Gauck will Ramelow nicht als MP

Der Bundespräsident beteiligt sich an der Regierungsbildung in Thüringen

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Der Bundespräsident hält mit seinen politischen Meinungen nicht hinter dem Berg. Jetzt hat er, in den wohlgesetzten und dennoch eindringlichen Formulierungen des gelernten Pastoren, in den regierungsbildenden Prozess des Bundeslandes Thüringen eingegriffen, auf öffentlich-rechtliche, televisionäre Weise.

Bundespräsident Gauck auf der Sicherheitskonferenz 2014 in München. Bild: Kleinschmidt / MSC/CC-BY-SA-3.0

Eine rot-rosa-grüne Koalition mag Gauck nicht. Teilen der Linkspartei sei Vertrauen nicht zu schenken, es sei da die SED-Geschichte noch nicht bewältigt. Obwohl er als Präsident das thüringische Wahlergebnis "respektiere" ( was Großzügigkeit zeigt). Das Wahlergebnis - aber nicht dessen mögliche Konsequenz; dem Publikum dürfte die Botschaft klar sein: Bodo Ramelow soll nicht Ministerpräsident werden.

Die bundespräsidiale Einmischung in den Diskurs kann eindeutige Folgen haben, denn noch ist nicht entschieden, ob alle sozialdemokratischen und grünen Landtagsabgeordneten demnächst ihre Stimme für Ramelow abgeben. Aus den Reihen von SPD und Grünen ist Murren über die Aussage Gaucks zu hören, die Linkspartei ist maßvoll empört: Gauck habe sich "ungehörig" verhalten, ein Bundespräsident dürfe doch nicht in die Parteienpolitik eingreifen, das Bundesverfassungsgericht habe ihm die "Integrationsfunktion" zugeschrieben. Auch "bürgerliche" Kommentatoren, die sonst Gauck für einen Glücksfall halten, sind besorgt: Hat er diesmal die Grenzen seines Amtes überschritten?

All diese Kritiken haben etwas Verwunderliches. Joachim Gauck als Bundespräsident scheut ja generell nicht davor zurück, in politische Entscheidungsprozesse hineinzureden, stets pastoral in der Sprache, aber in der Substanz keineswegs unparteiisch. Seine Stellungnahmen in Sachen deutscher militärischer Außenpolitik haben vermutlich mehr Gewicht als jetzt die Intervention in thüringische Landespolitik. Und zu fragen ist, ob denn wirklich alle politisch interessierten Bürger hierzulande den Wunsch haben, dass ein Bundespräsident sie ideologisch "integriere". Um persönlich zu werden: Ich verzichte gern darauf.

Gauck verhüllt seine Parteinahmen nicht - das hat einen Vorteil: Man weiß, woran man mit diesem Präsidenten ist. Ideologischen Gehorsam kann er nicht verlangen, so feudal geht es in diesem Staat nicht zu.