Ukraine: Steht ein Angriff der Separatisten bevor?

Angeblich fahren Militärkonvois und Panzer der Separatisten Richtung Westen an die Front

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Die Kämpfe um Donezk verschärfen sich. Offenbar ist nach den Wahlen in der Ukraine, aus denen Präsident Poroschenko geschwächt hervorgegangen ist, und denen in Donezk und Lugansk, bei denen die Menschen keine wirkliche Alternative hatten, die Bereitschaft immer geringer geworden, den Waffenstillstand einzuhalten. An die Umsetzung der weiteren Punkte des Minsker Abkommens wird weder in Kiew noch bei den Separatisten gearbeitet. Diplomatische Initiativen fehlen.

Angeblich einer der Konvois, von dem die OSZE berichtet hat. Bild: Novorussia.su

Die OSZE berichtete, es seien zwei Konvois mit jeweils 17 nicht gekennzeichneten Lastwagen in der Nähe von Donezk auf dem von Separatisten kontrollierten Gebiet gesichtet worden. Uniformierte Fahrer oder Begleiter habe man nicht sehen können. Der eine Konvoi transportierte einige Grad-Raketenwerfer, der andere Howitzer. Beide Konvois seien Richtung Westen unterwegs gewesen. Schon am Samstag habe die OSZE 40 Lastwagen und Panzer gesichtet, die im von Separatisten kontrollierten Gebiet Richtung Westen, also in das Frontgebiet gefahren seien. Zudem habe man neun Panzer gesichtet, die ebenfalls nach Westen unterwegs waren. Die "Volkswehr" von Donezk erklärte, dass der große Konvoi vom Samstag zur Verstärkung nach Donezk verlegt worden sei, weil die ukrainischen Streitkräfte auf Wohngebiete von Donezk mit Artillerie schössen und dabei auch Brandmunition einsetzten.

Didier Burkhalter, der OSZE-Vorsitzende und schweizerische Außenminister, äußerte am Samstag Besorgnis über die wieder aufflammende Gewalt in der Ostukraine. Er rief beide Seiten dazu auf, verantwortlich zu handeln, den Waffenstillstand einzuhalten und das Minsker Abkommen zu befolgen.

Zuvor hatten die Separatisten von einem Angriff ukrainischer Panzer auf Vororte von Donezk berichtet, der abgewehrt worden sei. Lysenko, der Sprecher des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats (NSDC), bezichtigte hingegen die Separatisten, den Flughafen von Donezk mehrmals angegriffen zu haben. Er warnte auch wieder einmal davor, dass nach fingierten Angriffen oder Anschlägen ukrainischer Sicherheitskräften weiterhin mit der Invasion von russischen "Friedenstruppen" gerechnet werden müsse. Lysenko erklärte weiter, dass die Ukraine den Abschuss der MH17 als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bewerten würde. Der Abschuss sei vom Gebiet erfolgt, das von den Separatisten kontrolliert wurde. Man habe der internationalen Untersuchungsgruppe alle erforderlichen Informationen und Materialien übergeben. Man erwarte eine Bestrafung der Schuldigen, inbesondere derjenigen, die die "Terroristen mit Waffen versorgt und mit politisch und finanziell unterstützt haben". Damit weist Lysenko auf Russland.

Am Samstag hatte der stellvertretende Vorsitzende des NSDC, Volodymyr Polevyi, behauptet, dass Russland seine Militärpräsenz in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten verstärken würde. Zudem behauptete er, der russische Hilfskonvoi habe Trainingssimulatoren sowie Ausrüstung zur Einrichtung von Übungscamps mitgeführt. Am Tag zuvor hatte Lysenko behauptet, dass Russland seine Truppenpräsenz an der Grenze und in den von Separatisten kontrollierten Gebieten verstärkt habe. So seien Panzer und Lastwagen von Russland aus über die Grenze nach Lugansk gefahren.

Dass man den Mitteilungen des NSDC mit ebenso großer Skepsis wie den Verlautbarungen der Separatisten begegnen muss, ist eigentlich jedem klar. Aber sie dienen dennoch einem Zweck, wie der republikanische Senator John McCain deutlich macht, der seit den Maidan-Protesten den Konflikt mit Russland schürte. Am Freitag griff er die Meldungen auf, um wieder einmal Druck auf die US-Regierung zu machen, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen und Waffen an die Ukraine zu liefern: "Wenn wir das nicht machen, wird Putin weiter versuchen, mehr und mehr von der Ukraine seinem neuen Reich einzuverleiben."

Die Außenbeauftrage der EU, Federica Mogherini, sagte, die neuesten Berichte der OSZE über die Konvois seien sehr beunruhigend. Die USA warnen, dass jeder Versuch der Separatisten, weitere Gebiete einzunehmen, eine "offene Verletzung" des Minsker Abkommens seien. Die Separatisten hatten mehrmals angekündigt, dass sie Mariupol, Kramatorks oder Slawjansk für sich beanspruchen und notfalls mit Gewalt "zurückholen" wollen. Bernadette Meehan, die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, sagte: "Wir sind sehr besorgt durch die verstärkten Kämpfe in der Ostukraine und durch die zahlreichen Berichte, dass die von Russland unterstützten und versorgten Separatisten große Konvois mit schweren Waffen und Panzern zu den Frontlinien des Konflikts bringen."