnen.