In Kiew wächst die Angst vor den Milizen

Gefürchtet wird, dass die rechtsextremen Milizen gegen den Präsidenten putschen könnten

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Wer nicht mit Scheuklappen versehen nur auf die "Terroristen" und Russen blickte, sondern auch einen kritischen Blick auf die ukrainische Politik warf, hatte schon bei den Maidan-Protesten sehen können, dass die Allianz zwischen gewalttätigen Rechtsextremisten und den Oppositionsparteien, zu denen mit Swoboda auch eine rechtsextremistische Partei gehörte, brisant war. Spätestens mit der Ablehnung des Abkommens der Parteien mit der Janukowitsch-Regierung über eine friedliche Übergangslösung durch die Maidan-Aktivisten hätte klar werden müssen, dass die im Schatten der Bewegung gestärkten Militanten eine Gefahr für eine friedliche und demokratische Entwicklung sein können.

Weil Moskau immer von einem Putsch und von Faschisten in Kiew sprach, während man, vielleicht auch aufgrund des erkennbaren Unwillens, sich an Abkommen zu halten, die Krim schnell an die Russische Föderation anschloss, wurde im Westen Russland immer mehr zum Feind, während in Kiew nur die Guten residierten. Das Problem der Beteiligung von auch bewaffneten rechtsextremen und rechtsnationalistischen Gruppen und Parteien an der Regierung in Kiew bzw. deren Macht auf der Straße, wurde systematisch ausgeblendet.

Selbst als man in Kiew beschloss, gegen die prorussischen Proteste in der Ostukraine militärisch vorzugehen und dies als "Antiterroroperation" maskierte, um nicht von einem Bürgerkrieg sprechen zu müssen, griff der Westen nicht öffentlich mäßigend ein. Dann wurde versucht, die militanten Maidan-Aktivisten staatlich unter Kontrolle zu bringen, indem man für sie die Nationalgarde erfand, wo sie der Gewalt gegen die "Terroristen" und ihrer nationalistischen Ideologie weiter nachgehen konnten. Die Militanten vom Rechten Sektor wollten dort nicht eintreten, sie wollten aber auch ihre Waffen nicht abgeben. Es gab Konflikte zwischen Polizei und Rechtem Sektor. Für den Westen und viele westliche Medien kein Thema, auch nicht angesichts der Vorgänge in Odessa.

Weil die ukrainische Armee nicht kampfbereit war, aber die Soldaten auch nicht immer willens waren, gegen ihre ukrainischen Landsleute mit Panzern und schweren Waffen vorzugehen, löste man das Problem mit den störrischen Militanten, indem die Regierung die Bildung und Aufrüstung von Milizen, genannt Bataillone, zuließ und anerkannte, die mit und neben den Streitkräften in den Osten geschickt wurden. Auch manche Oligarchen taten sich hervor, die solche Milizen aufstellten und zu einer Art Warlords wurden. Für den Westen weiter kein Problem, auch dann nicht, als sich Meldungen häuften, dass diese Milizen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begingen. Bei den Wahlen zum Parlament rissen sich die alten und neuen Parteien darum, führende Kräfte dieser Milizen bei sich einzubinden, wohl wissend, dass diese schon aufgrund der bewaffneten Verbände Macht besitzen. Im Westen beruhigte man sich, indem man darauf verwies, dass der Rechte Sektor oder Swoboda kaum Stimmen erhalten. Aber man übersah geflissentlich, dass auch nur wenige tausende Militante, die bewaffnet und aggressiv sind, eine Macht darstellen. Die etwa in den Genfer Vereinbarungen geforderte Entwaffnung der Milizen wurde gerne nur auf die Ostukraine bezogen.

Jetzt wird das Problem der rechtsextremen Milizen auch wieder in Kiew deutlich. Die Staatsanwaltschaft fürchtet, dass das Aidar-Bataillon einen Putsch planen könnte. Olena Yakhno, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, schrieb auf ihrer Facebook-Seite: "Es ist eine Sache, wenn sie unser Land im Osten verteidigen. Es ist etwas anderes, wenn sie in Städte mit Waffen gehen, besonders in die Hauptstadt Kiew. Ich denke, das ist eine innere Gefahr. Es ist Konsens, dass sie unvorhersehbar handeln. Sie können selbst einen Militärputsch ausführen." Das sei die Meinung der Staatsanwaltschaft. Das Bataillon besteht nur aus ein paar hundert Kämpfern und wird vom Amnesty beschuldigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Das Donbas-Bataillon hat bereits ein Ultimatum an Präsident Poroschenko gestellt und einen Putsch angedroht: "Wenn eine einzige Stadt aufgegeben werden sollte, wird der Präsident von seinem Sitz fliegen, es wird einen Putsch geben und die Soldaten werden die Macht übernehmen." Den Abgeordneten in der Rada drohte der Kommandeur Taras Konstanchuk, dass sie dann, wenn sie nicht richtig entscheiden, mit den Füßen zuerst das Parlament verlassen würden.