Immer mehr Deutsche in der Schuldenspirale

Nach dem SchuldnerAtlas 2014 nimmt die Zahl der Überschuldungsfälle spürbar zu

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Der Wirtschaft geht es gut, wenn die Menschen konsumfreudig sind. Dafür brauchen sie Geld, sind also auch Lohnsteigerungen notwendig, um nicht von Renten etc. zu sprechen. Zwar gab es in den letzten Jahren einen leichten Anstieg der Realeinkommen, vor allem wegen dem geringen Anstieg der Verbraucherpreise, aber die zwischen 2001 und 2009 erlittenen Einbußen werden noch nicht wettgemacht. Und es gab praktisch keine Veränderung des Realeinkommens im Vergleich zu den neunziger Jahren. Dagegen steigen bekanntlich die Vermögen und werden die Reichen immer reicher. Aber das fließt nicht in den Konsum, sondern eher zu den Börsen.

Dass die Entwicklung nicht gut verläuft, lässt sich auch an den Zahlen im gerade von CreditReform, Boniversum und micron veröffentlichten SchuldnerAtlas 2014 sehen, nach denen die Verschuldung der Verbraucher in Deutschland weiter zunimmt. Die Schuldnerquote ist zwar nur leicht von 9,81 Prozent auf 9,90 Prozent aller Deutschen über 18 Jahre gestiegen, aber das sind doch 90.000 Personen oder 1,4 Prozent mehr. Nach einem Rückgang der Zahl der Überschuldeten im Jahr 2008 steigt sie seitdem kontinuierlich wieder an, möglicherweise wird Konsum nachgeholt, da man sich in den Krisenjahren zurückhalten musste.

Mit 6,7 Millionen Menschen sind fast 10 Prozent der Bevölkerung überschuldet und, wie es so schön heißt, von "nachhaltigen Zahlungsstörungen" heimgesucht. Dabei haben die Fälle mit hoher "Überschuldungsintensität" um 2,8 Prozent oder 105.000 Fälle zugenommen, weil aber die Fälle der "geringeren Überschuldungsintensität" abgenommen haben, kommt man insgesamt auf die oben genannten 90.000.

Überschuldung liegt dann vor, wenn der Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen auch in absehbarer Zeit nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhaltes weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

SchuldnerAtlas 2014

Die wichtigsten Gründe für Überschuldung sind an erster Stelle Arbeitslosigkeit, gefolgt von Scheidung/Trennung, unwirtschaftlicher Haushaltsführung ("irrationales Konsumverhalten) und Krankheit sowie gescheiterte Selbstständigkeit.

Die Männer treibt es häufiger in die Schulden, die verschulden sich mit durchschnittlich 36.500 Euro auch stärker als die Frauen mit 28.100 Euro. Aber die Frauen holen auf. Jetzt sind 2,56 Millionen überschuldet, 48.000 mehr als 2013, bei den Männern sind es 4,12 Millionen, 41.000 mehr. Zwar nehmen also die Schuldner zu, aber die Schuldenhöhe ist von 36.900 Euro im Jahr 2006 auf 32.600 in diesem Jahr gesunken. Die Gesamtschuldenhöhe beträgt 217,8 Milliarden Euro. Bei den Über-70-Jährigen fällt die Überschuldung mit 134.000 Fällen "relativ gering" aus, schreibt Creditreform. Die haben auch in der Regel noch bessere Renten als die nachkommenden Generationen, aber gegenüber 2013 ist doch auch ein großer Anstieg von mehr als 20 Prozent zu verzeichnen. Die Zahl der jungen Menschen unter 29 Jahren ist hingegen gegenüber 2013 um 45.000 auf 1,75 Millionen gesunken, betrachtet man jedoch den Zeitraum von 2004 bis 2014, in dem die Zahl der Überschuldeten um 68 Prozent gewachsen ist, dann handelt es sich wahrscheinlich nur um einen temporären Rückgang.

Angeblich sind etwa 15 Prozent der 7,25 Millionen Bezieher der sozialen Mindestsicherung überschuldet. Wer hier gefangen ist, gibt seine Situation und vielleicht sein Verhalten an die Kinder weiter, was man "generationsübergreifende Überschuldung" nennt. Nach der Einschätzung von befragten Sozialämtern und Schuldnerberatungsstellen geht man dort davon aus, dass diese in den letzten Jahren zugenommen hat. Creditreform geht wohl realistisch davon aus, dass mit der derzeit schwächelnden Wirtschaft die Arbeitslosigkeit wieder anziehen und damit auch die Überschuldung noch stärker wachsen wird, man könnte auch sagen, dass die Armut zunimmt. Verantwortlich für den Anstieg wird auch eine "Erosion der Sparkultur", inklusive mangelnder Altersvorsorge, gemacht.

Die mit Abstand höchsten Schuldnerquoten weisen weiterhin diejenigen Milieus auf, die der unteren Mittelschicht resp. der Unterschicht zuzurechnen sind, also Hedonisten ("Die Spaßorientierten") und Prekäre ("Kompensationskonsum"). SchuldnerAtlas 2014

Die Überschuldung der Verbraucher ist regional unterschiedlich. In den reichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg ist sie am niedrigsten, unterdurchschnittlich ist sie aber auch in Sachsen und Thüringen. Nicht gestiegen ist die Schuldnerquote nur in Hamburg und in Berlin, gleichwohl gibt es in Berlin (13%), in Bremen (14%) und in Sachsen-Anhalt (12,6%) den größten Anteil an Überschuldeten. Der Anstieg der Überschuldeten ist im Osten dreimal so stark wie im Westen, aber das hängt auch damit zusammen, dass im Osten die Bevölkerung schrumpft, während sie im Westen wächst. Im Norden Deutschlands sind die Menschen eher überschuldet als im Süden, die Problemzone liegt nach dem Atlas im Westen:

Hier findet sich insbesondere im Ruhrgebiet, mit seinen zum Teil noch altindustriell geprägten, strukturschwachen Regionen, ein "Hotspot" sozialer Problemlagen, die sich aus einer Gemengelage von hoher Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut und hohen sozialen Transferleistungen zusammensetzen. Folglich bleiben die Regionen um das Ruhrgebiet das eigentliche "Sorgenkind" der Überschuldungsentwicklung - Tendenz weiter zunehmend.

Die 10 Landkreise mit der geringsten Schuldnerquote liegen wie Eichstätt, Schweinfurt oder Straubing alle in Bayern, am stärksten verschuldet sind Bremerhaven, Pirmasens, Offenbach am Main oder Wuppertal. Bei den Städten mit mehr als 400.000 Einwohnern liegen Duisburg, Dortmund, Essen, Leipzig, Berlin und Bremen vorne.