Eine Million Menschen sollen an der Wahl im Donbass teilgenommen haben

Rechtmäßig war die Wahl nicht, die gegen das Minsker Abkommen verstieß, aber nun wird man damit leben müssen

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Sachartschenko, der "Regierungschef" der "Volksrepublik" Donezk, dürfte in seinem Amt nach den Wahlen bestätigt werden. Diese werden bislang nur von Russland anerkannt, ansonsten werden sie als illegal abgelehnt. Auch die OSZE hat vor den Wahlen darauf hingewiesen, dass sie gegen das Minsker Abkommen verstoßen. 1.012.682 Menschen sollen an der Wahl teilgenommen haben. Die Zahl der eigentlich Wahlberechtigten liegt über 3 Millionen, allerdings sind viele Menschen aus den Gebieten geflohen. Daher ist die Frage nach der Wahlbeteiligung kaum zu beantworten. In Lugansk soll sie nach den Separatisten 60 Prozent betragen haben.

In den "Volksrepubliken" und in den russischen Staatsmedien will man die durchgeführten Wahlen eben nicht nur als Willensbekundung der Menschen in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten des Donbass verstanden wissen, sondern will anerkannt sehen, dass die rechtmäßig durchgeführt wurden und deshalb die Gewählten als legitime Volksvertreter auftreten können. Allerdings muss man dabei zu Lügen greifen, was dem Ansehen der Führung der "Volksrepubliken" keinen guten Dienst erweist.

Als Standardargument wurde erklärt, dass im Minsker Abkommen kein Zeitpunkt die lokalen Wahlen festgelegt wurde: "Dort hieß es", so sagte Sachatschenko erneut, "dass wir berechtigt sind, Wahlen abzuhalten. Dort wurde kein Datum dafür angegeben. Die Volksrepublik Donezk hat die Minsker Vereinbarungen in vollem Umfang erfüllt."

Was das Datum betrifft, ist das richtig, aber dann folgt die Lüge: "Ich habe das Minsker Protokoll unterzeichnet, ich habe es gelesen. Dort steht nicht, dass die Wahlen nach den ukrainischen Regeln abgehalten werden sollen." Allerdings steht dort genau, dass "vorgezogene lokale Wahlen" nach dem ukrainischen Gesetz durchgeführt werden sollen, das Donezk und Lugansk vorübergehend eine "lokale Selbstverwaltung" ermöglicht. Das Gesetz wurde von der Rada verabschiedet und von Präsident Poroschenko Mitte September ratifiziert. Der Sonderstatus gilt für drei Jahre, die lokale Verwaltung muss aber in Übereinstimmung mit der ukrainischen Verfassung und ukrainischen Gesetzen stehen.

Allerdings hat Sachartschenko eben das "Gesetz über die Selbstverwaltung bestimmter Gebiete in Donezk und Lugansk" Mitte Oktober als ungültig zurückgewiesen. Die Ukraine könne beschließen was sie wolle: "Wir sind ein unabhängiger Staat und unsere Bürger haben sich dafür entschieden." Damit verwies er auf die ebenfalls zweifelhafte Volksabstimmung im Mai. Es gebe keine "Sondergebiete" im Donbass: "Es gibt nur die Volksrepublik, unsere Republik, die die Kontrolle über die ganzen besetzten Territorien in den Grenzen des Oblast Donezk der Ukraine Erlangen wird."

Realistisch betrachtet dürfte die Wahl nur erneut dazu dienen, dass sich Kiew mit den durch diese wie immer auch legitimierten Vertretern an den Tisch setzen muss, soll eine friedliche Lösung durch Verhandlungen erreicht werden. Ob das Ergebnis anders gewesen wäre, wenn die Wahl, wie von Kiew beschlossen, am 7. Dezember durchgeführt worden wäre, ist fraglich. Allerdings haben die "Volksrepubliken" unerwünschte Gegenkandidaten aus prorussischer Provenienz von den Wahlen ausgeschlossen. Auch die Kommunisten durften nicht antreten, die in der Ukraine wegen der Unterstützung der Terroristen strafrechtlich verfolgt werden sollen.

Die Dämonisierung der Wahl, wie sie in der Ukraine etwa vom Geheimdienst SBU propagiert wird, scheint gleichwohl ebenso wenig hilfreich zu sein wie die fortgesetzte Rede von "Terroristen" und "Kriminellen", zumal sich der Konflikt erst ab dem Zeitpunkt rapid verschärft hatte, als Kiew militärisch, aber unter dem Titel der "Antiterroroperation" gegen die Separatisten in der Ostukraine vorgegangen war. Jetzt bezeichnet der SBU die Wahllokale als "Fallen", in die Menschen "zynisch mit Gewalt oder durch Verführung" gelenkt wurden. Es seien während der Wahl schwere Fälle von Missbrauch begangen worden. Tatsächlich wurde den Menschen, nachdem passend ein weiterer russischer Hilfskonvoi nach Lugansk gekommen war, auch am Wahltag Lebensmittel angeboten. Die Wahl sei auch deswegen ausgeführt worden, um eine Datenbank über die Menschen aufzubauen und sie für die "kriminellen Bedürfnisse" der Volksrepubliken zu kategorisieren.

Inwieweit sich Kiew an die Zusage im Minsker Abkommen halten wird, Politiker und Amtsträger der Sondergebiete nicht strafrechtlich zu verfolgen, wenn sie keine schweren Verbrachen begangen haben, muss man absehen. Das Verteidigungsministerium hatte vorweg gewarnt, dass alle Teilnehmer an den Wahlen auch als Unterstützer der Terroristen betrachtet werden können.

Gegen die von den "Volksrepubliken" eingeladenen Wahlbeobachter will man aber vorgehen. Sie sind aus der Sicht der Ukraine illegal über Russland in die Ukraine eingereist. Die "ausländischen Pseudobeobachter" sollen nun zu personae non gratae erklärt werden, so der SBU. Mit solchem Vorgehen werden die Beobachter nur aufgewertet.

Offensichtlich sind vor allem solche aus Europa angereist, die aus der rechten Ecke stammen. Das ist besonders deswegen blamabel, weil man in Russland und in den "Volksrepubliken" die Faschisten in Kiew verortet. Beobachter waren einige Vertreter der Berlusconi-Partei, ein Rechtsextremer aus Frankreich (EODE), ein Vertreter von Vlaams Belang sowie einer von Jobbik, Rechtsextreme aus Serbien oder der Deutsche Manuel Ochsenreiter, der für das rechte und fremdenfeindliche Journal "Zuerst!" schreibt. In den russischen Medien wird auf die Hintergründe dieser Wahlbeobachter nicht eingegangen, ausgerechnet die Rechten sollen aber die Rechtmäßigkeit bestätigen.

Nach dem OSZE-Beobachter Daniel Baer wurde eine Drohne duirch einen Jammer zum Absturz gebracht. Das soll während eines "von Russland unterstützten Angriffs von Separatisten" geschehen sein. Angeblich sollten damit Verletzungen des Minsker Abkommens verschleiert werden. Von der OSZE offiziell bestätigt wurde der Vorfall nicht.